24.08.2016 Aufrufe

Lebenslust Gottingen - Herbst 2016

Lebenslust Göttingen, das Magazin für Kunst & Kultur, Shopping, Genuss und mehr. Von der Weser bis zum Harz.

Lebenslust Göttingen, das Magazin für Kunst & Kultur, Shopping, Genuss und mehr. Von der Weser bis zum Harz.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

lebenslust:gö KULTUR 51<br />

Der LogenPlatz<br />

Der Autor ist weder Germanist, noch gelernter Schauspieler<br />

oder gar Theaterkritiker, sondern einfach Jurist.<br />

Seine Überlegungen zu den Göttinger Theateraufführungen,<br />

die wir an dieser Stelle regelmäßig veröffentlichen, verstehen<br />

sich daher nicht als Expertise. Es handelt sich vielmehr um die<br />

persönlichen Eindrücke eines „ganz normalen Zuschauers“.<br />

❜❜<br />

Sidlers Diskussionsanreger❛❛<br />

Auch in seiner dritten Saison am Deutschen Theater in Göttingen verlangt<br />

Intendant Erich Sidler dem Zuschauer einiges ab – mehr noch: er möchte sogar „Gewicht auflegen“.<br />

Das Theater soll hauptsächlich den Diskurs<br />

anregen, es soll Fragen stellen,<br />

den Zuschauer sensibilisieren und<br />

gleichzeitig verunsichern“, dieses Credo seines<br />

Intendanten hat das Göttinger Theaterpublikum<br />

bereits in den letzten zwei<br />

Spielzeiten kennenlernen dürfen. Tabus sind<br />

dem 51-jährigen Schweizer dabei fremd. Er<br />

thematisiert das, was besprochen werden<br />

muss.<br />

In diesem Sinne gibt es auch in der kommenden<br />

Spielzeit wieder Themenschwerpunkte,<br />

unter denen die Stücke mehrheitlich eingeordnet<br />

werden können. „Liebe und Beziehung“,<br />

„Politik und Gesellschaft“, „Komödie,<br />

Unterhaltung und Musiktheater“ sowie<br />

schließlich Aufführungen, die sich direkt an<br />

das Göttinger Publikum richten, erwarten<br />

uns ab dem 10. 9. <strong>2016</strong>, wenn mit dem Singspiel<br />

„Im Weißen Rössl“ der Startschuss fällt.<br />

Augenzwinkernd befasst sich diese Inszenierung<br />

mit dem „Clash of Cultures“, während<br />

der Sommerfrische am Wolfgangsee. Unter<br />

der musikalischen Leitung von Michael Frey<br />

und der Regie von Tobias Born gestaltet sich<br />

der Start dieses Mal also anders als in den beiden<br />

vorangegangenen Jahren, als mit den<br />

„Schutzbefohlenen“ und „Homo Empathicus“<br />

eher schwere Kost auf dem Programm stand,<br />

eher leicht und vergnüglich.<br />

Ein weiteres Stück aus dem Themenbereich<br />

Musik und Komödie ist das Musical „Shockheaded<br />

Peter“, welches nach Vorbild des<br />

Struwwelpeter die Abgründe der Erwachsenenwelt<br />

musikalisch aufarbeitet (11. 3. 2017)<br />

und unter „Junk Opera“ firmiert. Kriminalistisch<br />

und ein wenig gruselig, aber dennoch<br />

dem Unterhaltungssektor zuzuordnen, ergänzt<br />

die „Falsche Schlange“ von Alan Ayckbourn<br />

dieses Genre. Vom gleichen Autor<br />

stammt „Familiengeschäfte“ (5. 11. <strong>2016</strong>), das<br />

im Stile einer Farce mit turbulenter, sehr grotesker<br />

Sprache das korrupte Finanzsystem<br />

anprangert. Und natürlich darf auch ein<br />

Weihnachtsmärchen nicht fehlen. „Josef<br />

und Maria“ (22. 10. <strong>2016</strong>) von Peter Turrini<br />

erzählt die Geschichte einer Putzfrau und<br />

eines Nachtwächters, die sich aufgrund jahreszeitlich<br />

bedingter Sentimentalitäten<br />

näherkommen.<br />

Etwas mehr zur Sache geht es im Themenbereich<br />

Liebe und Beziehungen. Hier erwartet<br />

den Zuschauer vor allen Dingen die Mutter<br />

des Beziehungsdramas „Wer hat Angst vor<br />

Virginia Woolf“ von Edward Albee (14. 9.<br />

<strong>2016</strong>). Am 18. 11. <strong>2016</strong> folgt „Irrungen und<br />

Wirrungen“ von Theodor Fontane, am 30. 12.<br />

<strong>2016</strong> schließlich verbindet Arthur Millers „Ein<br />

Blick von der Brücke“ die Themen Eifersucht<br />

und illegale Einwanderung. „Ein Monat auf<br />

dem Lande“ von Ivan Turgenev (6. 5. 2017)<br />

schließlich beschreibt die eigentümlichen Effekte,<br />

die ein junger Student auf die gelangweilt-schwüle<br />

Hitze einer Gruppe Sommerfrischler<br />

haben kann.<br />

In einem dritten Schwerpunkt der Saison<br />

werden politische und gesellschaftliche Themen<br />

bearbeitet, wobei besonders Schillers<br />

„Don Karlos. Infant von Spanien“ (19. 11.<br />

<strong>2016</strong>) und „Antigone“ von Sophokles (23. 2.<br />

2017) die Freunde des klassischen Theaters<br />

ansprechen. Vertreten sind hier auch Themen<br />

aus der NS-Zeit, so die Uraufführung von Gernot<br />

Grünewalds „Kindheit in der NS-Zeit“, welche<br />

dem Zuschauer die Frage stellt, was wäre,<br />

wenn er damals gelebt hätte. Etwas grotesker<br />

präsentiert sich „Mein Kampf“ von George Tabori<br />

(24. 9. <strong>2016</strong>), in dem die rhetorische gesellschaftliche<br />

Ausbildung Adolf Hitlers durch<br />

zwei junge Juden im Vordergrund steht. Mit<br />

„Arisierung“ von Gesine Schmidt (14. 1. 2017)<br />

erwartet das Publikum eine Uraufführung<br />

um die Enteignung jüdischer Geschäftsleute<br />

in und um Göttingen.<br />

Letzteres leitet über zu den Stücken, die<br />

einen spezifischen Bezug zur Stadt Göttingen<br />

haben. Eine weitere Uraufführung, nämlich<br />

„Sofia“ von Anna Jelena Schulte (22. 12.<br />

<strong>2016</strong>), befasst sich mit Sofia Kowalewskaja,<br />

der ersten Mathematikprofessorin Europas,<br />

die in Göttingen promoviert hat. Mit „Peak<br />

White“ von Kevin Rittberger (30. 9. <strong>2016</strong>) wird<br />

dieser Themenkomplex durch eine weitere<br />

Uraufführung ergänzt. Wer pflegt die deutsche<br />

Kultur? Wie wird sich unsere Gesellschaft<br />

wandeln? Sind es am Ende nur noch<br />

die Burschenschaften, in denen Deutschland<br />

existiert? Peak White geht Ängsten und<br />

Feindbildern nach und versucht, die Gegenwart<br />

aus der Zukunft zu betrachten.<br />

Insgesamt 25 Premieren und 17 Wiederaufnahmen<br />

(natürlich Romeo und Julia, Franky<br />

Boy, Romulus der Große und viele andere),<br />

stehen <strong>2016</strong>/2017 an und lassen – hoffen<br />

wir’s – auch Erich Sidlers 3. Saison am Deutschen<br />

Theater wieder zu einem bunten<br />

Strauß von verschiedensten Themen und Diskussionsanregungen<br />

werden. Freuen wir uns<br />

auf spannende Anregungen und einen gegensätzlichen<br />

Diskurs! ■

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!