Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2010-04
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238. Entgeltfortzahlung, keine Folgeerkrankung bei kurzzeitiger<br />
Arbeitsfähigkeit<br />
1. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung<br />
wird auch dann auf sechs Wochen seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit<br />
begrenzt, wenn während bestehender Krankheit eine<br />
neue Krankheit hinzutritt, die ebenfalls zur Arbeitsunfähigkeit<br />
führt. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer bei entsprechender<br />
Dauer der durch beide Erkrankungen verursachten<br />
Arbeitsverhinderungen die Sechs-Wochen-Frist nur einmal in<br />
Anspruch nehmen (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalles).<br />
2. Zwei selbständige Verhinderungsfälle liegen vor, wenn ein<br />
Arbeitnehmer zwischen zwei Krankheiten tatsächlich arbeitet<br />
oder wenn er zwischen den beiden Krankheiten zwar arbeitsfähig<br />
war, tatsächlich aber nicht arbeiten konnte, weil er nur<br />
für wenige, außerhalb der Arbeitszeit liegende Stunden arbeitsfähig<br />
war.<br />
■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz<br />
vom 4.3.<strong>2010</strong>, 11 Sa 547/09<br />
239. Urlaub, Erfüllung des Anspruchs auch bei Pflege eines<br />
erkrankten Kindes<br />
Ist es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich, dass eine Arbeitnehmerin<br />
während eines bereits bewilligten Erholungsurlaubes<br />
wegen der Pflege eines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleibt,<br />
so kommt es gleichwohl zum Erlöschen des Urlaubsanspruches<br />
im Umfang seiner Bewilligung. Da es nicht Zweck<br />
der Norm im Fünften Sozialgesetzbuch über das Krankengeld<br />
bei Erkrankung des Kindes ist, den Arbeitnehmer vor Vergütungseinbußen<br />
wegen der Pflege eines erkrankten Kindes zu<br />
schützen, kommt in diesem Falle auch kein Schadensersatzanspruch<br />
auf Nachgewährung von Erholungsurlaub in Betracht.<br />
Will der Arbeitnehmer Nachteile bei der Vergütung vermeiden,<br />
so ist er in diesem Falle gehalten, von der Arbeitsfreistellung<br />
nach dieser Norm keinen Gebrauch zu machen und das<br />
erkrankte Kind während des Urlaubszeitraumes zu pflegen.<br />
■ Arbeitsgericht Berlin<br />
vom 17.6.<strong>2010</strong>, 2 Ca 1648/10<br />
240. Urlaub, Abgeltung, andauernde Arbeitsunfähigkeit,<br />
Differenzierung zwischen gesetzlichem und vertraglichem<br />
Anspruch<br />
1. Aus einer einzelvertraglichen Vereinbarung, die bezüglich<br />
Urlaub nur regelt, dass der Vertragspartner einen Urlaub<br />
von 30 Arbeitstagen jährlich erhält, ergibt sich keine Differenzierung<br />
zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und<br />
vertraglichem Mehrurlaub.<br />
2. Enthält eine arbeitsvertragliche Urlaubsregelung keinerlei<br />
Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitsvertragsparteien den<br />
vertraglichen Mehrurlaub vom gesetzlichen Mindesturlaub<br />
abkoppeln wollten, verfällt auch der übergesetzliche Mehrurlaub<br />
nicht bei Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit am 31.3. des<br />
Folgejahres.<br />
■ Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein<br />
vom 17.2.<strong>2010</strong>, 3 Sa 410/09<br />
<strong>04</strong>/10<br />
Rechtsprechung<br />
Allgemeines Vertragsrecht<br />
241. Urlaub, Abgeltung, Vorlagebeschluss an EuGH: Zeitliche<br />
Begrenzung des Abgeltungsanspruchs?<br />
1. Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art. 234 EGV<br />
folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:<br />
Ist Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen,<br />
dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten,<br />
nach denen der Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaubs<br />
bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder<br />
Übertragungszeitraums erlischt, auch dann entgegensteht,<br />
wenn der Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig ist und<br />
deshalb Mindesturlaubsansprüche für mehrere Jahre ansammeln<br />
könnte, wenn diese nicht begrenzt würden und würde<br />
die zeitliche Begrenzung mindestens 18 Monate betragen<br />
müssen?<br />
2. Das Verfahren wird vor dem Europäischen Gerichtshof unter<br />
dem Aktenzeichen C-214/10 geführt.<br />
■ Landesarbeitsgericht Hamm<br />
vom 15.4.<strong>2010</strong>, 16 Sa 1176/09<br />
242. Zeugnis, Bindung des Arbeitgebers an früheres Zwischenzeugnis<br />
Ein Arbeitnehmer, der von seinem Arbeitgeber bereits ein<br />
Zwischenzeugnis erhalten hat, kann für den erfassten Zeitraum<br />
ein Endzeugnis beanspruchen, das inhaltlich dem Zwischenzeugnis<br />
entspricht. Denn es besteht regelmäßig eine<br />
Bindung an die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung in dem<br />
Zwischenzeugnis. Der Arbeitgeber darf lediglich dann davon<br />
abrücken, wenn die späteren Leistungen und das spätere Verhalten<br />
des Arbeitnehmers das rechtfertigen. Ein Abweichen<br />
von den Beurteilungen im Zwischenzeugnis ist auch dann<br />
nicht gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber erst nach Erteilung<br />
des Zwischenzeugnisses bekannt geworden ist, dass gegen<br />
den Arbeitnehmer wegen Bestechlichkeit ermittelt wird,<br />
sofern die zugrundeliegenden Handlungen zeitlich vor dem<br />
Beginn des von dem Zwischenzeugnis erfassten Beurteilungszeitraums<br />
liegen.<br />
■ Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein<br />
vom 23.6.<strong>2010</strong>, 6 Sa 391/09<br />
243. Zeugnis, Anspruch auf Zwischenzeugnis im laufenden<br />
Kündigungsschutzverfahren, Formulierungshoheit<br />
des Arbeitgebers, Grundsatz der Zeugniswahrheit<br />
Aus den Entscheidungsgründen:<br />
1. Die Klägerin kann das von ihr konkret ausformulierte<br />
Zwischenzeugnis nicht verlangen, weil es an einem erteilten<br />
berichtigungsfähigen Zwischenzeugnis der Beklagten fehlt.<br />
Diese hat unter dem 9.3.2009 lediglich ein Endzeugnis erteilt.<br />
Die Formulierungshoheit für ein Arbeitszeugnis liegt bei<br />
dem Arbeitgeber. Er ist frei bei seiner Entscheidung, welche<br />
Leistungen und Eigenschaften seines Arbeitnehmers er mehr<br />
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