Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2010-04
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262. Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Schichtplanung,<br />
Verschiebung des Schichtrhythmus<br />
Aus den Entscheidungsgründen:<br />
Der auf das Bestehen des Mitbestimmungsrechts gestützte<br />
Feststellungsantrag ist unbegründet. Die vom Betriebsrat<br />
beanstandete Maßnahme der Arbeitgeberin, Arbeitnehmer<br />
in der Rotationsendverarbeitung von einer in eine andere<br />
Schicht, allerdings innerhalb des gleichen Arbeitszeittableaus<br />
umzusetzen, unterliegt nicht der Mitbestimmung nach § 87 I<br />
Nr. 2 BetrVG. Die entsprechend der Betriebsvereinbarung vom<br />
1.3.2000 und dem Spruch der Einigungsstelle vom 7.2.2000<br />
mitbestimmten Arbeitszeittableaus enthalten für diese Fälle<br />
keine bloße Grobplanung mit der Folge, dass der Betriebsrat<br />
jeder einzelnen Umsetzung von einer Schicht in eine andere<br />
innerhalb des Tableaus erneut zustimmen müsste.<br />
a) Nach § 87 I Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine<br />
gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, mitzubestimmen<br />
über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit<br />
einschließlich der Pausen sowie über die Verteilung der Arbeitszeit<br />
auf die einzelnen Wochentage. Zweck des Mitbestimmungsrechts<br />
ist es, die Interessen der Arbeitnehmer an<br />
der Lage der Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien Zeit<br />
für die Gestaltung ihres Privatlebens zur Geltung zu bringen.<br />
Danach erfasst das Mitbestimmungsrecht nicht nur die Frage,<br />
ob im Betrieb in mehreren Schichten gearbeitet werden soll,<br />
sondern auch die Festlegung der zeitlichen Lage der einzelnen<br />
Schichten und die Abgrenzung des Personenkreises, der<br />
Schichtarbeit zu leisten hat. Mitbestimmungspflichtig ist auch<br />
der Schichtplan und dessen nähere Ausgestaltung bis hin<br />
zur Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten<br />
(BAG, Beschl. v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01).<br />
b) Die Betriebsparteien sind frei in der Entscheidung, ob sie<br />
sich auf eine Regelung über die Grundsätze der Schichtplanung<br />
beschränken, oder ob sie jeden einzelnen Schichtplan<br />
selbst aufstellen wollen. Begnügen sie sich mit der Regelung<br />
von Kriterien und Grundsätzen ist es zulässig, die Aufstellung<br />
von Einzelschichtplänen nach diesen Vorgaben dem Arbeitgeber<br />
zu überlassen. Dem steht nicht entgegen, dass in der Rahmenvereinbarung<br />
nicht alle im Interesse der Arbeitnehmer<br />
liegenden Fragen abschließend geregelt worden sind (BAG,<br />
Beschl. v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01).<br />
c) Nach diesen Grundsätzen hat der Betriebsrat mit der Zustimmung<br />
zu den einzelnen Arbeitszeittableaus entsprechend<br />
der Betriebsvereinbarung vom 1.3.2000 sowie zu dem Spruch<br />
der Einigungsstelle vom 7.2.2000 sein Mitbestimmungsrecht<br />
abschließend ausgeübt. Durch die Aufstellung der Arbeitszeittableaus<br />
erfolgt für den einzelnen Arbeitnehmer, der dem<br />
Arbeitszeittableau zugeordnet wird, die verbindliche konkrete<br />
Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit<br />
sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage<br />
während der Geltungsdauer des Tableaus. Die gesamte<br />
Konstellation verpflichtet die Arbeitgeberin nicht, für<br />
die Umsetzung eines Arbeitnehmers von einer Schicht in eine<br />
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Rechtsprechung<br />
Personalvertretungsrecht<br />
andere entsprechend der Vorgaben des Tableaus erneut die<br />
Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.<br />
aa) Unerheblich ist, dass die Betriebsparteien die Grundsätze<br />
der Schichtplanung recht übersichtlich und wenig detailliert<br />
geregelt haben. Denn grundsätzliche Erwägungen sind einvernehmlich<br />
festgelegt: Mit der Betriebsvereinbarung vom<br />
1.3.2000 einigten sich die Betriebsparteien auf die jeweilige<br />
Anzahl der an den einzelnen Anlagen der Rotationsendverarbeitung<br />
eingesetzten Mitarbeiter und deren Qualifikation als<br />
Fach-, Fachhilfs- oder Hilfskräfte. Der Spruch der Einigungsstelle<br />
vom 7.2.2000 legt verbindlich die Verständigung der<br />
Betriebsparteien auf Arbeitszeittableaus für die Rotationsendverarbeitung<br />
fest. In diesen Tableaus wiederum verständigen<br />
sich die Betriebsparteien auf die Anzahl und Art der Schichten,<br />
auf die konkreten Arbeitszeiten an den einzelnen Wochentagen<br />
und die freien Tage in den einzelnen Schichten sowie den<br />
Schichtdurchlauf.<br />
bb) Unerheblich ist auch, dass die Betriebsparteien nicht<br />
– etwa in Form eines Jahresschichtplanes oder durch die<br />
Festlegung weiterer Kriterien – die Zuordnung einzelner<br />
Mitarbeiter zu den einzelnen Schichten bestimmt haben.<br />
Zum einen zeigt die Auslegung der Betriebsvereinbarung<br />
über die Besetzungsregelung vom 1.3.2000 nebst Spruch der<br />
Einigungsstelle vom 7.2.2000 sowie den einzelnen Arbeitszeittableaus,<br />
dass die Betriebsparteien mit der Festlegung<br />
auf gerade diese Grundsätze das Mitbestimmungsrecht des<br />
Betriebsrats nach § 87 I Nr. 2 BetrVG als voll-umfänglich<br />
und abschließend gewahrt ansehen und die Zuordnung der<br />
Mitarbeiter zu der einen oder anderen Schicht innerhalb<br />
eines Arbeitszeittableaus gerade dem Arbeitgeber überlassen<br />
haben. Denn die Vollzugspraxis einer Vereinbarung der<br />
Betriebsparteien lässt Rückschlüsse auf deren Regelungsgehalt<br />
zu (BAG, Beschl. v. 22.1.2002 – 3 AZR 554/00). Seit<br />
der Einführung der Betriebsvereinbarung im Jahr 2000<br />
hat der Arbeitgeber vor der Umsetzung eines Mitarbeiters<br />
von einer Schicht in eine andere innerhalb des gleichen<br />
Arbeitszeittableaus zu keiner Zeit die Zustimmung des Betriebsrates<br />
eingeholt. ( ... ) Weiter ist zu berücksichtigen, dass<br />
bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung derjenigen<br />
Lösung der Vorzug zu geben ist, die zu einer vernünftigen,<br />
sachgerechten und praktisch brauchbaren Regelung führt<br />
(BAG, Beschl. v. 28.5.2002 – 1 ABR 40/01). Die Auslegung<br />
der Betriebsvereinbarungen im Sinne des Betriebsrats würde<br />
aber erhebliche praktische Probleme mit sich bringen. Trotz<br />
der grundsätzlichen Zustimmung des Betriebsrates zu dem<br />
Arbeitszeittableau müsste der Arbeitgeber im Falle der Zustimmungsverweigerung<br />
zu einer einzelnen Umsetzung eine<br />
Entscheidung der Einigungsstelle abwarten. Dies dürfte zeitlich<br />
zwischen der Planung und Durchführung der Maßnahme<br />
kaum möglich praktizierbar sein. Zum anderen überlässt<br />
der Betriebsrat nicht dem Arbeitgeber ein alleiniges Gestaltungsrecht<br />
über mitbestimmungspflichtige Tatbestände. Eine<br />
solche Regelung wäre unzulässig (BAG, Beschl. v. 3.6.2003 – 1<br />
AZR 349/03). Denn mit der Bestimmung der Anzahl und Art<br />
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