Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2010-04
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die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich<br />
sind. ( ... ) Hier sind auch im weitesten Sinn sozialpolitische<br />
Ziele für die diskriminierende Regelung nicht erkennbar,<br />
insbesondere greift der von der Beklagten geltend<br />
gemachte Schutz älterer Arbeitnehmer wegen der bei ihnen<br />
typischerweise gegebenen Arbeitsmarktchancen nicht. Vorliegend<br />
geht es nicht um Entlassung, sodass arbeitsmarktpolitische<br />
Gesichtspunkte unbeachtlich sind. Auf die Gesamtschau<br />
der Regelungen des Tarifvertrages kann es ebenfalls nicht<br />
ankommen, denn die Einstellung des Leistungsentgelts unterfällt<br />
dem Anwendungsbereich des TV UmBw nicht, die Beklagte<br />
wendet die Regelungen zu Einkommenssicherung lediglich<br />
auf diesen Fall an. Wenn ein Arbeitgeber – wie hier –<br />
die Regelungen eines Tarifvertrages auf eine Fallgestaltung<br />
anwendet, die im Tarifvertrag nicht geregelt ist, kann bei der<br />
Beurteilung der Frage, ob eine Benachteiligung durch ein legitimes<br />
Ziel gerechtfertigt ist, nicht auf die von den Tarifpartnern<br />
mit ihren Regelungen verfolgten Ziele abgestellt werden,<br />
vielmehr kommt es darauf an, ob die von dem Arbeitgeber bei<br />
Anwendung der Regelungen des betreffenden Tarifvertrages<br />
verfolgten Ziele die Benachteiligung rechtfertigen. Die Kammer<br />
hatte deshalb nicht zu entscheiden, ob die Regelungen<br />
in § 6 Abs. 3 TV UmBw für die in § 1 TV UmBw genannten<br />
Fallgestaltungen eine unzulässige Benachteiligung jüngerer<br />
Arbeitnehmer darstellen.<br />
4. Infolge der nicht gerechtfertigten Benachteiligung kann die<br />
Klägerin verlangen, so gestellt zu werden wie die lebensälteren<br />
Beschäftigten, es hat also eine Anpassung nach oben<br />
zu erfolgen (EuGH, Beschl. v. 27.06.1990 – Rs C 33/89; ErfK-<br />
Schlachter, AGG, § 7 Rn 5).<br />
■ Arbeitsgericht Siegburg<br />
vom 16.9.<strong>2010</strong>, 1 Ca 919/09<br />
eingereicht von Rechtsanwalt Dirk Schöl,<br />
Orestiadastraße 18, 53721 Siegburg<br />
Tel.: 02241/969120, Fax: 02241/9691220<br />
info@rechtsanwalt.su; www.rechtsanwalt.su<br />
Prozessuales<br />
282. Klagefrist, Klageerhebung per Telefax, Beweiswert<br />
des Sendeprotokolls<br />
1. Stimmen die Statusberichte des sendenden und des empfangenden<br />
Faxgerätes überein und hat das (empfangende)<br />
Faxgerät des Gerichtes einen fehlerfreien Empfang protokolliert,<br />
kann daraus nach Lage des Einzelfalles auf den Zugang<br />
der im Original vorliegenden Klageschrift rückgeschlossen<br />
werden, auch wenn das Fax nicht mehr auffindbar ist.<br />
2. Fehler beim elektronischen Übertragungsvorgang können<br />
einer Partei nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden,<br />
wenn sie aus dem Sendeprotokoll nicht ersichtlich sind.<br />
■ Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg<br />
vom 15.12.2009, 19 Sa 1658/09<br />
<strong>04</strong>/10<br />
Rechtsprechung<br />
Prozessuales<br />
283. Klagefrist, Fristlauf in sozialrechtlichen Angelegenheiten,<br />
Zugangsfiktion kann Fristende am Samstag bewirken<br />
Gegen einen Bescheid, mit dem Leistungen zur Sicherung des<br />
Lebensunterhalts abgelehnt wurden, kann binnen eines Monats<br />
nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts Klage erhoben<br />
werden. Ist der Widerspruchsbescheid mit einer ordnungsgemäßen<br />
Rechtsbehelfsbelehrung versehen, so ist eine einen<br />
Tag nach Fristablauf eingereichte Klage als unzulässig zurückzuweisen.<br />
Nach der gesetzlichen Zugangsfiktion ist allein<br />
maßgeblich der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post, wobei<br />
der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, nicht mitzuzählen<br />
ist. Ist der dritte Tag im Sinne der Zugangsfiktion<br />
ein Samstag, so greift die Fiktion der Bekanntgabe auch dann<br />
ein, wenn der für die Bekanntgabe maßgebende dritte Tag<br />
nach der Aufgabe zur Post auf einen Samstag, Sonntag oder<br />
Feiertag fällt. Einschränkungen dergestalt, dass die Frist erst<br />
mit dem Ablauf des nächsten Werktages endet, wenn das<br />
Ende der Frist auf einen Sonnabend fällt, bestehen nicht.<br />
■ Bundessozialgericht<br />
vom 6.5.<strong>2010</strong>, B 14 AS 12/09 R<br />
284. Unterschrift, Leserlichkeit des Namenszuges nicht<br />
erforderlich<br />
Auch ein unleserlicher Schriftzug auf einem Empfangsbekenntnis<br />
kann eine rechtswirksame Unterschrift im Sinne der<br />
Zivilprozessordnung sein. Es ist zu berücksichtigen, dass nach<br />
allgemeiner Lebenserfahrung die Leserlichkeit einer Unterschrift<br />
gerade bei Personen, die aus beruflichen Gründen<br />
tagtäglich eine Vielzahl von Unterschriften zu leisten haben,<br />
im Laufe der Zeit abnimmt. Dies kann nicht dazu führen,<br />
dass der Urheber schließlich damit rechnen muss, ab einem<br />
bestimmten Abschleifungsgrad nicht mehr rechtswirksam zu<br />
unterzeichnen.<br />
■ Landessozialgericht Rheinland-Pfalz<br />
vom 26.7.<strong>2010</strong>, L 2 R 158/10<br />
285. Beweislast, ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung,<br />
Erschütterung des Anscheinsbeweises<br />
Einer ordnungsgemäß ausgefüllten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung<br />
kommt ein hoher Beweiswert zu. Sie trägt<br />
zunächst die Vermutung der Richtigkeit in sich. Die Beweiskraft<br />
eines Arbeitsunfähigkeitsattestes, das in einem Staat,<br />
der nicht Mitglied der Europäischen Union (hier: Türkei) ist,<br />
ausgestellt ist, ist jedoch dann erschüttert, wenn Umstände<br />
zusammenwirken wie die Erkrankung gegen Ende eines nur<br />
teilweise gewährten Heimaturlaubes sowie die Annahme<br />
in dem Attest, der Arbeitnehmer sei nach empfohlener<br />
30-tägiger Bettruhe wieder arbeitsfähig.<br />
■ Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz<br />
vom 24.6.<strong>2010</strong>, 11 Sa 178/10<br />
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