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Arbeitsrechtliche Entscheidungen Ausgabe 2010-04

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anzuschließen. Sie hält dafür, dass durch die Arbeitsaufnahme<br />

noch kein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist, so dass die<br />

Fiktion des § 16 Satz 1 TzBfG nicht eingreift.<br />

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG erfordert die Befristungsabrede zu<br />

ihrer Wirksamkeit Schriftform. Die nur mündlich vereinbarte<br />

oder mit Formmängeln behaftete Befristung ist nichtig (§ 125<br />

Satz 1 BGB). Der unwirksam befristete Arbeitsvertrag gilt als<br />

auf unbestimmte Zeit geschlossen (§ 16 Satz 1 TzBfG). Ob<br />

überhaupt ein wirksamer Arbeitsvertrag zwischen den Parteien<br />

zustande gekommen ist, richtet sich weiterhin nach den<br />

§§ 145 ff. BGB und dem allgemein für Rechtsgeschäfte und<br />

namentlich für Arbeitsverträge geltenden Gesetzesrecht. Im<br />

Besonderen hebt § 14 Abs. 4 TzBfG nicht über § 154 BGB hinweg.<br />

Solange sich die Parteien nicht über alle Vertragspunkte<br />

geeinigt haben und trotz der offenen Punkte nicht erkennbar<br />

vertraglich binden wollen, ist nach der Auslegungsregel des<br />

§ 154 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Arbeitsvertrag nicht geschlossen.<br />

Gleiches gilt für den Fall, dass die Parteien vereinbart haben,<br />

ihre Rechtsbeziehung nicht auf eine nur mündliche Vereinbarung<br />

zu gründen, sondern die Verbindlichkeit ihrer<br />

Einigung vom Abschluss eines schriftlichen Vertrages abhängig<br />

machen (§ 154 Abs. 2 BGB). Danach sind in jedem Einzelfall<br />

die zwischen den Parteien getroffenen Absprachen unter<br />

Berücksichtigung der auslegungsrelevanten Umstände auf<br />

das Vorliegen eines kongruenten Bindungswillens zu prüfen.<br />

Haben etwa die Parteien sich über die wesentlichen Bedingungen<br />

des neuen Arbeitsverhältnisses geeinigt und setzen<br />

sie einen noch nicht beurkundeten Vertrag einvernehmlich<br />

in Vollzug, können sie damit zu erkennen geben, dass der<br />

Vertrag ohne Rücksicht auf die nicht eingehaltene Schriftform<br />

wirksam werden soll (BGH 8.10.2008 – XII ZR 66/06, BAG<br />

19.9.1985 – 2 AZR 539/84).<br />

Hieran gemessen ist die einverständliche Arbeitsaufnahme<br />

der Klägerin am 15.1.2008 ein Indiz für einen konkludenten<br />

Vertragsschluss. So benennt bereits das Inserat des beklagten<br />

Landes die wesentlichen Arbeitsbedingungen, nämlich<br />

Art, Ort und zeitlichen Umfang der Tätigkeit, das präsumierte<br />

Anforderungsprofil und die Höhe der Vergütung („Entgeltgruppe<br />

5 TV-L“). Der Umstand, dass der Klägerin ihr künftiger<br />

Arbeitsplatz zugewiesen wurde und sie dort erste Schreibarbeiten<br />

verrichtete, macht die ernsthafte Absicht beider Parteien<br />

erkennbar, ein Arbeitsverhältnis einzugehen. Andererseits<br />

entspricht es der – Bewerbern erkennbaren – Üblichkeit<br />

im öffentlichen Dienst, Einstellungen an den obligatorischen<br />

Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages zu<br />

knüpfen und bloße mündliche Absprachen als noch nicht<br />

endgültig verbindlich anzusehen und die Ergänzungsbedürftigkeit<br />

der Absprachen, auch wenn dadurch bereits die wesentlichen<br />

Vertragspunkte geklärt sind, nach Maßgabe des<br />

noch abzuschließenden schriftlichen Vertrages vorzusehen.<br />

Indem der öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich Normvollzug<br />

betreiben und insoweit nach den einschlägigen Tarifverträgen<br />

verfahren will (vgl. BAG 28.1.2009 – 4 AZR 9<strong>04</strong>/07), wird von<br />

Bedeutung, dass tariflich für den Arbeitsvertrag der Schrift-<br />

<strong>04</strong>/10<br />

Rechtsprechung<br />

Bestandsschutz<br />

formzwang statuiert wird. So verhält es sich auch hier. Die Klägerin<br />

musste nach dem Zeitungsinserat mit dem Hinweis auf<br />

die tarifliche Vergütung und, unabhängig hiervon, aufgrund<br />

der bekannten Praxis des beklagten Landes, Einstellungen<br />

gemäß Tarif, i.e. dem TV-L, vorzunehmen, davon ausgehen,<br />

dass der angestrebte befristete Arbeitsvertrag schriftlich abgeschlossen<br />

werden würde (§ 2 Abs. 1 TV-L).<br />

c) In diesen Kontext ist die – vom erstinstanzlichen Urteil<br />

nicht nachvollzogene – Erkenntnis des Bundesarbeitsgerichts<br />

zu stellen, dass, wenn der Arbeitgeber im Rahmen von Einstellungsverhandlungen<br />

über den Abschluss eines befristeten<br />

Arbeitsvertrags dem Arbeitnehmer die schriftliche Niederlegung<br />

des Vereinbarten ankündige, seine Erklärung im Allgemeinen<br />

so zu verstehen sei, dass er damit auch dem sich aus<br />

§ 14 Abs. 4 TzBfG ergebenden Schriftformgebot entsprechen<br />

wolle und seine auf den Vertragsschluss gerichtete Erklärung<br />

nur durch eine die Form des § 126 Abs. 2 BGB genügende<br />

Unterzeichnung der Vertragsurkunde angenommen werden<br />

könne (vgl. BAG 16.4.2008 – 7 AZR 1<strong>04</strong>8/06). ( ... )<br />

(11) Das Arbeitsgericht hat für ein durch Arbeitsaufnahme<br />

begründetes unbefristetes Arbeitsverhältnis und gegen ein<br />

faktisches Arbeitsverhältnis damit argumentiert, dass es eine<br />

in der Praxis nicht eben seltene Fallkonstellation sei, dass<br />

entgegen einer erfolgten Ankündigung der schriftlichen<br />

Niederlegung des Vereinbarten die Herstellung der Vertragsurkunde<br />

dann über Wochen, Monate oder gar Jahre hinweg<br />

unterbleibe (generell zum Meinungsstand: Laux/Schlachter,<br />

TzBfG, § 14 Rn 143, Amold/Gräfl, TzBfG, 2. Aufl., § 14 Rn 361 f.,<br />

KR/Lipke, 9. Aufl., § 14 TzBfG Rn 561 f.). In der Tat kann es<br />

zu „Störfällen“ kommen, wenn einerseits der Arbeitgeber<br />

entgegen getroffener Absprache dem Arbeitnehmer einen<br />

schriftlicher Arbeitsvertrag nicht zuleitet oder die beiderseitige<br />

Unterzeichnung oder Rückgabe des Vertrages durch den<br />

Arbeitnehmer unterbleibt und andererseits das Arbeitsverhältnis<br />

gleichwohl von den Parteien durchgeführt wird. Die<br />

dadurch entstehende Problemlage resultiert aber nicht aus<br />

§ 14 Abs. 4 TzBfG, sondern aus § 154 Abs. 2 BGB. Instrumente<br />

zur Behebung der aufgezeigten Störfälle sind durchaus<br />

vorhanden (PWW/Brinkmann, BGB, 4. Aufl., § 154 Rn 4). Der<br />

Partei, die es übernommen hat, die Einigung schriftlich<br />

abzufassen (durchweg der Arbeitgeber), kann im Einzelfall die<br />

Nichterfüllung dieser Obliegenheit etwa dergestalt angelastet<br />

werden, dass ihre Berufung auf die Beurkundungsabrede<br />

treuwidrig und insbes. ein unzulässiger Selbstwiderspruch<br />

ist, wenn sie ohne Vertragsbeurkundung die Arbeitsleistung<br />

für längere Zeit abfordert (vgl. Bamberger/Roth/Eckert, BGB,<br />

2. Aufl., § 154 Rn 19). (...)<br />

(22) Es entspricht nicht dem Sanktionszweck des § 16 Satz 1,<br />

§ 14 Abs. 4 TzBfG, bei jeder auch nur geringfügigen Verzögerung<br />

der Beurkundung sofort ein unbefristetes Arbeitsverhältnis<br />

i.S.v. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBFG mit der Folge des Sachgrundzwangs<br />

nach Abs. 1 entstehen zu lassen. Die Klarstellungsund<br />

Beweisfunktion des § 14 Abs. 4 TzBfG ist erfüllt, wenn<br />

die Parteien die Befristung im Nachhinein schriftlich fixieren<br />

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