Am Beispiel Kinderdörfer: Das sparen moderne Geräte - E&W
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Liebe Leser!<br />
Wenn in der Küche das Wasser<br />
aus der Deckenleuchte rinnt,<br />
weil im Badezimmer darüber<br />
irgend so eine verdammte Leitung,<br />
Dichtung, Brausetasse,<br />
Armatur oder anderes, sich meiner<br />
Vorstellungskraft entziehendes,<br />
Wasser führendes Teil ganz<br />
kräftig leckt, dann hebt das<br />
nicht die Stimmung. Vor allem bei jemandem wie<br />
mir, der zu Werkzeugen ein eher distanziertes<br />
Verhältnis hat. Was nebenbei bemerkt gar nicht so<br />
sehr an mir liegt, als vielmehr an den Werkzeugen.<br />
Die wollen mich einfach nicht. Es ist ja nicht<br />
so, dass ich es nicht immer wieder versuchen würde,<br />
aber danach ist meist mehr kaputt als vorher.<br />
Als also das Wasser aus der Deckenleuchte tropft<br />
und sich die Sicherung mit einem lauten Knall<br />
verabschiedet, ist mein erster – und einziger –<br />
Gedanke (das laute „Scheiße“ gilt nicht): Da<br />
muss ein Profi ran. Koste es, was es wolle.<br />
Ich tat also, was ein Mann eben tun muss, tippte<br />
die Telefonnummer von Firma L. in mein Handy<br />
und fand mich flugs in einem nur Sekunden dauernden<br />
Dialog wieder. Ich würde zwecks Terminvereinbarung<br />
zurückgerufen, erklärte mir eine<br />
Dame am anderen Ende der Leitung. Der versprochene<br />
Rückruf erfolgte – Sie haben es längst<br />
erraten – natürlich nicht. Also rief ich am nächsten<br />
Tag wieder an. Die mittlerweile bekannte Dame<br />
brachte zwar keine Entschuldigung über die Lippen,<br />
versprach aber immerhin Besserung. Und tatsächlich<br />
meldete sich der Senior-Chef eine halbe<br />
Stunde später. Ich war fast sprachlos vor Glück. Es<br />
war tatsächlich der Chef persönlich und er sprach<br />
mit mir!<br />
Noch mehr freute ich mich, als er versprach, noch<br />
am selben Tag vorbeizukommen, was sich in Form<br />
des folgenden Dialogs abspielte: „Sind Sie jetzt<br />
zuhause?“ „Nein, ich bin im Büro.“ „Wann<br />
können Sie zuhause sein?“ „Dreiviertel fünf würde<br />
sich ausgehen.“ „Gut, dann bin ich um dreiviertel<br />
fünf bei Ihnen, was erledigt ist, ist erledigt.“<br />
Wow, da war ich sprachlos. So viel Tatkraft gefiel<br />
mir. Vergessen war der verschlampte Rückruf vom<br />
Vortag und ich gratulierte mir still, dass ich mich<br />
vor Jahren für Firma L. als Installationsunternehmen<br />
entschieden hatte. Nicht auszudenken, wäre<br />
ich damals zu K. gegangen, ich wäre niemals in<br />
den Genuss dieses Kundenservices gekommen.<br />
Also hetzte ich nach Hause und traf dort –<br />
<strong>Das</strong><br />
Schlaraffenland<br />
schweißgebadet – 20 Minuten<br />
vor fünf ein. Begleitet von<br />
der Angst, der gute Chef von<br />
L. könnte schon vor unserem<br />
Haus stehen und bereits ungeduldig<br />
auf mich warten.<br />
Um es kurz zu machen: Er<br />
war noch nicht da und ich war<br />
sehr erleichtert. Als er jedoch<br />
um 18 Uhr noch immer nicht erschienen war<br />
und auch nicht, als ich gegen Mitternacht schlafen<br />
ging, waren es eher ganz andere Gefühle als<br />
jene der Erleichterung, die von mir Besitz ergriffen<br />
hatten.<br />
Zu diesen Gefühlen gesellte sich dann auch noch<br />
der starke Verdacht, meine Ohren würden nicht<br />
mehr ganz zuverlässig arbeiten, als sich die Sekretärin<br />
der Firma L. bei meinem Anruf am nächsten<br />
Tag ziemlich unbeeindruckt von meiner Klage<br />
über die Unzuverlässigkeit des Chefs zeigte und<br />
sinngemäß sagte, dass es durchaus öfter vorkäme,<br />
dass dieser Termine nicht einhalte. So als wäre das<br />
die normalste Sache der Welt und ich bloß etwas<br />
überempfindlich. Auf die bescheiden vorgetragene<br />
„Österreich ist keine Servicewüste.<br />
Denn das hieße, den Wüsten, diesen<br />
nur oberflächlich kargen Gebieten voll<br />
interessanter Fauna, Unrecht zu tun.<br />
Schwarzes Loch wäre passender.“<br />
Frage, ob er nicht anrufen hätte können, meinte<br />
sie, dass er das nie täte. So als wäre allein die Idee,<br />
der Chef könnte mich einfach so anrufen, schon<br />
eine Obszönität. Außerdem hätte man derzeit<br />
sehr viel Arbeit und da wäre das eben an der Tagesordnung.<br />
Basta.<br />
Erst auf die Frage, ob sie das allen Ernstes ganz<br />
normal fände, lenkte sie schließlich ein, gab zu,<br />
dass sie mich schon ein ganz klein wenig verstehen<br />
könne und bot mir als Wiedergutmachung die<br />
Handynummer des Chefs an. Der hob dann auch<br />
tatsächlich ab – und ließ meine Kritik an seiner<br />
Unverlässlichkeit wie Öl an einer teflonbeschichteten<br />
Pfanne abgleiten. Zumindest jedoch tauchte<br />
er noch am selben Tag auf. <strong>Das</strong>s er das Problem<br />
nicht löste, sich nach einer Viertelstunde mit dem<br />
Tipp, wir sollten selbst mal ausprobieren, wo das<br />
Wasser herkomme, wieder verabschiedete und nie<br />
wieder etwas von sich hören ließ sei hier nur am<br />
Editorial<br />
Rande erwähnt. Auf die Idee, nach ein paar Tagen<br />
einmal nachzufragen, kam er natürlich nicht. Eh<br />
klar. Immerhin ist er ja der Chef. Und wir? Nun,<br />
lästig jedenfalls. Hätten wir doch Arbeit, von der er<br />
ohnehin schon genug hat.<br />
Was ich mit diesem – ich behaupte mal – symptomatischen<br />
<strong>Beispiel</strong> sagen will? <strong>Das</strong>s man sich<br />
als ernsthafter Unternehmer, dem die Zukunft seines<br />
Unternehmens am Herzen liegt, jeden Tag bei<br />
Menschen wie dem Chef der Firma L. herzlich<br />
bedanken sollte. Für die große Chance nämlich,<br />
sich mit denkbar geringem Aufwand aus der Masse<br />
hervorzuheben und Kunden ein Leben lang an<br />
sich zu binden. Der Preis dafür ist denkbar niedrig:<br />
Man muss jene bloß so behandeln, wie man<br />
selbst gerne behandelt werden würde. Damit hätte<br />
Philosoph Immanuel Kant seine helle Freude,<br />
bedeutet dessen „kategorischer Imperativ“ doch<br />
sinngemäß, so zu handeln, als könnte das eigene<br />
Handeln zu einer allgemeinen Maxime werden.<br />
Österreich ist also in der Tat ein Schlaraffenland<br />
für clevere Unternehmer: Da der Servicegrad im<br />
Durchschnitt derart schlecht ist, dass sogar das<br />
Einhalten von vereinbarten Terminen von den<br />
Kunden als großartige Leistung gesehen wird, öffnen<br />
sich für jene Tür und Tor, die diese Chance<br />
am Schopf zu packen wissen. Billiger gibt’s Kundentreue<br />
nicht zu „kaufen“.<br />
Was viele erst merken, wenn es zu spät ist: Ein<br />
Unternehmen funktioniert wie eine Maschine.<br />
Unzuverlässige Teile machen die ganz Maschine<br />
wenn schon nicht wertlos, dann zumindest leicht<br />
ersetzbar. Und dass Sie mir jetzt nicht damit<br />
kommen, dass Österreich eine Servicewüste ist.<br />
Denn das hieße, den Wüsten dieser Erde, diesen<br />
nur oberflächlich kargen Gebieten voll interessanter<br />
Fauna, Unrecht zu tun. Schwarzes Loch wäre<br />
ein passenderer Ausdruck für das, was sich in<br />
punkto Kundenservice hierzulande abspielt (einige<br />
sehr gut organisierte Unternehmen ausgenommen).<br />
Denn in einem schwarzen Loch hört nicht<br />
nur die Zeit auf zu existieren, sondern auch jegliche<br />
Gedanken. Und der Begriff des Kunden<br />
spielt auch keine Rolle.<br />
DI Andreas Rockenbauer<br />
Herausgeber