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Open Source Jahrbuch 2007

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2005, S. 340). In diesem Grundprinzip sehen viele Autoren die Grundlage für die<br />

Freiheit und die Offenheit des Internets für Innovationen. Informationstechnik trägt<br />

in dieser Argumentation als Infrastruktur wie Straÿen, Schienenwege, das Telefon<br />

oder Elektrizität ihren Zweck nicht in sich selbst, sondern ermöglicht Innovation als<br />

Grundlage wohlstandsmehrenden Wirtschaftens (Lutterbeck 2005, S. 335).<br />

Der Ruf nach Regulation und Änderungen im Netzdesign stellt das End-to-End<br />

Prinzip und damit die Funktion des Internets als freie Infrastruktur jedoch in Frage.<br />

Christian Sandvig weist darauf hin, dass es technisch zwar durchaus zweckmäÿig sein<br />

mag, das Netzwerk intelligenter zu machen und Funktionen wie Flusskontrolle, Caching<br />

oder Firewalls in das Netz zu integrieren, dass dies aber auch gleichzeitig die<br />

Möglichkeit eröffne, dass Netzbetreiber Kontrolle über die Enden ausüben (Sandvig<br />

2003). Ob das Internet als neues Massenmedium seine Neuartigkeit in Gestalt der<br />

Many-to-Many-Kommunikation auch in Zukunft beibehalten wird oder diese der Regulation<br />

zum Opfer fällt, wird davon abhängen, wer die Kontrolle über die Enden<br />

ausübt und wie diese Kontrolle (aus-)genutzt wird.<br />

Lawrence Lessigs These, dass der Code Gesetz sei, stellt jedoch nicht nur die<br />

Gefährdungen der Freiheit heraus, sondern hilft auch zu verstehen, dass die Struktur<br />

eines Softwaresystems die Form der Many-to-Many-Kommunikation beein usst. In<br />

der Software sind somit jene Regeln verborgen, die Ein uss darauf ausüben, wer mit<br />

wem auf welche Art und Weise kommunizieren kann. So sind Newsgroups, Chats,<br />

Diskussionsforen, Wikis oder Blogs Varianten einer Many-to-Many-Kommunikation,<br />

die eine jeweils unterschiedliche Beteiligungspraxis nahelegen.<br />

Wenn die Struktur einer Software auch Ein uss auf die Nutzungspraxis hat, so<br />

ist dieser Zusammenhang aber auch nicht als deterministischer zu begreifen. Soziale<br />

Wirkungen lassen sich nicht ausschlieÿlich aus den technischen Merkmalen einer<br />

Software ableiten. Die Softwarenutzung obliegt immer auch einem Prozess der sozialen<br />

Aneignung, in der ihre Verwendungsweisen sozial ausgehandelt und interpretiert<br />

werden (vgl. dazu Münch und Schmidt 2005).<br />

Dass Software immer auch über Freiheitsgrade verfügt, die unterschiedliche Nutzungsweisen<br />

zulassen, zeigt sich zumeist darin, dass in der Nutzung von Software<br />

immer wieder Diskrepanzen zwischen den Erwartungen und der tatsächlichen Nutzungspraxis<br />

auftreten (vgl. Pape 2004). Zu diesen Diskrepanzen zählen u. a. Probleme<br />

des Missbrauchs, mangelnde Ef zienz oder mangelnde Nutzung, aber auch die zum<br />

Teil überraschenden Wendungen in der Nutzungsgeschichte einer Anwendungssoftware.<br />

So haben sich beispielsweise Weblogs in den letzten Jahren vom zunächst sporadisch<br />

genutzten Online-Tagebuch zu einem bedeutsamen Instrument des Online<br />

Journalismus und der Organisationsentwicklung entfaltet (vgl. Schmidt et al. 2005).<br />

Wenn die Struktur eines Softwaresystems die Beteiligungspraxis zwar wesentlich beein<br />

usst, aber auch nicht determiniert, lässt sich daraus folgern, dass auch im Feld<br />

elektronischer Demokratie der wechselseitigen Bedingtheit von Softwarenutzung und<br />

Softwarestruktur in angemessener Weise Rechnung getragen werden sollte.<br />

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