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Open Source Jahrbuch 2007

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wurde, bestand in der Kombination von einerseits Kollaboration in Forschung<br />

und Entwicklung und andererseits Konkurrenz in Anwendung und Service.<br />

Wissen, das bekanntlich durch Teilung und Gebrauch weder weniger noch<br />

entwertet wird, wurde im globalen Datenraum gemeinsam produziert und geteilt,<br />

während man bei seiner Aufbereitung für Anwendung und Nutzung im<br />

Realraum verschiedene, lokalen und nationalen Bedürfnissen angepasste und<br />

durchaus auch konkurrierende Lösungen suchte. Zu den Wettbewerbsvorteilen,<br />

die diese neue Praxis dem Bruch mit den Traditionen des Geschäftslebens<br />

verdankt, zählen beschleunigtes Entwicklungstempo, gesteigerte Flexibilität in<br />

der Produktion sowie überlegene Qualitätskontrolle. Sie vor allem sorgt für die<br />

Konkurrenzfähigkeit der <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Produkte und -Dienstleistungen wie für<br />

deren zuverlässige Anpassung an spezi sche Nutzerbedürfnisse.<br />

In ihrer Gesamtwirkung erscheint die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Praxis daher als wesentlicher<br />

Teil der kulturellen Adaptation an die kategorial neuen Möglichkeiten, die sich mit<br />

digitalen Technologien und der globalen Vernetzung eröffneten. Indem sie die Wissensarbeit<br />

auf ein neues Fundament stellte, ging ihr Siegeszug an die Wurzeln der<br />

industriellen Ordnung. Auffällig sind dabei die Parallelen zur Industrialisierung und<br />

insbesondere deren Frühzeit vor rund 200 Jahren. Denn auch damals erforderte eine<br />

neue die industrielle Technologie die Überwindung der etablierten Strukturen.<br />

Und auch damals standen im Zentrum der Entwicklung die beiden Elemente, um die<br />

heute wieder gerungen wird: die Verfügung über geistiges Eigentum und eine bessere,<br />

weil dem Potenzial der neuen Technologie entsprechende Arbeitsorganisation. Der<br />

Taylorismus allerdings, in dem diese epochale Anpassungsleistung um 1900 kulminierte,<br />

war mit der Unterwerfung des Einzelnen unter den industriellen Apparat nicht nur,<br />

wie oft bemerkt wurde, Ausdruck einer Maschinenwerdung des Menschen. Er war<br />

auch eine vordemokratische Organisationsform, in deren System der Entmündigung<br />

die faschistischen und kommunistischen Diktaturen bereits angelegt waren, die im<br />

20. Jahrhundert in so vielen Ländern den Prozess der Industrialisierung vorantrieben.<br />

Dagegen drücken sich in der <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Praxis gleichberechtigter und teilautonomer<br />

Kollaboration genuin demokratische Werte aus. Insofern steht die <strong>Open</strong><br />

<strong>Source</strong>-Praxis in grundsätzlichem Gegensatz zu dem System, das der Soziologe Manuel<br />

Castells als Industrialismus beschrieben hat. 29 In der Ausformung und Erprobung<br />

neuer Arbeits-, Verkehrs- und auch Rechtsformen, innovativer Managementverfahren,<br />

Eigentumsregelungen und Verhaltensweisen konturieren sich Strukturen einer neuen<br />

digitalen Ordnung, die nicht nur erhebliche Produktivitäts- und Wettbewerbsvorteile<br />

bietet, sondern auch Einzelnen ein gröÿeres Maÿ an Freiheit einräumt, sie in höherem<br />

Maÿe motiviert und zu kreativer Partizipation befähigt.<br />

Die <strong>Open</strong>-<strong>Source</strong>-Bewegung operierte so während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts<br />

an vorderster historischer Front. Wie Steven Johnson (1998) feststellte,<br />

29 Vgl. Castells (2000).<br />

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