Aktuell: 25-jährige Erfolgsstory Ju-Air - SkyNews.ch
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Im Gedenken an Hans Georg S<strong>ch</strong>mid, Pionier der S<strong>ch</strong>weizer Luftfahrt<br />
In seiner positiven, aufgestellten Art begrüsst Hans Georg S<strong>ch</strong>mid<br />
am Morgen des 23. <strong>Ju</strong>li beim Swiss-Empfang auf dem Euro<strong>Air</strong>port<br />
Freunde und Medienleute. Er gehe si<strong>ch</strong> jetzt umziehen und<br />
aufs WC, sagt er und ents<strong>ch</strong>windet für kurze Zeit. Dann kehrt<br />
er in seinem grünen Spezialanzug für Transatlantikflüge zurück<br />
und führt die Gästes<strong>ch</strong>ar dur<strong>ch</strong> die Swiss-Maintenance hinaus<br />
auf den Tarmac. Dort steht neben der Super Constellation seine<br />
selbstgebaute Express 2000ER HB-YMN.<br />
Bereitwillig gibt Hans Georg S<strong>ch</strong>mid über sein Vorhaben Auskunft<br />
und beantwortet Fragen der Journalisten. Do<strong>ch</strong> die Zeit drängt.<br />
Eigentli<strong>ch</strong> hätte der Start zum 24-stündigen Nonstop-Gedenkflug<br />
der «Spirit of St. Louis» von Basel<br />
na<strong>ch</strong> Oshkosh bereits vor zwei Tagen<br />
erfolgen sollen. Eine defekte<br />
Benzinleitung hat die Verspätung<br />
verursa<strong>ch</strong>t. Kurz darauf sitzt Hans<br />
Georg S<strong>ch</strong>mid in seiner mit 1700<br />
Litern vollgetanken Express und<br />
stellt fest, dass der S<strong>ch</strong>werpunkt<br />
zu weit hinten liegt. Deshalb ents<strong>ch</strong>eidet<br />
er, etwas Zusatzgewi<strong>ch</strong>t<br />
im vorderen Kabinenberei<strong>ch</strong> verstauen<br />
zu lassen. Kurz na<strong>ch</strong> 11<br />
Uhr startet er den 315 PS starken<br />
Lycoming IO-580 Se<strong>ch</strong>szylindermotor<br />
und rollt zur Piste 16. Auf<br />
dieser hebt er erst na<strong>ch</strong> über drei<br />
Kilometern ab und gewinnt ans<strong>ch</strong>liessend<br />
kaum an Höhe. Rund<br />
vier Kilometer südöstli<strong>ch</strong> des<br />
Flughafens stürzt die HB-YMN auf<br />
ein Mehrfamilienhaus an der Roggenburgstrasse<br />
in Basel. Hans<br />
Georg S<strong>ch</strong>mid kommt dabei ums<br />
Leben. Einige Personen am Bo-<br />
den werden glückli<strong>ch</strong>erweise nur<br />
lei<strong>ch</strong>t verletzt.<br />
Wie konnte das passieren? Wie konnte das einem Perfektionisten<br />
wie Hans Georg S<strong>ch</strong>mid passieren? Ihm, der alles bis ins letzte<br />
Detail bere<strong>ch</strong>nete, plante und organisierte? Weshalb hat er das<br />
Vorhaben beim Erkennen des S<strong>ch</strong>werpunkt-Problems ni<strong>ch</strong>t abgebro<strong>ch</strong>en?<br />
Weshalb ist er ni<strong>ch</strong>t auf der Piste 34 na<strong>ch</strong> Norden<br />
gestartet, wo eine viel bessere Hindernisfreiheit besteht? Und<br />
weshalb ist er ni<strong>ch</strong>t morgens um 6 Uhr abgeflogen, als es windstill<br />
und kühler gewesen wäre? Die Antworten auf diese Fragen<br />
hat Hans Georg S<strong>ch</strong>mid mit ins Grab genommen.<br />
Hans Georg S<strong>ch</strong>mid, der bereits mehrmals an die Limiten ging,<br />
wollte mit seinem Nonstopflug na<strong>ch</strong> Oshkosh weitere aviatis<strong>ch</strong>e<br />
Weltrekorde in die S<strong>ch</strong>weiz holen. Vor zehn Jahren flog er mit<br />
seiner selbst gebauten Long-Ez auf den Spuren von Walter Mittelholzer<br />
na<strong>ch</strong> Südafrika. 1998 na<strong>ch</strong> Südamerika und 2003 na<strong>ch</strong><br />
Nordamerika und zurück.<br />
44 September 2007<br />
Hans Georg S<strong>ch</strong>mid, voller Zuversi<strong>ch</strong>t, kurz vor dem Start in<br />
Basel.<br />
Seinen grössten Erfolg verbu<strong>ch</strong>te er im Jahr 2000, als er mit<br />
seinen «Millenniumsflügen» die Erde einmal ostwärts und einmal<br />
westwärts in je 27 Tagen umrundete. Dafür waren ihm 64 Weltrekorde<br />
si<strong>ch</strong>er. Er «spielte» in der glei<strong>ch</strong>en «Rekord-Liga» wie Bertrand<br />
Piccard oder Claude Nicollier: Hans Georg S<strong>ch</strong>mid hat das<br />
Paul Tissandier Diplom erhalten, die Goldmedaille der Pro Aero,<br />
die Louis Blériot Medaille und war Ehrenmitglied des Aero Clubs<br />
der S<strong>ch</strong>weiz.<br />
Als Swissair-Pilot ging ihm der Niedergang der S<strong>ch</strong>weizer <strong>Air</strong>line<br />
2001 sehr nahe. Hans Georg S<strong>ch</strong>mid liess si<strong>ch</strong> 2002 frühpensionieren<br />
und flog nie bei Swiss. Bereits damals hatte ihn aber<br />
s<strong>ch</strong>on das neue Projekt «The<br />
Polar Frontier» gepackt. Zweimal<br />
um die Erde, einmal nord-, einmal<br />
südwärts über beide Pole. Als<br />
eine der allerletzten Herausforderungen<br />
dieser Zeit, bezei<strong>ch</strong>nete<br />
er dieses Vorhaben. Dafür baute<br />
er in rund se<strong>ch</strong>s Jahren seine Express<br />
2000ER mit einer Rei<strong>ch</strong>weite<br />
von 9000 Kilometern, die als<br />
einziges Experimental-Flugzeug<br />
der S<strong>ch</strong>weiz au<strong>ch</strong> IFR-zugelassen<br />
war. Der Nonstop-Flug na<strong>ch</strong> Oshkosh<br />
wäre eigentli<strong>ch</strong> ein Testlauf<br />
für die Rekordflüge über die Pole<br />
gewesen. Dazu ist es ni<strong>ch</strong>t mehr<br />
gekommen.<br />
Mit Hans Georg S<strong>ch</strong>mid verliert<br />
die S<strong>ch</strong>weizer Aviatik einen Pionier,<br />
wie es keinen zweiten gibt.<br />
Ni<strong>ch</strong>t nur bei seiner Familie hinterlässt<br />
er eine grosse Lücke, au<strong>ch</strong><br />
im Kreis der Flugzeugbauer, der<br />
Experimental Aviation of Switzerland<br />
und in der S<strong>ch</strong>weizer General<br />
Aviation.<br />
Allerdings wird dieser Unfall Folgen für die künftige Zulassung<br />
von Experimentals haben. Es wird wohl kaum mehr mögli<strong>ch</strong> sein,<br />
dass ein Flugzeug nur aufgrund von Bere<strong>ch</strong>nungen ein Lufttü<strong>ch</strong>tigkeitszeugnis<br />
erhält. Zudem droht die Gefahr, dass das Unglück<br />
in Basel politis<strong>ch</strong> von den Flughafengegnern ausges<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>tet wird<br />
und – undifferenziert – allen Abflügen auf der Piste 16 in Ri<strong>ch</strong>tung<br />
Basel ein hohes Gefahrenpotential zuges<strong>ch</strong>rieben wird.<br />
Zu hoffen bleibt, dass die Unfallursa<strong>ch</strong>e mögli<strong>ch</strong>st bald eruiert<br />
wird und die Lehren daraus gezogen werden. Zu hoffen bleibt<br />
aber au<strong>ch</strong>, dass si<strong>ch</strong> andere dur<strong>ch</strong> dieses Unglück ni<strong>ch</strong>t davon<br />
abhalten lassen, Pionierleistungen zu unternehmen. Denn ohne<br />
Pioniere, die an die Limiten gehen, hätte die Luft- und Raumfahrt<br />
ihren heutigen Stellenwert nie errei<strong>ch</strong>t.<br />
Hansjörg Bürgi