stahlmarkt 9.2016 (September)

6 K SEITENBLICK Bonität im Auge behalten Mit der Erholung der Konjunktur hat sich für viele Unternehmen auch der Kreditzugang verbessert. Banken sind häufiger bereit, auch Mittelständlern ohne Top-Bonität Geld zu leihen. Unternehmen sollten deshalb jedoch nicht aufhören, an der Verbesserung ihrer Bonität zu arbeiten. Denn das würde sich in der nächsten Krise rächen. Für das lateinische Wort »Bonitas« bietet das Wörterbuch Pons drei mögliche Übersetzungen an: Güte, Gutmütigkeit und Herzenswärme. Allesamt sehr emotionale Begriffe. Große Gefühle sind jedoch fehl am Platz, wenn es um »Bonität« geht – den Begriff aus dem Wirtschaftsleben, der sich aus dem lateinischen »Bonitas« ableitet. Die Bonität ist der Gradmesser für die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Person. Und sie ist und bleibt die zentrale Größe bei der Kreditentscheidung der Banken. Mittelständler tun gut daran, das nicht aus dem Auge zu verlieren – auch wenn sie derzeit häufig von Banken umgarnt werden und manchmal auch trotz nicht so guter Bonität Kreditzusagen erhalten. Denn das kann sich rasch ändern, wenn die Konjunktur schwächelt und der Kreditzugang insgesamt schwieriger wird. Spätestens seit Basel II, also der Verpflichtung vieler Banken, in Abhängigkeit von ihrer Kreditvergabe mehr Eigenkapital bereitzustellen, schien die Sache klar: Ohne den Nachweis einer ordentlichen Bonität werden es viele Unternehmen in Zukunft schwer haben, Kredite zu erhalten. Denn entsprechend der Ausfallwahrscheinlichkeit – die wiederum von der Bonität des Kreditnehmers abhängt – müssen Banken zwischen 1,6 % und 12 % Eigenkapital für einen an Mittelständler vergebenen Kredit bereitstellen. Daraus ergeben sich ein nach der Bonität des Kreditnehmers gestaffelter Kredit zugang und unterschiedliche Kreditkondi tionen. Banken lassen sich nicht in die Karten schauen, wie sie die Kreditwürdigkeit eines Unternehmenskunden im Detail ermitteln. Klar ist, dass dabei neben den Bilanzdaten auch andere Kriterien, die Einfluss auf die Bonität haben, wie die Auftragslage sowie » Für viele Kreditinstitute sind Geschäfte mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen wieder interessant. Mancher Betrieb könnte deshalb in Versuchung geraten, der eigenen Bonität fortan weniger Aufmerksamkeit zu schenken. das Zahlungsverhalten des Unternehmens selbst und seiner Kunden, eine Rolle spielen. Diese Merkmale werden üblicherweise mittels eines mathematisch-statistischen Verfahrens verdichtet, und am Ende steht ein aussagekräftiges Urteil über die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens. Die Folgen der strengen Anforderungen an die Bonität der Kreditantragsteller zeigten sich eindrucksvoll in den ersten Jahren nach der Finanzkrise. Nach einer aktuellen Untersuchung der KfW Bank hatten Unternehmen mit sehr guter oder ausgezeichneter Bonität auch in dieser schwierigen Zeit einen »durchgängig sehr guten« Zugang zu Krediten. Anders ist es für Unternehmen mit (sehr) schwacher Bonität. Ihre Kreditanfragen wurden in der Mehrzahl der Fälle ab - schlägig beschieden. Seit dem Abflauen der Krise hat sich der Kreditzugang jedoch auch für diese Unternehmen wieder deutlich verbessert. Die Unterschiede zwischen Unternehmen mit sehr guter und Unternehmen mit schwacher Bonität sind – bei sonst gleichen Merkmalen – wieder merklich gesunken. Die Folge: Mehr Unternehmen mit schwacher Bonität erhalten auch wieder Kredite. Ein Grund dafür ist nach Einschätzung der KfW auch, dass viele Banken nach der Finanzkrise eine Neubewertung der relativen Risiken vorgenommen haben. Im Vergleich zu verbrieften und strukturierten Kreditpapieren sowie Krediten an die globalen Risiken stärker ausgesetzten Großunternehmen, seien Mittelstandsrisiken attraktiver geworden. Interessant sind Geschäfte mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen für viele Kreditinstitute auch deshalb, weil für sie andere Geschäftsfelder, etwa der Eigenhandel, aufgrund neuer regulatorischer Vorgaben weggefallen oder stark geschrumpft sind. Für kreditsuchende Mittelständler ist das zunächst eine erfreuliche Nachricht. Denn ein guter Kreditzugang ist eine wichtige Voraussetzung beispielsweise für die Umsetzung von Investitions- und Innovationsprojekten. Grundsätzlich erhöht sich bei einem vergleichsweise lockeren Kreditzugang je doch auch die Gefahr, dass Insolvenzen verschleppt werden und tendenziell unproduktive Unternehmen im Markt verbleiben. Und: Mancher Betrieb könnte in Versuchung geraten, der eigenen Bonität fortan weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Etwa, indem er seine Eigenkapitalquote reduziert oder die Anforderungen an sein Risikomanagement verringert. Das wäre leichtsinnig. Denn die Folgen bekäme er in der nächsten konjunkturellen Abschwungphase, wenn die Banken strengere Anforderungen an die Kreditvergabe knüpfen, zu spüren. Dann werden die Institute vorrangig Unternehmen mit besserer Bonität bedienen und sein Kreditwunsch wird möglicherweise – wie in den ersten Jahren nach der Finanzkrise – abgelehnt. ber K (sm 160903976) <strong>stahlmarkt</strong> <strong>9.2016</strong>