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Medien<br />

Qualität statt Quote<br />

Interview mit Dr. Dagmar Gaßdorf über die<br />

Arbeit im WDR-Rundfunkrat.<br />

FOTO: MATTHIAS DUSCHNER<br />

Es gibt heute eine Flut von Informationen: Zeitungen,<br />

Zeitschriften, Privatfernsehen, Privatradios,<br />

Internetblogs, Social Media ... Vielfalt<br />

ist doch eigentlich gesichert. Wo sehen Sie die<br />

Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für<br />

Wirtschaft und Gesellschaft?<br />

Kein Zweifel, einen Mangel an Informationen<br />

gibt es nicht, eher schon einen Overkill.<br />

Aber genau dort sehe ich die Legitimation<br />

für ein öffentlich-rechtliches Angebot.<br />

Gerade in Zeiten, in denen sich innerhalb<br />

der sogenannt „sozialen“ Netzwerke immer<br />

mehr fragmentierte Öffentlichkeiten bilden<br />

von Menschen, die nur noch ihre eigenen<br />

Wahrheiten konsumieren wollen und dem<br />

Entstehen von „Fake News“ Vorschub leisten,<br />

sollte sich unsere Gesellschaft unabhängige,<br />

von fachkundigen Vertretern der<br />

Gesellschaft kontrollierte, der Wahrheit verpflichtete,<br />

glaubwürdige Programme leisten,<br />

deren Maßstab die Qualität ist und nicht die<br />

Quote.<br />

Dass die genannten Kriterien auch erfüllt<br />

werden – darauf müssen mit wachem und<br />

kritischem Bewusstsein die Aufsichtsgremien<br />

achten. So jedenfalls verstehen mein Stellvertreter<br />

Michael von Bartenwerffer und ich<br />

unser Mandat im WDR-Rundfunkrat.<br />

Muss sich der Öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

in den nächsten Jahren verändern? Wenn ja,<br />

wie und warum?<br />

Ja, er muss sich verändern – allein schon deshalb,<br />

weil die Nutzergewohnheiten sich rasant<br />

ändern. Nehmen wir zum Beispiel das<br />

Die Essener Medienexpertin Dr. Dagmar Gaßdorf<br />

und Vizepräsidentin der dortigen IHK ist<br />

nun in der zweiten Wahlperiode von IHK NRW<br />

in den Rundfunkrat des WDR entsandt. Dort ist<br />

sie stellvertretende Vorsitzende des Gremiums<br />

und Mitglied des Programmausschusses.<br />

Fernsehen. In der linearen Form (einer sendet,<br />

alle gucken zur selben Zeit) ist es vor<br />

allem unter jungen Leuten inzwischen ein<br />

Auslaufmodell: Man konsumiert, wann, wo<br />

und wie man will. Das gilt besonders für<br />

Nachrichten. Früher rief man niemanden<br />

um 20 Uhr an, weil dann die Tagesschau<br />

kam; heute hat jeder halbwegs Aktive alles,<br />

was für ihn wichtig ist, längst auf seinem<br />

Smartphone oder Tablet gecheckt. Bei der<br />

vielen Zeit, die wir täglich online sind (fast<br />

neuneinhalb Stunden sind es bei den 14- bis<br />

29-Jährigen!), ist das kein Wunder.<br />

Das Internet wird immer mehr zum Schlüsselmedium<br />

und muss deshalb von jedem<br />

Medienanbieter, der ernst genommen werden<br />

will, adäquat bespielt werden. Das gilt<br />

auch für die Öffentlich-Rechtlichen. Der<br />

Trend geht folglich in den Sendern, so auch<br />

beim WDR, zur Bildung crossmedialer Einheiten,<br />

die ein Thema für alle Ausspielkanäle<br />

aufbereiten. Dabei ist – und darauf zu<br />

achten, gehört auch zur gesellschaftlichen<br />

Verantwortung der Aufsichtsgremien – auch<br />

auf den Markt Rücksicht zu nehmen. So verlangen<br />

die Zeitungsverleger verständlicherweise<br />

von der beitragsfinanzierten Konkurrenz<br />

weniger Text im Internet.<br />

Und wie sieht es beim Radio aus?<br />

Ständig verjüngen, und nicht nur wegen der<br />

Auswahl der Musik, muss sich natürlich<br />

auch das Radio. Es ist aber als typisches Sekundärmedium,<br />

konsumiert etwa beim Autofahren,<br />

auf seinem Gebiet, der Mischung<br />

von Information und Unterhaltung zum Hören,<br />

vom Grundsatz her ziemlich konkurrenzlos.<br />

Federleicht aufbereitete Bildungserlebnisse,<br />

nebenbei konsumiert, wie bei<br />

den wunderbaren WDR-Formaten „Stichtag<br />

heute“ oder „Zeitzeichen“, wird man anderswo<br />

vergeblich suchen. Allein um solcher<br />

Perlen willen lohnt es sich, für den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunk zu kämpfen.<br />

Gut gemacht, wirklich gut gemacht – und<br />

das ist gerade im WDR-Programmangebot<br />

mit seinen vielen Auszeichnungen von<br />

Grimme bis Ernst Schneider Preis eine Menge<br />

– ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk<br />

ein Kulturträger, den wir uns zwar so wenig<br />

wie möglich, aber eben auch so viel wie nötig<br />

kosten lassen sollten.<br />

Dr. Christoph von der Heiden<br />

www.duesseldorf.ihk.de<br />

IHK magazin 04.2017

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