12.04.2017 Aufrufe

ECHO Karriere 2017

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

INTERVIEW<br />

Weiterbildung als Schlüssel<br />

gesellschaftlicher Integration<br />

BFI Tirol. Geschäftsführerin Karin Klocker erläutert im Interview die zunehmende Bedeutung von Weiterbildung<br />

für die Integration, Leistbarkeit von Weiterbildungsangeboten, den Erwerb digitaler Grundkompetenzen,<br />

den wichtigen Spracherwerb für Flüchtlinge und das Erfolgsmodell Berufsreifeprüfung.<br />

„Um am Arbeitsmarkt<br />

beruflich Fuß<br />

fassen oder besser<br />

integriert werden<br />

zu können, ist Ausund<br />

Weiterbildung<br />

nun einmal das<br />

A und O. “<br />

Einerseits ist in unserer Wissensgesellschaft<br />

das lebenslange Lernen zu einem Wert an sich<br />

geworden, andererseits gibt es viele Menschen<br />

– nach Schätzungen ungefähr die Hälfte der Bevölkerung<br />

–, die von Aus- und Weiterbildungsangeboten<br />

überhaupt nicht erreicht werden. Wie könnte man diese<br />

Menschen näher an die Weiterbildung heranführen?<br />

Karin Klocker: Das ist ein Thema, das nicht nur die<br />

Bildungsinstitutionen, sondern auch das AMS oder<br />

das Land Tirol sehr beschäftigt. Es ist schwierig,<br />

diese Personen für Weiterbildung zu begeistern. Die<br />

Frage ist, wie man diese Menschen erreicht. Wenn sie<br />

arbeitslos werden, ist es für uns etwas leichter, weil sie<br />

dort mit den Themen Weiterbildung, Umschulung<br />

oder Qualifizierung konfrontiert und dafür sensibilisiert<br />

werden. Oft finden sie über das AMS den Weg<br />

in die berufliche Aus- und Weiterbildung und lernen<br />

das Thema wieder neu kennen. Um am Arbeitsmarkt<br />

beruflich Fuß fassen oder besser integriert werden zu<br />

können, ist Aus- und Weiterbildung nun einmal das<br />

A und O. Es ist immer wieder eine Herausforderung,<br />

weniger bildungsaffine Personen vom Wert der Weiterbildung<br />

zu überzeugen.<br />

Ist das auch ein Problem der Leistbarkeit von Weiterbildungsangeboten?<br />

Ja und nein. Leistbarkeit ist immer subjektiv. Was<br />

für den einen leicht leistbar ist, kann für den anderen<br />

trotz Förderungen nicht leistbar sein. Wir sind aber<br />

sehr froh, dass es diverse Förderschienen gibt, etwa<br />

über das AMS oder über das Land Tirol mit dem<br />

Bildungsgeld Update, die Weiterbildung leistbarer<br />

machen. Wenn eine Weiterbildung beispielsweise<br />

2.000 Euro kostet, sind 50 Prozent davon immer<br />

noch 1.000 Euro. Das ist ein Betrag, bei dem man<br />

erst einmal schluckt. Wir greifen unseren Kursteilnehmern<br />

natürlich unter die Arme, indem wir verschiedene<br />

Finanzierungsformen, wie etwa Ratenzahlung,<br />

anbieten. Es gibt aber auch Angebote, wie etwa<br />

den Pflichtschulabschluss, die von Bund und Land<br />

zu hundert Prozent gefördert werden, oder diverse<br />

kostenlose EU-Projekte, die zumindest einmal die<br />

finanzielle Hürde nehmen. Der finanzielle Aspekt ist<br />

aber sicher zu beachten.<br />

Sind Scham und ein Mangel an Selbstvertrauen in diesem<br />

Zusammenhang auch ein Thema?<br />

Ja, absolut. Das merken wir immer wieder. In dem<br />

Moment, wo ich einen Kurs besuche, gebe ich ja zu,<br />

dass ich etwas noch nicht kann. Es gibt eine Schwellenangst,<br />

die vor allem für elementare Dinge, die eigentlich<br />

vorausgesetzt werden können sollten, schlagend<br />

wird. Es gibt auch eine Grundangst vor dem<br />

Lernen, die sich in einer missglückten Schullaufbahn<br />

aufgebaut hat und häufig in einem Schulabbruch ihren<br />

Ausdruck findet. Diese Menschen wieder abzuholen<br />

und ihnen Zuversicht zu geben, ist eine Aufgabe.<br />

Unsere Trainerinnen und Trainer haben da ein<br />

gutes Händchen, jeden da abzuholen, wo er gerade<br />

steht. Es gibt auch spezielle Module wie „Lernen lernen“,<br />

wo man die Scheu vor dem Lernen verliert und<br />

praktische Werkzeuge an die Hand bekommt, um<br />

sich neue Kompetenzen anzueignen. Je mehr man<br />

weiß, desto mehr will man wissen.<br />

Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet der Dinge ... Diese<br />

Schlagworte dominieren den Diskurs um den Megatrend<br />

Digitalisierung. Wie trägt das BFI dem Rechnung?<br />

Diese Schlagworte sind sehr groß und unscharf. Es<br />

gibt immer wieder Vorträge und Abhandlung, was<br />

denn das alles sei und bedeute. Diesen Megatrend<br />

muss man in leicht verdauliche Portionen zerlegen.<br />

Im Prinzip muss man ein Grundverständnis schulen<br />

und schauen, dass man zumindest die Basics<br />

beherrscht, auf denen man aufbauen kann, angefangen<br />

beim ECDL. Es wird Spezialisten geben müssen,<br />

aber ich bin überzeugt davon, dass der Laie, der<br />

normale Anwender, auch Kompetenzen aufbauen<br />

muss, um die Zusammenhänge zu verstehen und<br />

Dinge am Arbeitsplatz umsetzen zu können. Es gibt<br />

Foto: BFI<br />

54 <strong>ECHO</strong> <strong>Karriere</strong> <strong>2017</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!