ECHO Karriere 2017
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INTERVIEW<br />
Weiterbildung als Schlüssel<br />
gesellschaftlicher Integration<br />
BFI Tirol. Geschäftsführerin Karin Klocker erläutert im Interview die zunehmende Bedeutung von Weiterbildung<br />
für die Integration, Leistbarkeit von Weiterbildungsangeboten, den Erwerb digitaler Grundkompetenzen,<br />
den wichtigen Spracherwerb für Flüchtlinge und das Erfolgsmodell Berufsreifeprüfung.<br />
„Um am Arbeitsmarkt<br />
beruflich Fuß<br />
fassen oder besser<br />
integriert werden<br />
zu können, ist Ausund<br />
Weiterbildung<br />
nun einmal das<br />
A und O. “<br />
Einerseits ist in unserer Wissensgesellschaft<br />
das lebenslange Lernen zu einem Wert an sich<br />
geworden, andererseits gibt es viele Menschen<br />
– nach Schätzungen ungefähr die Hälfte der Bevölkerung<br />
–, die von Aus- und Weiterbildungsangeboten<br />
überhaupt nicht erreicht werden. Wie könnte man diese<br />
Menschen näher an die Weiterbildung heranführen?<br />
Karin Klocker: Das ist ein Thema, das nicht nur die<br />
Bildungsinstitutionen, sondern auch das AMS oder<br />
das Land Tirol sehr beschäftigt. Es ist schwierig,<br />
diese Personen für Weiterbildung zu begeistern. Die<br />
Frage ist, wie man diese Menschen erreicht. Wenn sie<br />
arbeitslos werden, ist es für uns etwas leichter, weil sie<br />
dort mit den Themen Weiterbildung, Umschulung<br />
oder Qualifizierung konfrontiert und dafür sensibilisiert<br />
werden. Oft finden sie über das AMS den Weg<br />
in die berufliche Aus- und Weiterbildung und lernen<br />
das Thema wieder neu kennen. Um am Arbeitsmarkt<br />
beruflich Fuß fassen oder besser integriert werden zu<br />
können, ist Aus- und Weiterbildung nun einmal das<br />
A und O. Es ist immer wieder eine Herausforderung,<br />
weniger bildungsaffine Personen vom Wert der Weiterbildung<br />
zu überzeugen.<br />
Ist das auch ein Problem der Leistbarkeit von Weiterbildungsangeboten?<br />
Ja und nein. Leistbarkeit ist immer subjektiv. Was<br />
für den einen leicht leistbar ist, kann für den anderen<br />
trotz Förderungen nicht leistbar sein. Wir sind aber<br />
sehr froh, dass es diverse Förderschienen gibt, etwa<br />
über das AMS oder über das Land Tirol mit dem<br />
Bildungsgeld Update, die Weiterbildung leistbarer<br />
machen. Wenn eine Weiterbildung beispielsweise<br />
2.000 Euro kostet, sind 50 Prozent davon immer<br />
noch 1.000 Euro. Das ist ein Betrag, bei dem man<br />
erst einmal schluckt. Wir greifen unseren Kursteilnehmern<br />
natürlich unter die Arme, indem wir verschiedene<br />
Finanzierungsformen, wie etwa Ratenzahlung,<br />
anbieten. Es gibt aber auch Angebote, wie etwa<br />
den Pflichtschulabschluss, die von Bund und Land<br />
zu hundert Prozent gefördert werden, oder diverse<br />
kostenlose EU-Projekte, die zumindest einmal die<br />
finanzielle Hürde nehmen. Der finanzielle Aspekt ist<br />
aber sicher zu beachten.<br />
Sind Scham und ein Mangel an Selbstvertrauen in diesem<br />
Zusammenhang auch ein Thema?<br />
Ja, absolut. Das merken wir immer wieder. In dem<br />
Moment, wo ich einen Kurs besuche, gebe ich ja zu,<br />
dass ich etwas noch nicht kann. Es gibt eine Schwellenangst,<br />
die vor allem für elementare Dinge, die eigentlich<br />
vorausgesetzt werden können sollten, schlagend<br />
wird. Es gibt auch eine Grundangst vor dem<br />
Lernen, die sich in einer missglückten Schullaufbahn<br />
aufgebaut hat und häufig in einem Schulabbruch ihren<br />
Ausdruck findet. Diese Menschen wieder abzuholen<br />
und ihnen Zuversicht zu geben, ist eine Aufgabe.<br />
Unsere Trainerinnen und Trainer haben da ein<br />
gutes Händchen, jeden da abzuholen, wo er gerade<br />
steht. Es gibt auch spezielle Module wie „Lernen lernen“,<br />
wo man die Scheu vor dem Lernen verliert und<br />
praktische Werkzeuge an die Hand bekommt, um<br />
sich neue Kompetenzen anzueignen. Je mehr man<br />
weiß, desto mehr will man wissen.<br />
Digitalisierung, Industrie 4.0, Internet der Dinge ... Diese<br />
Schlagworte dominieren den Diskurs um den Megatrend<br />
Digitalisierung. Wie trägt das BFI dem Rechnung?<br />
Diese Schlagworte sind sehr groß und unscharf. Es<br />
gibt immer wieder Vorträge und Abhandlung, was<br />
denn das alles sei und bedeute. Diesen Megatrend<br />
muss man in leicht verdauliche Portionen zerlegen.<br />
Im Prinzip muss man ein Grundverständnis schulen<br />
und schauen, dass man zumindest die Basics<br />
beherrscht, auf denen man aufbauen kann, angefangen<br />
beim ECDL. Es wird Spezialisten geben müssen,<br />
aber ich bin überzeugt davon, dass der Laie, der<br />
normale Anwender, auch Kompetenzen aufbauen<br />
muss, um die Zusammenhänge zu verstehen und<br />
Dinge am Arbeitsplatz umsetzen zu können. Es gibt<br />
Foto: BFI<br />
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