Teil II - Homepage fir HR 2. Version 16.8.2004 - MultiMania
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um einen runden, aber weit ausziehbaren Tisch, 6 recht komfortable mit<br />
schwarzem Leder überzogene Holzstühle. Sie waren auf dem Sitz und am<br />
Rückenstück sehr dekorativ mit Kupfer- oder Messingnägel beschlagen. Es<br />
befand sich in diesem Zimmer ebenfalls eine Liege auf welcher wir<br />
manchmal herumturnen durften und wo mein Vater seine Siesta hielt. Es<br />
kam aber auch vor, dass wir uns dorthin zurückzogen, wenn wir uns<br />
schämten oder mit unserm kindlichen Leid allein sein wollten. Das lästigste<br />
an diesem Zimmer war das peinliche Staubwischen und das anschliessende<br />
Bohnern. Daran war das Hüttenwerk schuld, das sehr feinen Staub<br />
produzierte, welcher durch alle Fugen und Ritzen ins Haus eindrang. Unter<br />
dieser Liege (chaise - longue genannt) wurde der grosse hölzerne Kasten<br />
mit dem Staubsauger mitsamt Accessoires aufbewahrt. Den Staubsauger<br />
benannten wir nach seiner Marke Electrolux. Der „Lux“ musste nahezu<br />
jeden Tag in Gebrauch kommen, das verlangte die peinlich praktizierte<br />
Sauberkeit in unserer Familie. Die Tätigkeit mit diesem saugenden<br />
Ungetüm auf Gleitschienen hatten wir mit dem Tätigkeitswort „luxen“<br />
belegt. Dieses grösste aller Zimmer war also das Prunkstück, das<br />
Aushängeschild unseres Hauses. Kindtaufe, Kommunion, Weihnachten und<br />
einige Familienbesuche hatten dort Vorrecht.<br />
Der Architekt des Hauses muss entweder besoffen gewesen sein als er den<br />
Plan erstellte, oder aber er war ein absoluter Dummkopf, denn<br />
wahrscheinlich erst als der Rohbau fertig gestellt war merkte man, dass kein<br />
WC vorgesehen war. Man wusste alsdann keine bessere Lösung als einen<br />
<strong>Teil</strong> des grossen Esszimmers hierfür ab zu trennen. Da man die<br />
Seitenmauern des WC aber nicht bis unter die Decke hochgezogen hatte,<br />
befand sich nachher in der Ecke der schönen Stube eine Art grosser<br />
eingebauter eckiger Kasten, den man später als Schrank tarnte, indem<br />
ungeübte Anstreicher auf die blanken Gipswände so etwas ähnliches wie<br />
Holzpanelen aufmalten, sowie simulierte Türen eines Bücherschranks. Das<br />
wäre noch eine annehmbare Lösung gewesen, aber nur eine Täuschung fürs<br />
Auge. Wenn nicht gerade dann wenn hoher Besuch aufkreuzte, man beim<br />
Festessen besonders gut hat vernehmen können wenn und wie lange jemand<br />
pinkelte, wer und in welchem Ton dieser Winde von sich gab. Sogar das<br />
Rascheln der abgerissenen Zeitung war durch die dünne Trennwand<br />
erschreckend gut vernehmbar. Auch das anschliessende Ziehen des<br />
Wasserkastens, der hoch oben an der Seitenwand angebracht war, konnte<br />
akustisch nicht unterdrückt werden. Unsere Eltern hatten uns eingebläut<br />
niemals das WC zu benutzen, wenn die geladenen Gäste beim Festessen zu<br />
Tische sassen. Im Notfall verschwanden wir in unserm Garten und pinkelten<br />
gegen den Kaninchenschuppen. Das hatten wir auch lieber, da konnten wir<br />
wenigstens die Vorhaut unseres Wasserspeiers wie eine Blase mit Urin<br />
füllen und damit versuchen Rekorde im Weitpinkeln zu erstellen indem wir<br />
kräftig auf die pralle Blase drückten und versuchten den heraustretenden<br />
Strahl so dünn wie nur möglich zu halten. Meistens zielten wir auf den<br />
Starenkasten, der unter der Dachrinne des Kaninchenstalles aufgehängt war.