SchlossMagazin Fünfseenland Januar 2019
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46 | kunst + kultur | Zeit der Narren<br />
Narren gab und gibt es überall. Augenfällig sind „verrückte“ Gestalten besonders in der<br />
Faschingszeit oder Fastnacht, doch hinter dem Begriff Narr steckt weit mehr. Im mittelalterlichen<br />
Typus des Narren liegt der Schlüssel für ein ideengeschichtliches Verstehen<br />
der Fastnacht! Mit der „Zeit der Narren“ befasste sich der Augsburger Historiker Dr. Wolfgang<br />
Wallenta in einem interessanten Vortrag im April vergangenen Jahres.<br />
Zeit der Narren<br />
Wo die Fastnacht herkommt<br />
sind unser zwey“ steht auf dem Steinrelief mit dem<br />
Bildnis eines Narrens am Nördlinger Rathaus. Das Bildnis<br />
zielt darauf ab, dass der Betrachter nun „Nun<br />
ebenfalls<br />
ein Narr ist. Ihm wird ein Spiegel vorgehalten. Das „Spiegelvorhalten“<br />
ist ein wesentlicher Aspekt im historischen Verständnis des<br />
Narrentums. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Narren: die bewussten<br />
„künstlichen“ Narren, zu denen auch der bekannte Eulenspiegel<br />
zählte und die nichtwissenden Deppen bzw. Abnormen, die<br />
„natürlichen“ Narren. Dr. Wallenta begründete anschaulich, dass<br />
nach allgemeiner Auffassung des Mittelalters jeder, der sich außerhalb<br />
der Norm befand, ein Narr war. Dazu zählten Krüppel genauso<br />
wie psychisch Kranke. Zu letzteren gehörten auch Menschen,<br />
die nicht an Gott oder den falschen Gott glaubten.<br />
Grundsätzlich konnte jeder, egal ob eines hohen<br />
oder niederen Standes, zum Narren werden,<br />
wenn er den sittlichen und ethischen<br />
Anforderungen seines Standes nicht genügte.<br />
Maßlosigkeit beim Essen und Trinken sowie<br />
Geldgier sind zwei Beispiele für die unzähligen<br />
Formen menschlichen Fehlverhaltens,<br />
vulgo Narrentums. So gibt es Dutzende von<br />
Narren-Arten wie den Fressnarr, Geldnarr<br />
oder Stocknarr (Depp) wie sie in einem Musikstück<br />
von 1539 aufgezählt werden: „Nun höret<br />
zurück. Die Bevölkerung begegnete den Schalksnarren<br />
wegen ihrer schauspielerischen Fähigkeiten stets mit<br />
Sympathie und Bewunderung, während sie zu den natürlichen<br />
Narren meist auf Distanz ging. Zur Unterscheidung<br />
der natürlichen von den künstlichen Narren<br />
entwickelte sich eine Narrenmode. Schalksnarren erkannte<br />
man an ihrer dreizipfeligen Kappe mit Schellen<br />
an den Spitzen und Attributen wie der Marotte (einen<br />
Stab mit dem Ebenbild des Narren an einem Ende), dem<br />
Spiegel oder einer Schweinsblase.<br />
zu ir Biderleut, was in der Welt für Narren Buch zum Thema Narren, An wenigen Tagen im Jahr, der Fastnacht, wurde auch<br />
von Werner Mezger, Konstanzer<br />
geit…“. Diesen Narren stand der Schalksnarr Bibliothek<br />
im Mittelalter die so streng strukturierte Welt auf den<br />
gegenüber, ein an sich völlig normaler und<br />
intelligenter Mensch, der sich aber mit schauspielerischem Talent<br />
geschickt verstellen und nach Laune und Bedarf andauernd<br />
die Rolle des Narren spielen konnte. Bei den Potentaten der Renaissance<br />
erfreuten sich solche Mimen als Unterhalter und<br />
Spaßmacher großer Beliebtheit. Sie konnten ihren Herren und<br />
auch anderen hochstehenden Persönlichkeiten ungestraft den<br />
Spiegel vorhalten und ihnen Wahrheiten sagen, für die andere<br />
ihr Leben hätten lassen müssen. Als Hofnarren genossen sie sogar<br />
Ruhm, Ansehen und erhebliche finanzielle Vorteile. Auf ihre<br />
Kopf gestellt, die normale Ordnung trat außer Kraft. Die<br />
Bevölkerung verkleidete sich und „spielte verrückt“, Deppen und<br />
„Normale“ vermischten sich. Diese verkehrte Welt diente damals<br />
wie heute zum Frustabbau, als Ventil bei den kleinen Leuten und<br />
kann wohl als Quelle für unser heutiges närrisches Treiben gesehen<br />
werden. Übrigens: Nach mittelalterlicher Ansicht konnten<br />
Frauen keine Narren sein, weil ihnen der Verstand abgesprochen<br />
wurde. Was heute natürlich kein Thema mehr ist.<br />
Der Vortrag fand im Auftrag des Vereins Augsburger Geschlechtertanz<br />
statt; der Reinerlös der Veranstaltung kam den Kunstsammlungen<br />
Ausnahmestellung geht die sprichwörtliche „Narrenfreiheit“<br />
und Museen Augsburg zugute. (HEA) #