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10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 40 · 1 6./17. Februar 2019<br />
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Berlin/Brandenburg<br />
Harmsens Berlin<br />
Neander-Orje<br />
wundert sich<br />
Kraftwerk<br />
Tagebau mit<br />
Braunkohle-<br />
Produktionszahlen<br />
2018<br />
Kraftwerk<br />
Jänschwalde<br />
Tagebau Jänschwalde<br />
9,1 Millionen Tonnen<br />
Im Revier<br />
Cottbus<br />
Torsten Harmsen<br />
befasst sich mit dem<br />
Drang in die Wildnis<br />
Walden. Abenteuer vor der<br />
Haustür. Mach dein Ding. Auf<br />
zum Jagen, Sammeln, Selbermachen.“<br />
Dassteht auf einem Lifestyle-<br />
Magazin, das ich in einem <strong>Zeitung</strong>sladen<br />
entdeckt habe. Dort wird dieses<br />
Walden wie ein neuer Trend verkauft.<br />
Dabei ist es gar nicht neu.<br />
Bereits 1854 hat der Amerikaner<br />
Henry David Thoreau unter diesem<br />
Titel ein Buch über sein zivilisationsfernes<br />
Leben im Wald geschrieben.<br />
Der moderne Mensch entdeckt<br />
das Leben in der Wildnis. Nichts dagegen<br />
zu sagen, erst mal. Mir aber<br />
kommt, wenn ich das höre, wieder<br />
olle Neander-Orje in den Sinn, über<br />
den ich neulich hier geschrieben<br />
habe. Esging dabei um einen Versicherungsvertreter,<br />
der mit einer<br />
Zeitmaschine weit in die Vergangenheit<br />
reiste und zufällig einen Neandertaler<br />
traf. Bis dahin war das einstige<br />
Vorhandensein von Neandertalern<br />
im<strong>Berliner</strong> Raum gar nicht bekannt<br />
gewesen. Aber nun saß er da:<br />
Neander-Orje,der Ur-<strong>Berliner</strong>.<br />
Man stelle sich vor, einer unserer<br />
modernen Walder träfe ihn auf seinem<br />
Wildnis-Trip imtiefen Urwald<br />
der Müggelberge.Das liefe so ab: Neander-Orje<br />
sitzt vor seiner Fellhütte,<br />
hört etwas rascheln und fragt: „Ej,<br />
wer is’n da? Watbist du’n fürn Voorel?“<br />
–Walder: „Ich bin ein Walder<br />
und will so hart und spartanisch leben,<br />
dass alles, was nicht Leben ist,<br />
in die Flucht geschlagen wird (Zitat<br />
des Walden-Autors Thoreau).“ –Neander-Orje:<br />
„Wat? Ick versteh’ keen<br />
Wort?Wat willste?“<br />
DerWalder beginnt, sein Anliegen<br />
in philosophischer Tiefe auszubreiten.<br />
Er begeistert sich an den Bäumen,<br />
der Einsamkeit, der reinen<br />
Luft. Er spricht vom Abenteuer der<br />
Jagd, des Angelns, des Selbermachens.<br />
„Bist’n echta Laberkopp,<br />
wa?“, fragt Neander-Orje.„Selbamachen!<br />
Ja wat’n?Wersoll et denn sonst<br />
machen? Der mächtije Lamputzi?<br />
Aba wodeschon mal da bist: Mach<br />
ma Feuer!“<br />
Der Walder läuft umher, sucht<br />
dürreZweiglein und Blätter,schmeißt<br />
alles auf einen Haufen und fummelt<br />
an einer Tasche seiner Outdoor-<br />
Funktionsweste. „Halt, halt, wat is’n<br />
dit?“, ruft Neander-Orje.„Na,ein Feuerzeug“<br />
,antwortet der Walder. „Een<br />
Zeuch, een Wat? Nee, nimm mal den<br />
Keil hier und den Stein. Und denn<br />
kannste beede immer so aneinanderhaun.<br />
Nee, nich so. Ej, pass uff! Du<br />
haust dir ja uff de Finga. Autsch, dit<br />
hat weh jetan! Komm her, ick mach<br />
ma’n bisschen Krötenfett ruff und<br />
Gras ran. Mann, du stellst dir vielleicht<br />
an, du blindaWaldkauz!“<br />
Ein paar Verletzungen später sitzen<br />
der moderne Walder und Neander-Orje<br />
gemütlich am Feuer.„Ja,dit<br />
ist schon een schönet Leben, wa?“,<br />
sagt Orje und beginnt zu schwärmen.<br />
„Neulich bei de Bärenjacht.<br />
Emil und Paule aus de Nachbarhütte<br />
hat’s leida erwischt. DerBär hat se in<br />
ihre Einzelteile zerlecht. Aba dit Jefühl,<br />
wenn de am Ende übalebt hast.<br />
Wenn de die blutije Bärenleber so<br />
rausnimmst und runterschlürfst. Dit<br />
ist det Beste!“<br />
Der moderne Walder muss leicht<br />
würgen. Aber er hat zugleich Hunger<br />
und zieht einen Schokoriegel aus<br />
seiner Weste. „Wathast’n da?“, fragt<br />
Neander-Orje.„Sieht aus wie’n Stück<br />
Dachskacke. Schmeckt dit? Bah! Dit<br />
is ja ekelhaft! Kiek ma, ick hab hier<br />
wat Besseret, een Raupen-Snack.<br />
Richtig saftig und fett. Mit Würma.“<br />
DerWalder steht auf, taumelt durch<br />
den Wald und ruft: „Zeitmaschine!<br />
Zeitmaschiiiiiiine!“<br />
Im Internet habe ich übrigens<br />
noch einen Hinweis für Feuermacher<br />
im Wald gelesen: „Solltest du<br />
kein Kienspan im Wald finden,<br />
kannst du es günstig bei Amazon bestellen.“<br />
Großräschen<br />
DEUTSCHLAND<br />
Tagebau Welzow-Süd<br />
22,8 Millionen Tonnen<br />
Kraftwerk<br />
Schwarze Pumpe<br />
Hoyerswerda<br />
Spreetal<br />
Auf Luftbildernsieht die Gegend<br />
um Welzow aus, als<br />
wäre sie vonWarzen befallen.<br />
Löcher übersäen die<br />
Landschaft, sie haben seltsam gerade<br />
Ränder,andenen derWaldund<br />
die Felder enden. In manchen der<br />
Löcher steht Wasser. Indem östlich<br />
von Welzow nicht. Dieses Loch ist<br />
noch im Werden. Es gibt einen Aussichtspunkt<br />
oberhalb der kleinen<br />
Bergbaustadt, eine kleine Straße<br />
führt den Hang hinauf. Oben angekommen,<br />
schaut man auf eine seltsame<br />
grau-braune Wüste. Dunkle<br />
Erde,zuendlos langenWällen aufgeschüttet.<br />
Abraum heißt das auf Bergbaudeutsch.<br />
Ein seltsames Wort. Als<br />
die Erde an ihrer alten Stelle war, da<br />
war sie noch Mutterboden, der eine<br />
Landschaft formte.<br />
Reiner Hanisch kommt alle paar<br />
Monate mit seinem türkisfarbenen<br />
Opel hier hoch, so auch an diesem<br />
kalten, grauen Dienstagvormittag.<br />
Der67-Jährige hat seine Kameradabei,<br />
immer aus der gleichen Perspektive<br />
macht er seine Bilder. „Ich will<br />
die Veränderung dokumentieren“,<br />
sagt er.„So ein Tagebau steht ja niemals<br />
still.“ Seit Jahren macht er das,<br />
hat die unendlich langsame Bewegung<br />
der F60-Förderbrücke,die sich<br />
ganz dicht an Welzow herangearbeitet<br />
hatte und jetzt schon wieder fast<br />
zwei Kilometer südwestlich des Orts<br />
steht, in Bildern gefangen. Jede Sekunde<br />
schafft sie fünf Kubikmeter<br />
Lausitz als Abraum weg. Darunter<br />
liegt die Braunkohle. „Man soll die<br />
Kohle nicht verteufeln“, sagt Reiner<br />
Hanisch. „Die ist wie eine Batterie.“<br />
Verpflichtung im Weltklimavertrag<br />
Diese Batterie soll nun abgeklemmt<br />
werden. Vor drei Wochen hat die<br />
Kommission „Wachstum, Strukturwandel<br />
und Beschäftigung“ –kurz<br />
Kohlekommission – ihren Abschlussbericht<br />
veröffentlicht. Wochenlang<br />
hatten die Mitglieder aus<br />
Wirtschaft, Politik und Umweltverbänden<br />
verhandelt und gefeilscht.<br />
Ergebnis: Spätestens in 19 Jahren,<br />
2038, endet der Braunkohleabbau in<br />
Deutschland. Jährlich 55 Millionen<br />
Tonnen Kohlendioxid bleiben der<br />
Atmosphäre erspart, wenn allein die<br />
drei Kraftwerke in der Lausitz abgeschaltet<br />
werden. Auf die ganze Bundesrepublik<br />
gerechnet entfällt fast<br />
ein Fünftel der CO 2 -Emissionen auf<br />
die Braunkohle.Würde Deutschland<br />
an der Braunkohle festhalten,<br />
könnte es seine Verpflichtungen aus<br />
dem Weltklimavertrag nicht einhalten.<br />
Andere Länder haben sich<br />
längst vonder Braunkohle abgewendet.<br />
Dafür gibt es gute Gründe, neben<br />
dem Landschaftsfraß auch den<br />
schlechten Brennwert: Braunkohle<br />
besteht zu 50 Prozent aus Wasser.<br />
In der Lausitz steht also das Ende<br />
eines Zeitalters an. Eine mehr als<br />
200-jährige Epoche, inder die Men-<br />
Spremberg<br />
Kraftwerk Boxberg<br />
Bautzen<br />
POLEN<br />
Tagebau Nochten<br />
16,3 Millionen Tonnen<br />
Reichwalde<br />
Tagebau Reichwalde<br />
13,5 Millionen Tonnen<br />
schen eine klare Aufgabe hatten: Sie<br />
produzierten den Strom für<br />
Deutschlands Osten, für die Metropolen<br />
Leipzig, Dresden und Berlin.<br />
Ein wenig von deren Glanz fiel auf<br />
den Landstrich in ihrer Mitte. Die<br />
Lausitz wurde zu einem Industrierevier<br />
mit großen Fabriken in kleinen<br />
Städten. Die hohen Löhne zogen<br />
Menschen aus dem ganzen Land an.<br />
Aber der Preis für den bescheidenen<br />
Wohlstand war und ist hoch. Die<br />
Bagger haben die Lausitz zerlöchert,<br />
137 Dörfer verschwanden in den Tagebauen<br />
–auf Bergbaudeutsch sagt<br />
man: Sie wurden überbaggert. Die<br />
Löcher bleiben. Aber was wird aus<br />
dem Wohlstand, wenn die Bagger<br />
ihreArbeit einstellen?<br />
Reiner Hanisch war einer vondenen,<br />
die geschuftet haben, damit in<br />
den Städten die Lichter nicht ausgehen.<br />
Bis1994 arbeitete er im Tagebau<br />
Greifenhain. Er war Maschinenfahrer,<br />
bediente Raupen und Bagger.Im<br />
Schichtbetrieb, imSommer wie im<br />
Winter.Auch im Winter 1978/79 war<br />
er dabei, als die Bergleute gegen den<br />
plötzlich hereinbrechenden Winter<br />
kämpften, und die DDR kurz vor<br />
dem Blackout stand. „Wenn man<br />
nicht aufpasst als Mensch, dann<br />
siegt die Natur“, sagt Hanisch.<br />
Aber manchmal kann man noch<br />
so sehr aufpassen, trotzdem siegen<br />
ganz andere Kräfte. Der Systemwechsel<br />
war so eine Kraft. 1994 verließ<br />
der letzte Kohlezug den Tagebau<br />
Greifenhain. Die DDR gab es da<br />
längst nicht mehr, die Bundesrepublik<br />
konnte auf den schmutzigen<br />
Braunkohlestrom verzichten. Der<br />
Tagebau wurde ein See. Für Hanisch<br />
gab es in der Wirtschaft keinen richtigen<br />
Platz mehr,dabei stand er doch<br />
mitten im Leben. Was der Lausitz<br />
nun bevorsteht, das hat er schon<br />
hinter sich –den Bruch mit allem,<br />
was war. Erklagt nicht, und er sagt<br />
auch nicht, dass es immer weitergehen<br />
soll mit der Kohle.Aber er hat so<br />
seine Fragen. „Man sollte schon wissen,<br />
wo der Strom denn inZukunft<br />
herkommen soll“, sagt Hanisch.<br />
Viele Leute in der Lausitz, die<br />
man nach dem Kohleausstieg fragt,<br />
antworten mit dieser Gegenfrage:<br />
Was kommt denn stattdessen?<br />
Selbstlosigkeit schwingt darin mit –<br />
es geht doch nicht um uns, esgeht<br />
doch um das Ganze. Aber auch Trotz:<br />
Na, dann schaut doch mal, wie ihr<br />
ohne uns klarkommt. Dass die erneuerbaren<br />
Energien den Platz der<br />
Braunkohle einnehmen könnten,<br />
glauben hier nur wenige. Oder sie<br />
wollen es nicht wahrhaben, je nach<br />
Betrachtungsweise.<br />
Der alte Bahnhof von Welzow ist<br />
eines der am schönsten renovierten<br />
Gebäude im Ort. Die Schienen sind<br />
seit Jahrzehnten weg, heute ist das<br />
Stationsgebäude der Sitz desWelzower<br />
Bergbau-Tourismusvereins. Vor<br />
der Tür stehen drei geländegängige<br />
Tagebau Welzow-Süd: Eine graubraune<br />
Wüste haben die Abraumbagger<br />
hinterlassen.<br />
IMAGO<br />
Ein Zeitalter geht zu Ende:<br />
Mehr als 200 Jahre gab es<br />
den Bergbau in der Lausitz.<br />
Der Botschafter der Braunkohle:<br />
Planer und Lausitz-<br />
Kenner Siegfried Laumen<br />
Der Optimist: Hotelchef und<br />
Zuwanderer aus Oldenburg<br />
Gerold Schellstede<br />
Der Ökologe: Neuköllner<br />
und Wahl-Lausitzer Adrian<br />
Rinnert BLZ/MARKUS WÄCHTER (3)<br />
Kleinbusse, sie bringen Besuchergruppen<br />
in den Tagebau, selbst eine<br />
Tour mit dem Titel „Sonnenuntergang<br />
im Tagebau“ ist im Angebot –<br />
Romantik findet sich auch dort, wo<br />
man sie am wenigsten erwartet.<br />
Drinnen im ehemaligen Güterschuppen<br />
nimmt Siegfried Laumen<br />
an einem der langen Besprechungstische<br />
Platz. Er arbeitet als Planer bei<br />
der Braunkohlegesellschaft Leag. Einen<br />
Großteil seiner Zeit verbringt er<br />
mit dem Verein. Wenn man ihn als<br />
Botschafter der Braunkohle bezeichnet,<br />
erhebt Laumen keine Einwände.<br />
Er hat eine leise, tiefe Stimme und<br />
überlegt meistens einen Moment,<br />
bevor er eine Frage beantwortet. Ob<br />
er die Entscheidung für den Kohleausstieg<br />
richtig findet, darüber muss<br />
er aber nicht lange nachdenken.<br />
„Niemand kündigt seine Wohnung,<br />
ohne eine neue zu haben“, sagt er.<br />
Laumen hat sein ganzes Berufsleben<br />
im Bergbau verbracht. Vonder<br />
Bergbauakademie in Freibergkam er<br />
direkt in die Lausitz. Dass die Kohlewirtschaft<br />
zu DDR-Zeiten in einem<br />
katastrophalen Zustand war, sei allen<br />
klar gewesen, sagt er. Trotzdem<br />
gab es nach der Wende Hoffnung.<br />
Darauf,dass Leistung im neuen Systemhöher<br />
honoriertwird. „Stattdessen<br />
war es wie Würfeln. Werinder<br />
falschen Fabrik oder im falschen Tagebau<br />
arbeitete, hatte eben Pech.“<br />
Laumen hatte Glück. Noch mitEnde<br />
30 war er einer der Jüngsten in seiner<br />
Abteilung –weil nach ihm niemand<br />
mehr angestellt wurde.<br />
Schon dieser erste Strukturwandel<br />
war schwer zu verstehen für diejenigen,<br />
die er betraf. Jetzt kommt<br />
der zweite,und es scheint, als könnte<br />
sich die Geschichte wiederholen. An<br />
Geld soll es –auchdieses Mal–nicht<br />
mangeln. 18 Milliarden Euro an<br />
Strukturmitteln haben die Landesregierungen<br />
von Brandenburg und<br />
Sachsen für die Lausitz herausverhandelt,<br />
manchen sagen auch: ertrotzt.<br />
Die Summe ist beinahe aberwitzig.<br />
Rund 8000 Arbeitsplätzewerden<br />
in der Lausitzer Kohlewirtschaft<br />
verschwinden. Für den Ersatz jeder<br />
dieser Stellen sollen also zweieinhalb<br />
Millionen Euro an Subventionen<br />
bereitstehen. Aber wofür?<br />
„Es wird heute ganz leichtfertig<br />
gesagt, man muss Industrien hierher<br />
holen“, sagt Siegfried Laumen. „Aber<br />
wenn man das tut, dann nimmt man<br />
ja woanders etwas weg.“ Und was<br />
sollen das für Industrien sein, die ihrenStandortindie<br />
Lausitz legen, wo<br />
in den nächsten 20 Jahren die Zahl<br />
der Bewohner imarbeitsfähigen Alter<br />
um ein Drittel schrumpft? Eine<br />
Batterieherstellung für Elektroautos,<br />
lautet ein Vorschlag des Bundeswirtschaftsministeriums.<br />
Hat ja auch<br />
was mit Strom zutun, scheint die<br />
Überlegung dahinter zu sein.<br />
Schon in den 90er-Jahren setzte<br />
Brandenburg auf große Ansiedlungen,<br />
um die Regionen fernab von<br />
Berlin wirtschaftlich zu beleben. Es<br />
kamen drei Flops dabei heraus.<br />
Frankfurt (Oder) bekam die Chipfabrik,<br />
die Lausitz bekam die Cargolifter-Halle<br />
und den Lausitzring. Die<br />
Luftwerft ging nie in Betrieb, ist<br />
heute ein Spaßbad. Die Rennstrecke<br />
ist in der Zwischenzeit pleitegegangen.<br />
Heute gehört der Lausitzring<br />
der Dekra, sie ist dabei, ihn in eine<br />
Teststrecke für autonome Autos zu<br />
verwandeln. Für Maschinen also,die<br />
ohne Menschen auskommen –man<br />
muss sehr optimistisch sein, um<br />
darin kein Sinnbild für die Entwicklung<br />
der Lausitz zu entdecken.<br />
Hafenfest im Mai<br />
Einpaar Kilometer entfernt entsteht<br />
mit der Flutung der Tagebaulöcher<br />
das Lausitzer Seenland. Aus der Not<br />
heraus –zuschütten kann man die<br />
Tagebaulöcher nicht, trocken halten<br />
auch nicht –sollhier eine künstliche<br />
Seenplatte wachsen, Naherholungsgebiet<br />
für Dresden und Leipzig. In<br />
Großräschen empfängt seit 2007<br />
schon das Vier-Sterne-„Seehotel“<br />
seine Gäste.EsgehörtGerold Schellstede,<br />
Zuwanderer aus Oldenburg<br />
und Inhaber eines Möbelhauses. Als<br />
er Anfang der 90er-Jahre hierher<br />
kam, war der Tagebau Meuronochin<br />
Betrieb. Heute schlagen kleine Wellen<br />
an den befestigten Hang der<br />
einstigen Kohlegrube, vor Schellstedes<br />
Hotel gibt es ein Hafenbecken. Er<br />
ist 79 Jahre alt und unverdrossen.<br />
Sein Hotel hat all die Jahreauchohne<br />
See funktioniert, 70 Prozent Auslastung<br />
hat er in seinen 62 Zimmern.<br />
Undalles wird noch besser,denn im<br />
Mai soll der Hafen eröffnet werden,<br />
nach mehrfacher Verschiebung.<br />
„Das wird funktionieren, das sage<br />
ich ruhigen Gewissens“, versichert<br />
Schellstede. Sogar Gäste aus Westfalen<br />
hätten zum Hafenfest Zimmer<br />
reserviert.<br />
Aber wenn man sich den Hafen<br />
genau anschaut, kommen Zweifel.<br />
Nach Angaben der Rekultivierungsgesellschaft<br />
LMBV ist der Wasserstand<br />
im Großräschener See einen<br />
Meter niedriger,als er sein sollte.Das<br />
vorige Jahr war zutrocken und zu<br />
heiß, die SpreeführtezuwenigWasser,umauchnochwelches<br />
an die alten<br />
Tagebaue abzugeben. Einweißer<br />
Streifen an den rostbraunen Spundwänden<br />
im Hafen zeigt, dass das<br />
Wasser sogar wieder gesunken ist.<br />
Die schwimmenden Bootsstege liegen<br />
so tief im Wasser,dass die neuen<br />
Brückenzum Kaiwie Rutschen nach<br />
unten führen. AufNachfrage teilt die<br />
LMBVmit, dass der Hafen wohl auch<br />
dieses Jahr nicht richtig öffnet, auch<br />
wenn es ein Hafenfest gibt. Nächstes<br />
Jahr seidamit zu rechnen.<br />
Ob die Entwicklung besser verläuft,<br />
wenn die Milliarden für die<br />
Kohlekompensation fließen? Im Anhang<br />
des Berichts derKohlekommis-