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Berliner Zeitung 16.02.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 40 · 1 6./17. Februar 2019 19<br />

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Schönes Wochenende<br />

STADT, LAND, MENSCH<br />

Stadt<br />

im<br />

Hochdruck<br />

Für Laureen Mahler<br />

und Jesse Simon<br />

ist Berlin ein offenes Buch:<br />

Sie drucken bei Volta Press<br />

in Moabit<br />

handgemachte Pläne<br />

von Stadtteilen<br />

VonJörg Niendorf<br />

Druck-Künstler:Laureen Mahler und Jesse Simon bringen <strong>Berliner</strong> Kieze aus Buchstaben auf das Papier. SABINE GUDATH (2)<br />

Was geschieht, wenn der<br />

Buchstaben-verrückte<br />

Künstler neu in der<br />

Stadt ist und durch die<br />

Kieze flaniert? Er liest jede Reklame<br />

an den Häusern. Altmodische<br />

Schriften, moderne Lettern. Dazu<br />

Straßennamen, Klingelschilder,Hinweistafeln.<br />

So legt er sich eine Karte<br />

im Kopf an. Undwas passiert, wenn<br />

dieser Kartograf an eine ebenso<br />

Buchstaben-verliebte Handwerkerinmit<br />

alten Druckmaschinen gerät?<br />

Dann kommen Stadtteilpläne heraus,<br />

die ein Gewirr von Namen zeigen,<br />

jedoch in allerschönster,pedantischer<br />

Ordnung, so wie alte Drucker<br />

es liebten. Mansieht genauso farbliche<br />

Unregelmäßigkeiten, die die<br />

Handarbeit verraten. Das ist buchstäblich<br />

dieWelt vonLaureen Mahler<br />

und Jesse Simon und Volta Press in<br />

Moabit. Sechs <strong>Berliner</strong> Kieze gibt es<br />

hier bereits in Kartenform, in Kürze<br />

kommen mit dem Wedding und der<br />

City-West wieder zwei dazu.<br />

Sie, Laureen Mahler, ist Amerikanerin<br />

und lebt seit längerem in Berlin.<br />

Volta Press heißt ihr Studio,esist<br />

Druckerwerkstatt und kleiner Laden<br />

zugleich. Jesse Simon wiederum, der<br />

Spaziergänger, kommt aus England<br />

und lebt als Künstler ganz in der<br />

Nähe, genau wie sie. Für Simons<br />

Idee, <strong>Berliner</strong> Kieze aus Buchstaben<br />

–man könnte sagen, wie einen pedantisch<br />

sortierten Buchstabensalat<br />

–zudrucken, taten sich beide zusammen.<br />

Sie liefert dafür die Technik,<br />

die mammutgroße Zylinderabziehpresse,die<br />

bei Volta Press mitten<br />

im Raum steht. Auch andere Designer,Grafiker<br />

und Illustratoren kommen<br />

zu Laureen Mahler,wenn sie etwas<br />

vonHand drucken wollen.<br />

Werbietet schon sonst solch eine<br />

Maschine, bei der man exakt zweieinhalb<br />

Mal ander großen Kurbel<br />

drehen muss, umdas Papier durch<br />

die Walzen zu ziehen und zu bedrucken?<br />

Hochdruck heißt das Verfahren.<br />

Aber wohlbemerkt: zweieinhalb<br />

Malhin, zweieinhalb Malher,nur für<br />

ein Blatt. Diese Art des Druckens ist<br />

ein schwerer Job, wenn man etwas in<br />

Serieherstellen möchte.Aber so,wie<br />

die Maschine aus den 60er-Jahren<br />

arbeitet, taten es ähnliche Bauarten<br />

auch bereits vor100 oder 150 Jahren,<br />

das macht den Reiz aus.<br />

Viele jüngere Künstler, sowie sie<br />

selbst, suchten das, stellt Laureen<br />

Mahler fest, wenn gerade mal wieder<br />

einer aus der Weddinger oder<br />

Moabiter Szene anklopft. In ihrem<br />

Laden, den sie an vier Tagen die Woche<br />

öffnet, stehen Papier-Werke von<br />

ihr und anderen zum Verkauf. Manche<br />

haben den Schrift-Charme eines<br />

„Wanted“-Plakats aus dem Western<br />

oder eines historischen Streik-<br />

Aufrufs, mit großen Lettern und<br />

flatteriger Textur,anderesind mehrfarbige<br />

kleine Business-Karten.<br />

Selbst solch filigrane Kunst kann<br />

dieser Trumm von Maschine. Laureen<br />

Mahler druckt all das für Kunden.<br />

Es ist ein Job, wie ihn Tausende<br />

von Grafikdesignern täglich erledigen<br />

–nur dass bei Mahler der eigentliche<br />

Job erst anfängt, wo andere<br />

nur eine Taste am Computer<br />

als Druckbefehl drücken.<br />

Immer schön spiegelverkehrt–das Wort Moabit in der Druckform.<br />

Sie muss alle Bleibuchstaben<br />

langwierig selber setzen, jeden Zwischenraum<br />

von einzelnen Lettern,<br />

Wörtern und Zeilen mit Plättchen<br />

und Profilen ausfüllen, sie muss immer<br />

wieder neu probieren. „Wie Tetris<br />

spielen“, sagt Laureen Mahler<br />

dazu –solange probieren, bis alles<br />

passt. Aber selbst das ist dann nur<br />

der erste Schritt des Prozesses.<br />

Um Spatien geht es, um den<br />

Durchschuss, Fonts und Cicero. Begriffe<br />

also, die Medienmenschen<br />

heutzutage zwar noch kennen, oft<br />

aber nicht mehr recht einzuordnen<br />

wissen. Diese Erfahrung macht Laureen<br />

Mahler auch als Dozentin an<br />

der privaten Technischen Kunsthochschule<br />

in Tiergarten. Dort unterrichtet<br />

sie das Letterpress-Verfahren.<br />

Und mittlerweile gibt sie genauso<br />

Workshops im eigenen Studio<br />

–ein Erfolg, denn auch hier steigt das<br />

Interesse. „Wersonst nur am Computer<br />

arbeitet“, sagt sie,„sieht dann<br />

praktisch, woher die Regeln und die<br />

Begriffe stammen.“ Meist lässt sie<br />

dann aus großen Holzbuchstaben<br />

ein Plakat setzen und drucken. Und<br />

jeder spürtsofortdie alte Druckerregel:<br />

Hier hat das Wort noch Gewicht.<br />

Volta PressAlt-Moabit103, Moabit. Mi–Fr 14–19<br />

Uhr, an diesem Sonnabend 11–13 Uhr, sonst<br />

sonnabends11–15 Uhr.voltapress.com<br />

NächsteWorkshopsam2. März und am 13. April<br />

KOCHSTUNDE<br />

Rezept der Woche<br />

Mousse aus Aquafaba<br />

Bevor es die Antwort auf die Frage gibt, was denn nun<br />

Aquafaba ist, hier lieber erst die Zusicherung der Köche<br />

Henry Firth und Ian Theasby zuunten stehendem Rezept:<br />

dies sei mit die beste Mousse au Chocolat, die sie je gegessen<br />

hätten –üppig, sündhaft gut und auch noch kinderleicht zu<br />

machen. Undnun zu Aquafaba: So heißt das Kochwasser von<br />

Hülsenfrüchten wie Kichererbsen und Bohnen. Kichererbsenwasser?<br />

Mousse au Chocolat? NurMut und ausprobieren!<br />

Dieses und über 140 andere vegane Rezepte finden sich in<br />

„Bosh!“ (EMF,22Euro) einem Buch, das aus dem gleichnamigen<br />

YouTube-Kochkanal des Duos Firth und Theasby entstanden<br />

ist. (pa.)<br />

Zutaten<br />

(3 Portionen)<br />

100 gvegane dunkle Schokolade<br />

130 ml Aquafaba (Flüssigkeit aus einer<br />

400-g-Dose Kichererbsen)<br />

2½ELZucker<br />

1TLVanilleextrakt<br />

1Prise Salz<br />

1Handvoll Blaubeeren<br />

Zubereitung<br />

Wasser ca. 3cmhoch in den Topf gießen und zum Kochen<br />

bringen. Hitzereduzieren, bis das Wasser nur noch köchelt.<br />

Hitzebeständige Schüssel in den Topf hängen, dabei darauf<br />

achten, dass dasWasser denBodender Schüssel nicht berührt.<br />

85 gSchokolade in Stücke brechen, in die Schüssel geben und<br />

schmelzen. Schüssel beiseitestellen und Schokolade etwas abkühlen<br />

lassen. Aquafaba in eine große Schüssel geben und mit<br />

dem elektrischen Handrührgerät 10–15 Minuten schlagen,<br />

bis die Flüssigkeit fest wird. DieMischung ist steif genug, wenn<br />

beim Herausziehen der Rührbesen kleine Spitzen stehen bleiben.<br />

Geschmolzene Schokolade,Zucker, Vanilleextrakt und<br />

Salz mit einem Teigschaber oder Löffel behutsam unterheben,<br />

dabei darauf achten, dass der Schnee nicht zu sehr zusammenfällt.<br />

DieMousse mit einem Löffel in Gläser oder Schüsseln<br />

füllen und 2Stunden kalt stellen. Dierestlichen 15 gSchokolade<br />

raspeln. DiePortionen vordem Servieren mit ein paar<br />

Blaubeeren und etwas geraspelter Schokolade verzieren.<br />

EMF, GETTY<br />

Pionier.Erbrachte Lokalkolorit in die<br />

neuen U-Bahnhöfe der U8, Franz-<br />

TIPPS<br />

Neumann-Platz, Residenzstraße, Paracelsusbad.<br />

Dort kann man rätseln,<br />

worauf sich die fantasievolle Anspielungen<br />

in den Ornamenten beziehen.<br />

Der psychedelische Rümmler-Bahnhof<br />

Die Ausstellung: Berlinische Galerie, Alte<br />

Jakobstraße 124–128, 10969 Berlin.<br />

Paulsternstraße (U7) erinnertmit<br />

den Keramikbildernsich auffächernder<br />

bunter Blumen an Plattencover<br />

aus den 70er-Jahren. Rümmler aber<br />

hatte eine alte Luchlandschaft, die es<br />

Öffnungszeiten: Sonnabend und Sonntag<br />

10 Uhr bis 18 Uhr,Eintritt 10 Euro,<br />

ermäßigt 7Euro, bis 18 Jahre ist der<br />

Eintritt frei.<br />

hier vor der Bebauung gegeben haben<br />

soll, im Sinn.<br />

Die Station Rathaus Spandau ist<br />

der Ballsaal unter den <strong>Berliner</strong> U-<br />

Bahnhöfen. Allein die Farben. Es dominieren<br />

Weiß, Gold und Schwarz.<br />

Die Bücher: EineAuswahl der wichtigsten<br />

Bücher über die<strong>Berliner</strong>U-Bahnen<br />

undihre Bahnhöfe: „<strong>Berliner</strong> U-Bahn“<br />

vonUlrich Lemkeund Ulf Poppel,Alba-<br />

Verlag,19,99Euro; „U-Bahnhöfe in Berlin“,<br />

Mit hohen Decken, hochwertigen<br />

ein Bildbandvon Ulf Buschmann,<br />

Materialien wie Granit, edlen Absperrgitternaus<br />

Messingund riesigen<br />

Berlin-Story-Verlag,8Euro; „Berlins U-<br />

Bahnhöfe. Dieersten 100 Jahre“ von<br />

goldenen Pendelleuchten erinnert Jürgen Meyer-Kronthaler,be.bra-Verlag,<br />

der Bahnhof an eine Kathedrale.Erist gebraucht,etwa 15 Euro.<br />

ein weiteres Beispiel prächtig gestalteter<br />

Großstadtarchitektur. Alles sehr schön bunt hier:U-Bahnhof Paulsternstraße in Spandau. Ballsaal oder Kathedrale: U-Bahnhof Rathaus Spandau. BLZ /GERD ENGELSMANN (2)

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