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Berliner Zeitung 05.04.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 80 · F reitag, 5. April 2019 – S eite 9 *<br />

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Berlin<br />

Serie zum Wahljahr:<br />

Brandenburgs<br />

AfD-Chef Kalbitz<br />

im Interview<br />

Seite 15<br />

Franziska Giffeys Problem –Eine Ministerin und ihre Doktorarbeit Seite 11<br />

John Lennons Brille –Das Urteil gegen den Hehler des Diebesgutes Seite 14<br />

Stadtbild<br />

Willkommen<br />

in Berlin<br />

Lutz Schnedelbach<br />

wundertsich über den<br />

Tonfall am Flughafen Tegel.<br />

AnderthalbTage später als geplant<br />

landete der Airbus auf <strong>Berliner</strong><br />

Boden. Das Paar kam aus Thailand.<br />

Irgendwo auf dem Flug nach Tegel<br />

war der Flieger kaputt gegangen,<br />

und die Ersatzteilbeschaffung entpuppte<br />

sich als Problem.<br />

DasPaar gehörte allerdings zu jenen<br />

Passagieren, die über die Verspätung<br />

nicht erbost waren, nicht<br />

mal genervt. Sie genossen einfach<br />

die kostenlose Übernachtung in der<br />

finnischen Hauptstadt und dann<br />

den Weiterflug in den Sitzen der 1.<br />

Klasse.Sie waren noch im Bann ihres<br />

Asien-Urlaubs.Kurzund gut: Siewarenentspannt<br />

–ganz tief sogar.<br />

Entspannt aber war der Einweiser<br />

am Taxistand in Tegel ganz und gar<br />

nicht. Ich will nicht meckern über<br />

eine Zunft, über die viel gemeckert<br />

wird. Auch in dieser Branche gibt es<br />

allenthalben olle Meckerköppe,aber<br />

auch äußerst hilfsbereite Kutscher.<br />

Doch das Paar hatte Pech: Der<br />

Einweiser war ein genervter Meckerer.<br />

Alsdie beiden Heimkehrer ein etwas<br />

größeres Taxi in der Schlange<br />

ansteuerten, brüllte er:„Genommen<br />

wird inBerlin immer der erste Wagen.<br />

Aussuchen iss nicht!“<br />

DasPaar mit zwei großen Rucksäcken<br />

und einem kleinen Köfferchen<br />

fürs Handgepäck wollte nicht diskutieren.<br />

Wiebefohlen, trabten die beiden<br />

zum ersten der wohl mehr als<br />

100 Fahrzeuge. Dort stand ein Mercedes-Benz,<br />

E-Klasse. Der Fahrer<br />

schaute flüchtig auf das Gepäck, ließ<br />

die Scheibe runter und motzte, dass<br />

er die Säcke nicht ins Auto bekäme.<br />

„Dafür is der Wagen zu kleen“, blubberte<br />

er. Alle Versuche des Paares,<br />

den Mann wenigstens zum Probieren<br />

zuüberreden, scheiterten. „Der<br />

Kofferraum is zu kleen.“<br />

Ausgestiegen ist er nicht. DerEinweiser<br />

drehte sich vom Geschehen<br />

weg und ließ den Fahrer sowie die<br />

Gäste aus den Augen. Offenbar zweifelte<br />

er an den Worten des Fahrers.<br />

Also ging das Paar zum Fahrer des<br />

zweiten Wagens, der in einem Auto<br />

des gleichen Modells saß. Er hatte<br />

das Gespräch mitbekommen, denn<br />

er sagte: „Wenn der Kollege dit Jepäck<br />

nich rin kriegt, dann kriege ick<br />

dit och nich rin. Et is der selbe Autotyp.“<br />

Willkommen in Berlin.<br />

Dahinter stand ein Citroën. Etwas<br />

älter und viel kleiner als die Autos<br />

mit dem Stern. Der Fahrer stieg aus,<br />

lächelte und half beim Einladen. Es<br />

war sogar noch Platz für einen dritten<br />

Rucksack. Auf der Fahrt nach<br />

Hause dachten die beiden daran,<br />

dass in Thailand wirklich jeder Taxifahrer<br />

dankbar ist für jeden Gast.<br />

Warten auf Kunden. Taxischlange am<br />

Flughafen Tegel. IMAGO IMAGES/MARIUS SCHWARZ<br />

Im Zoo versucht das Panda-Weibchen Meng Meng,sich mit speziellen Lauten bei Männchen Jiao Qing die nötigeAufmerksamkeit zu verschaffen.<br />

Pandas mit Frühlingsgefühlen<br />

IMAGO IMAGES/OLAF WAGNER<br />

Nach dem Tierparkkönnte es auch im Zoologischen Garten bald bärigen<br />

Nachwuchs geben. Denn die Pandas Meng Meng und Jiao Qing, die<br />

seit 2017 in Berlin sind, zeigen gerade ihreLiebe und Zuneigung füreinander.„Schon<br />

in den kommenden Tagen könnte es passieren, dass sich<br />

die Tierepaaren“, sagte Zoo-Direktor Andreas Knieriem. Im Erfolgsfall<br />

würde im Sommer der Nachwuchs zur Welt kommen.<br />

Gratis-Essen sorgt für Chaos<br />

An der kostenlosen Schulspeisung werden mehrKinderteilnehmen. Doch oft fehlt es an Tischen undTechnik<br />

VonMartin Klesmann<br />

<strong>Berliner</strong> Schüler erhalten ab<br />

dem Sommer von der<br />

1. bis zur 6. Klasse ein kostenloses<br />

Schulessen. Das<br />

ist prinzipiell eine gute Sache, allerdings<br />

überfordert die kurzfristige<br />

Einführung dieser Regelung das logistische<br />

System vieler Schulen. An<br />

der Gesundbrunnen-Grundschule<br />

wird das besonders deutlich: Hier<br />

steigt die Zahl der täglichen Esser<br />

von bisher 200 auf 550 Schüler, wie<br />

Schulleiterin Manuela Krüger berechnet<br />

hat. Denn gleichzeitig fällt<br />

die Bedarfsprüfung für den Hort<br />

weg, auch Kinder arbeitsloser Eltern<br />

können endlich problemlos an Essen<br />

und Ganztag teilnehmen.<br />

Auch in anderen Grundschulen<br />

fehlt es nun an Tischen, Stühlen,<br />

selbst an Essgeschirr,das schnell beschafft<br />

werden müsste.Die Moabiter<br />

Grundschule etwa rechnet mit 150<br />

zusätzlichen Essensteilnehmern. In<br />

etlichen Fällen muss die Elektrik erneuert,<br />

der Küchenbereich ausgebaut<br />

oder oft ein zusätzlicher Essensraum<br />

hergerichtet werden.<br />

Noch ist nicht mal geklärt, was genau<br />

der Bezirkdavon bezahlen soll –und<br />

was der Caterer,sagt Carsten Spallek<br />

(CDU), Schulstadtrat in Mitte.<br />

Ist das der Fluch der guten Tat?<br />

Schulleiter aus dem Grundschulverband<br />

Berlin appellieren in einem offenen<br />

Brief an alle Fraktionsvorsitzenden<br />

im Abgeordnetenhaus, das<br />

kostenlose Essen nur schrittweise<br />

einzuführen. Wie etwa die Beitragsfreiheit<br />

für die Schulhorte. Doch das<br />

Abgeordnetenhaus hat das entsprechende<br />

Gesetz am Donnerstag beschlossen.<br />

Damit drohe vielerorts<br />

eineVerschlechterung des Ganztagsangebotes,<br />

weil die ohnehin knappen<br />

Mitarbeiter viel länger mit der<br />

Essensausgabe beschäftigt seien,<br />

formulieren die drei Schulleiterinnen<br />

KarinLaurenz, Lydia Sebold und<br />

Gerti Sinzinger in ihrem offenen<br />

Brief. Die überstürzte Ausweitung<br />

des Mittagessens werde auch dazu<br />

führen, dass „große Mengen an Nahrungsmitteln<br />

weggeworfen werden“.<br />

Zudem befürchten die Schulleiter<br />

schlechteres Essen: „Kleinere Caterer,<br />

die bekannt sind für ein qualitativ<br />

gutes Essensangebot, können<br />

diese Essensmengen aufgrund fehlender<br />

Kapazitäten nicht bewältigen,<br />

sodass die Gefahr einer Monopolbildung<br />

besteht.“<br />

Die Regierungsfraktionen hatten<br />

sich erst im Dezember überraschend<br />

auf das kostenlose Schulessen geeinigt.<br />

Elternmit zwei Grundschulkindern<br />

sparen immerhin 74 Euro im<br />

Monat. Vor allem aber sollen auf<br />

diese Weise mehr Kinder aus benachteiligten<br />

Familien am Schules-<br />

„Kinder müssen –selbst bei Anmeldung –<br />

nicht zum kostenlosen Mittagessen<br />

erscheinen, sodass dann große Mengen an<br />

Nahrungsmitteln weggeschmissen werden.“<br />

Der Vorstand des <strong>Berliner</strong> Grundschulverbandes in einem offenen Brief an die<br />

Fraktionsvorsitzenden aller im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien<br />

sen und am Ganztagsangebot teilnehmen.<br />

Es gibt inzwischen Gespräche<br />

zwischen Schulen, Bezirk und<br />

Schulaufsicht, Werkstattgespräche.<br />

Demnach stellt sich die Lage unterschiedlich<br />

dar.Anden gut 60 gebundenen<br />

Ganztagsgrundschulen, wo<br />

sich Unterricht und Freizeit bis in<br />

den Nachmittag hinein abwechseln,<br />

gibt es wenig Probleme. Hier nehmen<br />

bereits jetzt fast alle Schüler am<br />

Mittagessen teil. Doch anderswo<br />

wird esnoch enger.„Daher wird das<br />

Mittagessen in der Regel zeitlich gestaffelt<br />

organisiert“, bestätigte die<br />

Bildungsverwaltung. 25 Millionen<br />

Euro stehen 2019 zusätzlich zur Verfügung,<br />

um mehr Schüler zu verköstigen.<br />

Die Essenanbieter erhalten seit<br />

Erhöhung der Beiträge 2014 die gleiche<br />

Summe vom Land. Sie pochen<br />

inzwischen aber auf mehr Geld, um<br />

die Qualität auch nur annähernd<br />

halten zu können. Dabei entstehen<br />

zusätzlich Kosten. Allein für die<br />

Müllentsorgung müssen die Caterer<br />

derzeit schon insgesamt mehr als<br />

100 000 Euro aufbringen, teilte die<br />

Bildungsverwaltung mit. Diese Kosten<br />

dürften ab nächstem Schuljahr<br />

erheblich steigen.<br />

Verändern wird die Politik das<br />

neue Gesetz nicht mehr. Allerdings<br />

stellen manche einen interessanten<br />

Vergleich mit dem Rechtsanspruch<br />

auf einen Kitaplatz für Kinder ab<br />

dem ersten Geburtstag an. Auch der<br />

sei in Berlin nicht in jedem Fall einzulösen<br />

gewesen, deshalb übernahm<br />

das Land Kosten für die private<br />

Babysitter-Betreuung. Womöglich<br />

könnten sich auch Elterndas Essensgeld<br />

auszahlen lassen, falls es an<br />

einigen Schulen tatsächlich nicht<br />

klappen sollte,alle zu verköstigen.<br />

Gesünder und besser wird das<br />

Schulessen frühestens ab 2020,<br />

wenn die neuen Musterausschreibungen<br />

in Kraft treten<br />

NACHRICHTEN<br />

Schlappe für Senat<br />

beim Gasnetz<br />

BeiderVerstaatlichung des Gasnetzes<br />

hat der Senat eine weitereSchlappe<br />

erlitten. DasKammergericht wies am<br />

Donnerstag die Berufung gegen ein<br />

Urteil von2014 zurück und untersagte,die<br />

Konzession an das landeseigene<br />

Unternehmen Berlin Energie<br />

zu vergeben.Werdas Gasnetz künftig<br />

betreibt, bleibt somit unklar.Denn<br />

auch die Berufung der klagenden<br />

Gasag wies das Kammergericht zurück.<br />

Der<strong>Berliner</strong>Netzbetreiber hatte<br />

versucht, gerichtlich zu erwirken,<br />

dass der Senat einen Konzessionsvertrag<br />

mit ihr abschließt. Eine Urteilsbegründung<br />

liegt noch nicht vor. Das<br />

Urteil ist nicht rechtskräftig. (dpa)<br />

Name der U-Bahn-Station<br />

soll Nikolaiviertel stärken<br />

„Rotes Rathaus –Nikolaiviertel“, so<br />

soll die 2020 zu eröffnende U-Bahnstation<br />

der Linie 5heißen, statt nur<br />

„Rotes Rathaus“. Diese Namenserweiterung<br />

fordertdie Interessengemeinschaft<br />

Nikolaiviertel in einem<br />

offenen Brief an Senat, Abgeordnetenhaus<br />

und Bezirksparlament<br />

Mitte.Das Nikolaiviertel gehörezum<br />

klassischen touristischen Repertoire,<br />

sagt Annett Greiner-Bäuerle<br />

vonder IG Nikolaiviertel. (mtk.)<br />

Schüler starten „Attacke<br />

gegen Hundekacke“<br />

Schüler und Lehrer der Neuköllner<br />

Peter-Petersen-Grundschule werden<br />

an diesem Freitag im Körnerkiez<br />

gegen Vermüllung und Hundekot<br />

demonstrieren, Passanten ansprechen<br />

und Hinweisschildchen aufstellen.<br />

DieAktion findet bereits seit<br />

mehr als 20 Jahren statt. (mak.)<br />

Reallöhne um<br />

1,6 Prozent gesteigen<br />

In Berlin sind die Gehälter im vergangenen<br />

Jahr schneller gestiegen<br />

als die Preise.Wie das Statistische<br />

Landesamt mitteilte,wuchsen die<br />

Reallöhne in der Stadt um 1,6 Prozent.<br />

Vollzeitbeschäftigte hatten<br />

demnach 2018 einen durchschnittlichen<br />

Bruttomonatsverdienst von<br />

4228 Euro.InBrandenburglag dieser<br />

nur bei 3380 Euro. (BLZ)<br />

Abgeordnete würdigen<br />

gestorbenen Kosmonauten<br />

Miteiner Schweigeminute hat das<br />

Abgeordnetenhaus an den am 27.<br />

Märzverstorbenen sowjetischen<br />

Kosmonauten WaleriBykowski erinnert.<br />

DerFlug vonBykowski und<br />

DDR-Raumfahrer Sigmund Jähn<br />

1978 ins All sei für viele Deutsche ein<br />

„Jahrhundertereignis“ gewesen,<br />

sagte Parlamentspräsident Ralf Wieland.<br />

Bykowski und Jähn sind Ehrenbürger<br />

Berlins. (dpa)<br />

Zusammen im All: Waleri Bykowski (l.)<br />

und Sigmund Jähn.<br />

IMAGO IMAGES/TASS

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