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Zaub<br />
mitSonn<br />
4 25./26. MAI 2019<br />
Künstliche Fotosynthese<br />
1. TEILSCHRITT 2. TEILSCHRITT<br />
Sonnenlicht<br />
CO2<br />
Methangas<br />
(CH4)<br />
Künstliche Fotosynthese könnte sauber<br />
Probleme lösen helfen. Die Prozesse na<br />
Pflanzen ablaufen, ist all<br />
VonSabine Sütterlin (Text) und<br />
Foto-<br />
Elektrode<br />
H2<br />
H2<br />
O2<br />
– +<br />
H2O<br />
Katalysatoren<br />
direkte Nutzung von<br />
Wasserstoff für<br />
Brennstoffzellen<br />
Ein Halbleiter fungiert als Fotoelektrode. Er ist<br />
zusammen mit einer negativ gepolten Elektrode in<br />
Wasser eingetaucht. Sobald Licht auf die Fotoelektrode<br />
fällt, fließt Strom. Dieser spaltet die Wassermoleküle<br />
in Wasserstoff- und Sauerstoff-Ionen. Die<br />
Teilchen fügen sich schließlich zu Sauerstoff- und<br />
Wasserstoffmolekülen zusammen.<br />
Mithilfe von Katalysatoren entstehen<br />
aus Wasserstoff und Kohlendioxid<br />
einfache Moleküle –zum Beispiel<br />
Methangas, das sich als Energiequelle<br />
nutzen lässt.<br />
Esist genial arrangiert: Pflanzen leben buchstäblich<br />
von Luft und Licht. Sie verleiben<br />
sich zunächst das Kohlendioxid aus der Atmosphäre<br />
ein. Mithilfe von Sonnenenergie<br />
verwandeln sie anschließend das Kohlendioxid zusammen<br />
mit Wasser in Zucker und andereKohlenhydrate<br />
wie Stärke oder Zellulose.Auf diese Weise gedeihen<br />
und wachsen die Pflanzen –und ernähren Tiere<br />
und Menschen. Als Abfallprodukt entsteht bei dieser<br />
Umwandlung Sauerstoff, den andereLebewesen zum<br />
Atmen benötigen.<br />
Fotosynthese nennt sich der ausgeklügelte Prozess,<br />
von dem fast alle Lebensformen auf der Erde abhängen.<br />
Frei übersetzt bedeutet der Fachbegriff: Aufbau<br />
von Biomasse mit Licht. Nur Algen, Gräser, Bäume<br />
und andere Angehörige des Pflanzenreichs sowie<br />
manche Bakterien sind dazu in der Lage.Denn nur sie<br />
besitzen die Maschinerie dafür.<br />
Diese besondereFähigkeit regt seit langem die Fantasie<br />
von Wissenschaftlern an. Gelänge es nämlich,<br />
den natürlichen Umwandlungsvorgang nachzuahmen<br />
und in großem Maßstab einzusetzen, ließen sich<br />
auf einen Schlag mehrere globale Probleme lösen.<br />
Zumeinen wäredie Ernährung der wachsendenWeltbevölkerung<br />
gesichert. Darüber hinaus ließe sich dank<br />
künstlicher Fotosynthese aber auch derVerbrauch fossiler<br />
Brennstoffe wie Öl und Kohle reduzieren –und<br />
damit der Ausstoß vonKohlendioxid (CO 2 ), das hauptsächlich<br />
den Klimawandel verursacht.<br />
Damit nicht genug. DieNachahmung derVorgänge<br />
in den Blätternbietet auch die Möglichkeit, Rohstoffe<br />
für die industrielle Produktion allein aus Luft und Licht<br />
erzeugen. Der wundersame Nebeneffekt: Alle diese<br />
Anwendungen würden noch dazu einen Teil des klimawirksamen<br />
CO 2 aus der Atmosphäreentfernen und<br />
so die Erwärmung des Planeten abmildern.<br />
Dasklingt alles zu schön, um wahr zu sein. Immerhin<br />
aber sind einige dieser Zaubertaten bereits möglich<br />
–imLabormaßstab.Vorläufig muss künstliche Fotosynthese<br />
allerdings in Anführungszeichen geschrieben<br />
werden, denn ein derart komplexes biologisches<br />
System lässt sich nicht exakt nachbauen. Künstliche<br />
Systeme nutzen als Lichtfänger deshalb Hilfsmittel,<br />
die in der Natur nicht vorkommen, etwa synthetische<br />
Farbstoffe oder Halbleitermaterialien. Und Katalysatoren<br />
übernehmen die Rolle der Enzyme,die im natürlichen<br />
Prozess die chemischen Umwandlungen ermöglichen.<br />
Allenthalben tüfteln Forscher an der Weiterentwicklung<br />
dieser Materialien, um die Verfahren<br />
effizienter zu machen.<br />
Effizienz ist wichtig, denn Pflanzen arbeiten bei der<br />
Umwandlung vonKohlendioxid undWasser in Zucker<br />
langsam, oft fehlerhaft und mit extremen Energieverlusten.<br />
Sienutzen lediglich etwa ein Prozent des eingesammelten<br />
Lichts für den Aufbau vonBiomasse.Den<br />
größeren Teil der aufgenommenen Energie verwenden<br />
sie, umihren Stoffwechsel aufrechtzuerhalten.<br />
Hinzu kommt, dass sie ausgerechnet bei besonders<br />
starker Einstrahlung, in gemäßigten Breiten beispielsweise<br />
um die Mittagszeit, die Produktion vonKohlenhydraten<br />
zurückfahren. Selbst genmanipulierte Bakterien<br />
kommen auf eine Lichtausbeute vonhöchstens<br />
drei Prozent. ZumVergleich: Gute handelsübliche Solarmodule<br />
erreichen heute bei der Umwandlung von<br />
Sonnenlicht in Elektrizität einen Wirkungsgrad von20<br />
Prozent.<br />
DIE CHANCEN DER KÜNSTLICHEN FOTOSYNTHESE liegen<br />
deshalb darin, dass sie das Original übertreffen<br />
kann. Künstliche Systeme schaffen weit höhere Wirkungsgrade<br />
und ihreEffizienz steigt mit zunehmender<br />
Sonneneinstrahlung. Der Physiker Matthias May, der<br />
am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) dazu forscht,<br />
konnte letztes Jahr einen neuen Weltrekord vermelden:<br />
Eingemeinsam mit einem internationalen Team<br />
entwickeltes System zur solaren Wasserspaltung erreichte<br />
im Labor 19 Prozent Lichtausnutzung.<br />
Systeme zur solaren Wasserspaltung imitieren jedoch<br />
nur den ersten Teilschritt der biologischen Fotosynthese.Das<br />
heißt: Mithilfe vonSonnenlicht zerlegen<br />
sie Wasser (H 2 O) in seine Bestandteile Sauerstoff (O 2 )<br />
und Wasserstoff (H 2 ). Dies ist der Prozess der Fotosynthese,der<br />
am meisten Energie erfordert. Interessant ist<br />
dabei vorallem der Wasserstoff, der sich speichern, in<br />
Brennstoffzellen in Stromverwandeln oder direkt zum<br />
Antrieb von Fahrzeugen einsetzen lässt. Bei der Verbrennung<br />
vereinigen sich Sauerstoff und Wasserstoff<br />
wieder und es entsteht nichts als Wasser. Nur bei hohen<br />
Verbrennungstemperaturen kommen auch Stickoxide<br />
hinzu. Im Vergleich zu einem Feuer aus Kohle<br />
oder Benzin also eine ziemlich saubereSache.<br />
Die solareWasserspaltung kann mithilfe einer sogenannten<br />
fotoelektrochemischen Zelle geschehen,<br />
nach der englischen Abkürzung als PEC-Zelle bezeichnet.<br />
Dasist eine ArtSolarzelle mit einem Halbleiter als<br />
Fotoelektrode und einem Metall oder Oxid als entgegengesetzt<br />
gepolter Elektrode, die in Wasser eingetaucht<br />
sind. Sobald Licht auf die Fotoelektrode fällt,<br />
fließt innerhalb der Zelle Strom. Wassermoleküle zerfallen<br />
in Wasserstoff- und Sauerstoff-Ionen, und diese<br />
positiv respektive negativ geladenen Teilchen fügen<br />
sich schließlich zu Sauerstoff- und Wasserstoffmolekülen<br />
zusammen.<br />
Einen anderen Ansatz verfolgen zum Beispiel Forscher<br />
der Universität Zürich und der Eidgenössischen<br />
Materialprüfungs- und Forschungsanstalt. Siekönnen<br />
mit chlorophyllähnlichen Farbstoffen und Katalysatorenineiner<br />
wässrigen Lösung die erste Stufe der natürlichen<br />
Fotosynthese direkter nachahmen. Diese Fotokatalyse<br />
ist bislang jedoch weniger effizient alsVerfahrenmit<br />
PEC-Zellen.<br />
In experimentellen Anordnungen ist es bereits<br />
möglich, den natürlichen Prozess komplett nachzuvollziehen<br />
–also nicht nur Wasser zu spalten, sondern<br />
auch zugeführtes Kohlendioxid in einfache Kohlenwasserstoffe<br />
umzuwandeln. Anders als in den Blättern<br />
von Pflanzen entsteht dabei jedoch kein Zucker, der<br />
aus sechs Kohlenstoffatomen aufgebaut ist. Vielmehr<br />
bilden sich vergleichsweise simple Produkte mit einem<br />
oder zwei Kohlenstoffatomen wie zum Beispiel<br />
Methan, Ameisensäure, Methanol, Ethylen und Ethanol.<br />
Bislang sind die Ausbeuten gering, die künstlichen<br />
Blätter wenig stabil.<br />
Grundsätzlich ließen sich die entstehenden Substanzen<br />
als Ausgangsstoffe für andereProdukte in der<br />
chemischen Industrie oder als Brennstoffe nutzen.<br />
Doch um dies in industriellen Mengen und zu günstigen<br />
Preisen umzusetzen, müssten quadratkilometerweise<br />
Lichteinfangflächen zur Verfügung stehen, die<br />
Leistung im Gigawattbereich erbringen, wie die Nationale<br />
Akademie der Wissenschaften 2018 in einem Bericht<br />
zum Stand der Forschung schrieb. Dennoch<br />
könnte es sinnvoll sein, CO 2 mit künstlicher Fotosynthese<br />
in Substanzen wie Ameisensäureoder Alkohole<br />
umzuwandeln und diese in speicherbarelängereKohlenwasserstoffverbindungen<br />
überzuführen. Damit<br />
ließe sich ein Teil des überschüssigen atmosphärischen<br />
CO 2 binden und zurückhalten.<br />
NegativeEmissionen nennen sich solche Maßnahmen<br />
zur Rücknahme vonzuvor ausgestoßenem CO 2 .<br />
Siehaben den Zweck, die Klimabilanz zu verbessern.<br />
Denn allein mit den vorgesehenen Schritten zur Senkung<br />
der Emissionen lässt sich das Ziel nicht erreichen,<br />
den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur<br />
auf unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen<br />
Wert zu begrenzen. In fast allen Szenarien des<br />
Weltklimarats (International Panel on Climate<br />
Change,IPCC) sind deshalb negativeEmissionen von<br />
vornherein eingeplant. Demnach müsste die<br />
Menschheit bald mit der Umsetzung beginnen, um<br />
vomJahr 2050 an jährlich etwa zehn Gigatonnen CO 2<br />
aus der Atmosphäre entnehmen und in tiefen Gesteinsschichten<br />
oder am Grund der Ozeane speichern<br />
zu können.<br />
Bisher sind für negativeEmissionen vorallem Ingenieurlösungen<br />
im Gespräch. So gibt es die Idee, die<br />
Ozeane mit Eisen zu düngen, damit sie mehr CO 2<br />
schlucken. WeitereAnsätzesehen vor, CO 2 der Umgebungsluft<br />
chemisch zu entziehen oder aus den Abgasen<br />
von Biomassekraftwerken aufzufangen und im<br />
Boden zu verpressen. Dabei ist fraglich, ob solche<br />
großtechnischen Verfahren wirtschaftlich zu betreiben<br />
wären. Auch ist unklar,welche Risiken mit der Einlagerung<br />
im Boden oder in den Meeren verbunden<br />
wären.<br />
Alternativ gibt es den Vorschlag, Bioenergie-Pflanzen<br />
anzubauen, die CO 2 auf natürliche Weise aus der<br />
Atmosphäreaufnehmen und dann in Form neuer fossiler<br />
Lagerstätten gebunden halten könnten. Mit anderen<br />
Worten: Man müsste ganze Felder oder Wälder<br />
abernten und tief im Boden vergraben. Doch wegen