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Berliner Zeitung 18.11.2019

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24 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 268 · M ontag, 18. November 2019<br />

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Feuilleton<br />

Alles<br />

unter<br />

Kontrolle<br />

Toll: Stereolab spielten<br />

beim Synästhesie-Festival<br />

VonJohannes von Weizsäcker<br />

Viele ältere, aber auch erfrischend<br />

viele jüngere Menschen verließen<br />

in der Nacht zum Sonntag das<br />

Kesselhaus in der Kulturbrauerei am<br />

Prenzlauer Berg mit glückseligen Gesichtern,<br />

nachdem hier die britischfranzösische<br />

Band Stereolab um den<br />

Gitarristen TimGane und die Sängerin<br />

Laetitia Sadier den ersten Abend<br />

des diesjährigen Synästhesie-Festivals<br />

beschlossen hatte. Zuvor hatte<br />

die Gruppe das Publikum durch einen<br />

repräsentativen Querschnitt der<br />

früheren Jahre ihres unvergleichlichen<br />

Easy-Listening-Kraut-Spacerock-Indie-Chanson-Klangs<br />

mit<br />

marxistischen Texten geführt, den<br />

man getrost als einen der einflussreichsten<br />

Pop-Klänge der Neunzigerjahrebezeichnen<br />

kann.<br />

Interessant dabei, dass Stereolabs<br />

Auftritt direkt nach dem vonMichael<br />

Rother erfolgte,der eine starkdigitalisierte<br />

Version seines stilbildenden<br />

Neu!-Klangs darbot, welcher, wie<br />

man sich kurzdarauf noch mal überzeugen<br />

konnte,einer der wichtigsten<br />

Ausgangspunkte für die Musik von<br />

Stereolab war.Während Rother,dessen<br />

Musik in den Siebzigern vor allem<br />

zukunftsgerichtet war,keine Berührungsängste<br />

mit moderner Technologie<br />

hat und seinen Sound davon<br />

auch heute stark beeinflussen lässt,<br />

waren Stereolab rein klanglich gesprochen<br />

immer ein retro-futuristisches<br />

Unternehmen.<br />

Trotz der gelegentlichen Verwendung<br />

digitalisierter Playbacks blieb<br />

ihr Konzert dem warmen Huldigungssound<br />

aus den Neunzigern<br />

treu, der damals inmitten von<br />

Grunge und Britpop besonders erfrischend<br />

war, weil Stereolab –egal in<br />

welcher ihrer wechselnden Besetzungen<br />

–dabei durchaus zu rocken<br />

vermochten. Wobei es sich dank der<br />

glasklaren Kindermelodie-Polyphonie<br />

von Laetitia Sadier und der 2002<br />

bei einem Fahrradunfall ums Leben<br />

gekommenen Sängerin Mary Hansen<br />

um ein dezidiert unmachistisches<br />

Rocken handelte, eine transzendentale<br />

Rhythmik, einen Aufbruch<br />

in eine inklusiveUtopie.<br />

Immer noch so selbstverloren wie 1996:<br />

TimGane und Laetitia Sadier. R. OWSNITZKI<br />

Diesen Geist haben sich Stereolab,<br />

die dieses Jahr nach längerer<br />

Pause noch einmal zusammengefunden<br />

haben, bewahrt: Toll, wie Tim<br />

Gane im Kesselhaus immer noch genauso<br />

selbstverloren den Kopf am<br />

Beat vorbeischüttelte,als sei es 1996.<br />

Herrlich, wie Sadier den einfachsten<br />

Melodien Hypnotik abzugewinnen<br />

vermochte. Unfassbar, wie soundnerdig-souverän<br />

und doch dilettantisch-entdeckungsfreudig<br />

die Band<br />

sich zeigte und dabei immer die Performance-Auraverschüchterter<br />

Aushilfslehrer<br />

bewahrte.<br />

„Reiß alles ein und bau es besser<br />

wieder auf!“ war schon immer die<br />

Message von Stereolab –wie Sadier<br />

im Stück „Crest“ zu zwei Akkorden<br />

und immer höher sich türmenden<br />

Krachschichten sang: „Ifthere’sbeen<br />

away to build it /there’ll be away to<br />

destroy it /things arenot all that out<br />

of control“ –also los, Kids, lasst uns<br />

diese abgefuckte Welt doch noch<br />

rumreißen! Wasfür eine tolle Band.<br />

Wer kennt es nicht, das<br />

Gefühl, eine Figur in<br />

einer Seifenoper zu<br />

sein? Mitspieler aus<br />

den unteren Schubladen einer Klischeefabrik<br />

tauchen auf. Der Lebenslauf<br />

nimmt Wendungen, als<br />

würde das verantwortliche Schreibbüro<br />

verzweifelt auf sinkende Quoten<br />

reagieren. Handlungsstränge<br />

werden mit beleidigender Willkür<br />

ausgeleiert oder abgeschnitten.<br />

Oder es wird abgenudelte Gebrauchtwarevon<br />

anderswo an die eigene<br />

Geschichte geknotet. Das Leben<br />

– ein banales und mühsames<br />

Epos, das aus aneinandergereihten<br />

Längen zwischen unwillkommenen<br />

Drehpunkten besteht und dann am<br />

Ende zu kurz gewesen sein wird.<br />

Bleibt das Wie. Bleibt die Erzählweise.Sie<br />

macht das Leben vielleicht<br />

doch interessant. Siesucht den Kern<br />

im Rohmaterial und schleift ihn zum<br />

Edelstein ab.<br />

EinÖlkonzernschmiertab<br />

Die<br />

Plotmaschine<br />

Die Festspiele zeigen das Sechs-Stunden-Epos<br />

„Diamante“ von Mariano Pensotti<br />

VonUlrich Seidler<br />

VomHippie zum Prügelknaben: eine von unzähligen Entwicklungen.<br />

Ente gut, alles gut<br />

OSTKREUZ/A. HAUSCHILD<br />

DasHaus der <strong>Berliner</strong> Festspiele präsentiert<br />

mit dem 2018 bei der Ruhrtriennale<br />

zur Uraufführung gekommenen<br />

„Diamante“ von Mariano<br />

Pensotti in erster Linie eine Erzählweise<br />

–und dann eine Geschichte.<br />

Der von den Sitzreihen befreite Zuschauersaal<br />

bildet zusammen mit der<br />

Bühne eine mit Kunstrasen ausgelegte<br />

Fläche. Das ist ein Teil der von<br />

der Öl- und Bergbaugesellschaft<br />

Goodwind im Dschungel von Argentinien<br />

betriebenen Mitarbeitersiedlung<br />

„Diamante“. Wie ineinem Pionierlager<br />

stehen da zehn Bungalows,<br />

allerdings mit großen Schaufenstern,<br />

dazu kommen ein Auto, eine Bühne<br />

und ein zentraler Platz mit der Büste<br />

des Gründers: Emil Hügel, ein dicker<br />

Deutscher, der als Kind seine Ferien<br />

in Schweden verbracht hat –was inspirierend<br />

in seine kapitalistische<br />

Utopie eingeflossen ist.<br />

Alle sind wohl versorgt, kulturell,<br />

aber auch medizinisch, werden überwacht<br />

und beschützt gegen die Armen<br />

außerhalb der Siedlung. Zu den<br />

Pflichten der Einwohner gehört es,<br />

den Rasen zu mähen, sie müssen eine<br />

Choreografie für den Frühsport und<br />

mindestens ein Musikinstrument beherrschen.<br />

Die Schulbildung ist kostenlos<br />

und beinhaltet Schauspielunterricht.<br />

Lauter produktivitätssteigernde<br />

Maßnahmen.<br />

„Diamante“ steht vor seinem 100.<br />

Jubiläum, das mit Pomp gefeiertwird.<br />

Hinter den Kulissen schmiert der<br />

Konzern ab in eine wirtschaftliche<br />

Krise, die schnell in die Lebensläufe<br />

der Bungalowbewohner ausgreift<br />

und private Krisen nach sich zieht.<br />

Erzählt wirddas GanzeindreiTeilen,<br />

die aus synchron stattfindenden,<br />

parallel gespielten, jeweils ein paar<br />

Minuten dauernden Kapiteln bestehen.<br />

Die Zuschauer können ein Höckerchen<br />

nehmen und sich in einer<br />

beliebigen Reihenfolge vonStation zu<br />

Station begeben. Die Szenen werden<br />

so lange geloopt, bis jeder Zuschauer<br />

Gelegenheit hatte, jede Szene zu sehen<br />

–esist auch genug Raum, um ein<br />

paar Blicke in benachbarte Bungalows<br />

zu riskieren und so mit der Perspektive<br />

zu spielen. Klingt komplizierter,als<br />

es ist, zumal es vorder Veranstaltung<br />

eine Einführung gibt und<br />

der fiktionale Rahmen im Handout<br />

nachzulesen ist.<br />

Die Handlung steht also weitgehend<br />

still, bis alle Einzelgeschichten<br />

erzählt sind, und springt in den beiden<br />

Pausen zwischen den Hauptteilen.<br />

Dasgeht nicht anders,wenn man<br />

die Dinge nicht nacheinander, sondern<br />

gleichzeitig erzählen will, also<br />

so,wie sie im Leben nun einmal passieren.<br />

DasProblem ist, dass Pensotti<br />

seine unübersichtliche nicht-sukzessive<br />

Erzählstruktur mit sehr übersichtlichen<br />

Inhalten befüllt. DieFiguren<br />

müssen auf kurzer Strecke wiedererkennbar<br />

sein, ihre dreistufige<br />

Entwicklung darfsich nicht mit Differenzierung<br />

aufhalten, zumal Pensotti<br />

offenbar den Anspruch hat, jede Figur<br />

vom Paulus zum Saulus werden<br />

zu lassen. Das geht dann schnell ins<br />

Reißbrettartige und führtzuProduktenttäuschungen,<br />

zumal man in der<br />

ersten Runde so viele aufgestapelte<br />

Informationen vorgesetzt kriegt, nur<br />

damit diese Stapel im Folgenden umgestupst<br />

werden können: Die pubertäreViolinistin<br />

wird zur Voodoohexe,<br />

der integere Barkeeper zum Verräter,<br />

der Sicherheitsmann zum Bandit, die<br />

liberale Politikerin zur Machtpuppe,<br />

der verdrogte Hippierocker zum Prügelknaben,<br />

der Theaterregisseur zum<br />

Wahlkämpfer, der verwaiste Bauernsohn<br />

zum Kapitalistenmonster.Soin<br />

der Art.<br />

Fasse dich kurz<br />

Um gedankliches Ergänzungsfutter<br />

anzubieten –und die Plotmaschine<br />

auf die Relevanzhöhe zu hieven, die<br />

das in Richtung Utopieskepsis, Gesellschaftskritik,<br />

Apokalyptik und<br />

Postkapitalismus gepushte Setting<br />

verspricht, greift Pensotti auf simple<br />

Titeleinblendungen zurück. Hier<br />

kann er autoreflexiv und ironisch<br />

werden, Hintergründe und Fußnoten<br />

einschieben, Kommentareabgeben,<br />

Subtexte und Figurengedanken<br />

ausformulieren, Metaphernausdeuten<br />

oder Handlungsstände aktualisieren.<br />

All das,was ein Erzähler in einem<br />

Roman so tut. Nur, dass Pensotti<br />

sich kurz fassen und prägnant<br />

bleiben muss, also nicht weiter ausdifferenzieren<br />

und abwägen kann.<br />

Weil der Abend doch auch so schon<br />

sechs Stunden dauert.<br />

Diegehen wie beim sogenannten<br />

Binge-Watching zwar ziemlich<br />

schnell vorbei, hinterlassen aber<br />

auch das schale Gefühl, Lebenszeit<br />

verloren zu haben –oder sich mit<br />

Problemen und Banalitäten von anderen<br />

unterhalten zu haben, statt<br />

sich mit den eigenen so lange und<br />

intensiv zu beschäftigten, bis sie vielleicht<br />

doch interessant werden.<br />

Diamante 20., 22., 23. 11., 17Uhr;24. 11.,<br />

15Uhr,Haus der <strong>Berliner</strong> Festspiele,Tel.:<br />

25489100<br />

Das Dinner-Theater Palazzo hüllt das Publikum in „Family Affairs“ in eine Welle des Wohlgefühls<br />

VonBirgit Walter<br />

Das aktuelle Palazzo-Programm<br />

im Zelt am Bahnhof Zoo handelt<br />

von Familienaffären und erinnert<br />

daran, dass Familiengeschichten<br />

im Dinner-Theater lange als vermintes<br />

Gelände galten. Clowneskes<br />

und Anarchisches durfte sein in den<br />

wilden Neunzigern, als Hans-Peter<br />

Wodarz die Erlebnisgastronomie erfunden<br />

und mit „Pomp Duck and<br />

Circumstance“ auf eine besinnungslose<br />

Erfolgsspur gesetzt hatte. Doch<br />

der einzige gewagte Ausflug ins kulinarische<br />

Erotik-Theater führte 2006<br />

am Potsdamer Platz zu einem Millionenflop.<br />

Unvergessen, dass die Inszenierung<br />

damals mit einer Familienaffärebegann.<br />

Erschütterungen wie diese gibt es<br />

längst nicht mehr, das Palazzo-Konzept<br />

von einem hochklassigen Viergang-Menü<br />

mit Spitzenakrobatik<br />

und schrulliger Komik ist in seine finale<br />

Form gegossen, die Zahl der<br />

Gäste steigt trotzdem, in der letzten<br />

Saison auf 27 000. Es gibt nur mehr<br />

oder weniger überzeugende Jahrgänge<br />

–die jüngste Premiere„Family<br />

Affairs“ vomMittwoch zählt eindeutig<br />

zu den gelungenen. Völlig gleich,<br />

ob der Familiengedanke musikalisch<br />

behauptet („It’safamily affair“) oder<br />

theatralisch erzählt wird.<br />

Die eigentliche Leistung von<br />

Hans-Peter Wodarz und Kolja Kleeberg<br />

besteht darin, ein komplettes<br />

Genusspaket anzubieten, die Gäste<br />

mit einer Welle aus Aufmerksamkeit<br />

und Wohlgefühl zu überschwemmen,<br />

wenn sie das leuchtende Spiegelzelt<br />

mit Hunderten Kerzen auf<br />

festlich gedeckten Tischen betreten.<br />

Natürlich wird geschwelgt. Die<br />

Ente,wie immer knusprig und trotzdem<br />

butterzart, in diesem Jahr mit<br />

Orangensauce und Spitzkohl, wird<br />

durch die Vorspeise fast noch getoppt.<br />

Das Kabeljautürmchen mit<br />

seiner fein-würzigen Sauce Rouille<br />

gerät auch schön knackig –und das<br />

auf 400 Tellern. Wobei hier niemand<br />

nur zum Anbeten der Gerichte erscheint,<br />

sondern zum Amüsieren<br />

und Staunen. Noch vor dem Hauptgang<br />

hebt der Spanier Mateo von<br />

15Feet6 ab zu einem Salto ganz oben<br />

in der Zeltspitze, landet aber punktgenau<br />

auf seinem sehr schmalen<br />

Schleuderbalken.<br />

Dirigat zum Mitklatschen<br />

Karl-Heinz Helmschrot moderiert<br />

klassische Trapez-, Strapaten- und<br />

Rollschuhnummern sowie die feine<br />

Alleskönner-Band mit dem stimmgewaltigen<br />

Sänger Unathi Mzekeli<br />

aus Südafrika an der Spitze. Der<br />

amerikanische Comedy-Star Peter<br />

Shub versucht hübsch ungeschickt<br />

seinen Trenchcoat anzuziehen, während<br />

der stur auf dem Bügel hängen<br />

bleibt. Es geht nicht gut, aber sein<br />

komisches Dirigat zum Mitklatschen<br />

funktioniert trotzdem: Es fehlt nicht<br />

viel und alle stampfen „We will rock<br />

you“.<br />

Das ist ein Abend, an dem Gäste<br />

einander beschwingt näherkommen.<br />

Nebenan prostet ein Gast in<br />

vollem orthodoxen Ornat den Nachbartischen<br />

mit Alkoholischem zu,<br />

Ex-Kultursenator Christoph Stölzl<br />

bereut seine zeitraubende Anreise<br />

aus Weimar keine Sekunde und<br />

nimmt freudig Huldigungen auf seinen<br />

berühmten Sohn Philipp entgegen,<br />

Wolfgang Lippert versucht sich<br />

mit Kerol im Beatboxing zwischen<br />

den Tischen und Kolja Kleebergentschließt<br />

sich wieder zu einer<br />

Rock’n’Roll-Einlage auf der Bühne.<br />

Nach fünf Stunden machen sich<br />

die Gäste nur zögerlich auf den<br />

Heimweg. Wer weiß, was sie hier<br />

noch alles verpassen.<br />

Palazzo,bis Apriltägl.außer Montag,Hertzallee,<br />

www.palazzo.org<br />

Fasching<br />

für<br />

Mozart<br />

Das DSO spielte dessen drei<br />

letzte Sinfonien ohne Frack<br />

VonClemens Haustein<br />

Mehr Flexibilität und eine Weitung<br />

des stilistischen Horizonts<br />

wünscht sich Robin Ticciati<br />

vomDeutschen Symphonie-Orchester<br />

(DSO). Deshalb schickte er das<br />

Ensemble zu Beginn der Spielzeit zu<br />

einer Gruppenimprovisation auf die<br />

Bühne, deshalb ließ er die Streicher<br />

nun auf Darmsaiten und die Blechbläser<br />

auf historischen Instrumenten<br />

spielen wie schon in der vergangenen<br />

Saison bei Georg Friedrich<br />

Händels Oratorium „Messias“.<br />

Wolfgang Amadeus Mozarts<br />

letzte drei Sinfonien standen am<br />

Freitagabend in der Philharmonie<br />

auf dem Programm, nicht nur die<br />

Stahlsaiten und Ventilinstrumente<br />

legten die Musiker dafür ab,sondern<br />

auch den Frack. In schwarzenHosen<br />

und schwarzenHemden, gerne auch<br />

über dem Hosenbund getragen, traten<br />

sie auf, den Frauen wurde freier<br />

Zugriff auf die Farbpalette gewährt.<br />

Wenn nicht alles täuscht, versuchte<br />

das DSO sich hier als Originalklangensemble<br />

zu verkleiden, das aus Distinktionsgründen<br />

die offizielle Konzertgarderobe<br />

nicht anrührt.<br />

Wie sollte man das nun verstehen?<br />

Dass Mozartviel zu lässig ist für<br />

den bürgerlichen Konzertbetrieb,<br />

wie ihn auch das DSO sonst in Frack<br />

und schwarzer Kleidung repräsentiert?<br />

Oder andersherum, dass das<br />

DSO unter Ticciati eigentlich viel zu<br />

lässig ist für einen Konzertbetrieb,in<br />

dem es sich sonst immer im Frack<br />

verkleiden muss? Seltsamer Einfall,<br />

dieser Fasching.<br />

Träumt vom Originalklang: Dirigent Robin<br />

Ticciati, hier doch im Frack. KAI BIENERT<br />

Vielleicht sollte mit dem legeren<br />

Auftritt auch einfach der Werkstattcharakter<br />

der Unternehmung unterstrichen<br />

werden. In Workshops hatten<br />

sich die DSO-Streicher mit dem<br />

Spiel auf Darmsaiten beschäftigt.<br />

Dass es mit dem Aufziehen der<br />

Därme tatsächlich nicht getan ist,<br />

ließ sich im Konzert gut erleben:<br />

Zwar war der Streicherklang nun fein<br />

und durchhörbar, doch war an Farbigkeit<br />

wenig gewonnen. Die zuerschließen,<br />

bräuchte es wohl doch die<br />

Expertise des Originalklang-Profis.<br />

Ähnliches betraf die Intonation:<br />

Besonders die ersten Geigen suchten<br />

einen Abend lang nach einem geschlossenen<br />

Klangbild. Nicht nur die<br />

langsamen Sätze wurden darüber<br />

äußerst lang, was auch mit Ticciatis<br />

Interesse vornehmlich für die größerenZusammenhänge<br />

zu tun hat. Bei<br />

der Binnengestaltung schien er sich<br />

–vielleicht im Wunschtraum, doch<br />

vor einem originalen Originalklangensemble<br />

zu stehen –auf die Musiker<br />

zu verlassen. Von denen kam<br />

aber nicht so viel, sodass selbst das<br />

berühmte Kopfthema der g-Moll-<br />

Sinfonie in unbefriedigender Brüchigkeit<br />

erklang.<br />

Auch wenn man sich zu furiosen<br />

Schlusssätzen zusammenraufte: Ein<br />

dramaturgischer Bogen über die jeweilige<br />

Sinfonie oder gar über alle<br />

drei hinweg, die Robin Ticciati als<br />

Trilogie verstanden wissen möchte,<br />

mochte sich nicht einstellen. EinExperiment,<br />

an dem –soweit zu sehen<br />

–immerhin die Musikerinnen und<br />

Musiker des DSO ihren Spaß hatten.

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