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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 270 · M ittwoch, 2 0. November 2019<br />
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Berlin<br />
Glitzernde Zirkuswelt, erfolgreich auch ganz ohne Tiere: Bernhard Paul und seine Tochter Lili Paul bei der Vorstellung des diesjährigen Programms.<br />
CHRISTIAN SCHULZ<br />
40 000 Karten sind schon weg<br />
Der Roncalli-Weihnachtscircus kommt zum 16. Mal in die Stadt. Der Vorverkauf läuft so gut, dass schon eine Zusatzvorstellung angesetzt werden musste<br />
VonAndreas Kurtz<br />
Bernhard Paul, der Gründer<br />
und Chef vomCircus Roncalli<br />
und im Mai 73Jahre<br />
alt, hat in den vergangenen<br />
Jahrzehnten viele traditionsreiche<br />
Zirkusunternehmungen von der<br />
Bildfläche verschwinden sehen. Er<br />
hat zwei Hauptgründe dafür ausgemacht,<br />
wie er am Dienstag in Hörweite<br />
seiner Tochter Lili Paul-Roncalli<br />
bei der Vorstellung des Programms<br />
vom diesjährigen Roncalli<br />
Weihnachtscircus im Tempodrom<br />
erzählte.Größtes Problem vieler Zirkusse,die<br />
untergingen, sei ihr starres<br />
Beharren auf dem Alten: „Man muss<br />
sich aber immer neu erfinden. Und<br />
außerdem muss es in der Familie Interesse<br />
geben, das weiterzuführen.“<br />
Hörbar stolz erzählt Bernhard<br />
Paul, dass es ihm diese Saison gelungen<br />
sei, seine drei Kinder nach Berlin<br />
zu locken. Sie treten während des<br />
Gastspiels vom 19. Dezember bis<br />
zum 5. Januar mit eigenen und einer<br />
gemeinsamen Nummer auf. Die<br />
Kinder schnuppern indie verschiedenen<br />
Bereiche hinein. Bei Lili<br />
zeichnet sich eine Richtung für spätereBetätigungen<br />
ab: „Mir gefällt besonders<br />
der Eventbereich und alles,<br />
was mit Kostümen zu tun hat.“<br />
Auf einige Besonderheiten bei<br />
seinem Zirkus ist Bernhard Paul besonders<br />
stolz: „Wir sind tier- und<br />
plastikfrei.“ Mit kreativen Ideen und<br />
dem Verzicht auf Tiere schaffte er es<br />
in 145 Ländern indie Nachrichten:<br />
Mit holografischer Technik zaubert<br />
BernhardPaul in seinem Tourneezirkus<br />
Elefanten und Pferde in die Manege.<br />
ImZelt funktioniert das schon<br />
ganz gut und sorgt zuverlässig für<br />
Staunen, an einer Umsetzung für das<br />
viel größere Tempodrom wird noch<br />
gearbeitet. Dass es mit den Plastikverpackungen<br />
nicht so weitergehen<br />
konnte, begriff der Zirkusdirektor in<br />
seinem jährlichen Ayurveda-Urlaub<br />
in Sri Lanka: „Was dort imMeer an<br />
Plastik herumschwimmt, ist nicht zu<br />
ertragen. Wenn man vernünftig ist,<br />
dann braucht man das nicht.“ So<br />
gibt es das Popcorn bei ihm im Zirkus<br />
jetzt nicht mehr im Kunststoffschlauch:<br />
„Wir tun das in hübsch bedruckte<br />
Papiertüten, die inzwischen<br />
zu Sammlerobjekten geworden sind.<br />
Aus denen schmeckt das Popcorn<br />
sogar noch besser.“<br />
Auch im 16. Weihnachtscircus-<br />
Jahr schafft es das hiesige Publikum<br />
noch, den Roncalli-Gründer zu<br />
überraschen. Es wurden so viele Tickets<br />
im Vorverkauf erworben wie<br />
„Wir sind tier- und plastikfrei. WasimMeer<br />
an Plastik herumschwimmt, ist nicht zu ertragen.<br />
Wenn man vernünftig ist, dann braucht<br />
man das nicht.“<br />
Bernhard Paul, Gründer und Chef des Circus Roncalli<br />
noch nie zuvor. Fast 40 000 Karten<br />
sind schon weg, für den 26. Dezember<br />
hat der Direktor inzwischen eine<br />
zusätzliche 11-Uhr-Vorstellung angesetzt,<br />
um den Andrang bewältigen<br />
zu können. Solche Erfahrungen ermutigen<br />
ihn darin, weiter über ein<br />
Sommergastspiel in Berlin mit dem<br />
Zirkuszelt und den fast 200 historischen<br />
Zirkuswagen nachzudenken.<br />
Allerdings gibt es ein Problem, das<br />
sich in der deutschen Hauptstadt<br />
seit vielen Jahren stellt: „Wir brau-<br />
chen einen passenden Platz.“ Undes<br />
geht ihm dabei längst nicht nur um<br />
eine ausreichend große Fläche,<br />
Bernhard Paul erwartet auch eine<br />
zentrale Lage.AnÖsterreichs Hauptstadt<br />
könne man sich da gern ein<br />
Beispiel nehmen: „In Wien stehen<br />
wir auf dem Rathausplatz. DieHürde<br />
ist also hoch.“ In Berlin gibt es einen<br />
sogenannten „Zentralen Festplatz“,<br />
der nicht zentral liegt.<br />
Für ein Herzensprojekt kam Berlin<br />
nicht in die engere Wahl. Bernhard<br />
Paul besitzt eine der weltweit<br />
größten Sammlungen an Objekten<br />
mit Bezug zum Zirkus im weiteren<br />
Sinne,wozuauch das letzte Filmkostüm<br />
von Marlene Dietrich und die<br />
letzte für David Bowie extraangefertigte<br />
Gitarregehören. Mitder Idee für<br />
ein Museum unter dem Titel „Boulevard<br />
of broken dreams“ ging Paul vor<br />
vielen Jahren erfolglos hausieren.<br />
Anfangs hieß es in Wien: Das machen<br />
wir. Dann wechselte dort die<br />
Stadtregierung. Nun entsteht dieses<br />
Haus auf dem Platz des langjährigen<br />
Roncalli-Winterquartiers in Köln.<br />
Dasmacht alles viel Arbeit. Bernhard<br />
Paul nennt das als Grund dafür,dass<br />
er nicht in seiner Paraderolle als<br />
Clown Zippo zum Programm von<br />
seinem Weihnachtscircus gehört.<br />
Wobei er das Vorhaben, noch mal<br />
mit seinen Kindern gemeinsam in<br />
der Manege zu stehen, nicht zu den<br />
Akten gelegt hat: „Darüber denken<br />
wir nach.“<br />
Kai Eikermann, ein aus Berlin<br />
stammender Künstler, der seit Jahrenzum<br />
Circus Roncalli gehört, wird<br />
mit dem Weihnachtscircus zum ersten<br />
Malinseiner Heimatstadt gastieren.<br />
BernhardPaul gerät ins Schwärmen:<br />
„Der ist unglaublich. Er hat<br />
Luft- und Raumfahrtstudiertund ist<br />
bei der Breakdance-Comedy gelandet.<br />
Wir haben aber auch einen<br />
Clown, der Autodesigner war. Der<br />
hat den Ford Ka entworfen.“ Undwo<br />
wird der Zirkus 2030 oder 2040 stehen?<br />
Pauls jüngste Tochter Lili verweist<br />
auf Papas Erkenntnis: „Ermuss<br />
sich immer wieder neu erfinden.“<br />
Der Wegnach oben<br />
Die Fusion von Charité und Deutschem Herzzentrum soll Berlin in die Spitzenklasse der europäischen Medizinstandorte katapultieren. Doch die künftigen Partner fremdeln noch<br />
VonElmar Schütze<br />
So soll das neue Universitäre Herzzentrum Berlin einmal aussehen.<br />
HDR ARCHITEKTEN<br />
Berlin hat sich auf den Weg gemacht.<br />
Auf den Weg zueinem<br />
der wichtigsten Medizinstandorte<br />
Europas. Diesen Anspruch hat der<br />
Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator<br />
Michael Müller<br />
(SPD) am Dienstag erneut bekräftigt.<br />
Ein Schlüssel ist die geplante Verschmelzung<br />
von Charité und Deutschem<br />
Herzzentrum (DHZB). Doch<br />
bisher sind nicht alle Beteiligten mit<br />
der Firmenkonstruktion des neuen<br />
Universitären Herzzentrums Berlin<br />
(UHZB) uneingeschränkt glücklich.<br />
Die finanziellen Rahmendaten<br />
sind seit Ende vergangenerWoche fixiert:<br />
Das Land Berlin finanziert das<br />
UHZB mit 286,9 Millionen Euro.Nun<br />
sagte der Bundestag weitere100 Millionen<br />
Euro zu. Müller und auch sein<br />
Wissenschaftsstaatssekretär Steffen<br />
Krach weisen seitdem immer wieder<br />
darauf hin, wie ungewöhnlich doch<br />
eine solche direkte Zuwendung des<br />
Bundes an eine universitäreEinrichtung<br />
sei. Diese beweise endgültig,<br />
dass das künftige UHZB eine Einrichtung<br />
von mindestens nationalem<br />
Rang darstelle.<br />
Durch die 100-Millionen-Spritze<br />
vom Bund kann auf die zuvor geplante<br />
Kreditaufnahme von100 Millionen<br />
Euro durch das DHZB verzichtet<br />
werden. Dennoch stehen für<br />
das UHZB insgesamt knapp 400 Millionen<br />
zur Verfügung.<br />
Das gesamte kommende Jahr ist<br />
für Planung vorgesehen. Ab 2021 soll<br />
dann auf dem Campus des Virchow<br />
Klinikums in Wedding der Neubau<br />
mit 13 OP-Sälen und 8Herzkatheter-<br />
Laboren entstehen. Am Ende sollen<br />
380 Betten für die Patienten bereitstehen<br />
–144 davon auf der Intensivstation.<br />
Nach Müllers Worten ist von<br />
rund fünf Jahren Bauzeit auszugehen,<br />
Ende 2027 oder Anfang 2028<br />
soll der Baufertig sein.<br />
Doch in dieser Zeit können nicht<br />
nur die in Berlin oft auftretenden<br />
baulichen Unwägbarkeiten wie Verzögerungen<br />
und daraus resultierende<br />
Kostensteigerungen für Ärger<br />
sorgen. Auch die juristische Ausgestaltung<br />
ist nicht unumstritten.<br />
Tatsächlich stellt sich die Ehe<br />
zweier fachlich exzellenter Einrichtungen,<br />
dem Landesbetrieb<br />
(Charité) und der Stiftung (DHZB),<br />
als überaus kompliziert heraus. Dabei<br />
spielen auch Eitelkeiten eine<br />
Rolle. Keiner möchte die zweite<br />
Geige spielen –oder wenn es schon<br />
so ist, soll es wenigstens gesichtswahrend<br />
geschehen.<br />
Drei Varianten sind derzeit prinzipiell<br />
im Gespräch, von denen aber<br />
nur zwei eine echte Chance auf Realisierung<br />
haben: Denkbar ist zum<br />
Beispiel eine Integration des DHZB<br />
in die Charité, jedoch versehen mit<br />
einer vertraglich fixierten weitgehenden<br />
Autonomie des Herzzentrums.Möglich<br />
ist auch eine Körperschaft<br />
des öffentlichen Rechts –eine<br />
rechtlich selbstständige Organisationseinheit.<br />
DasDHZB hat lange Zeit<br />
an der Idee einer GmbH festgehalten.<br />
Doch die Aussichten darauf sind<br />
gleich Null, käme das doch einer Privatisierung<br />
der landeseigenen<br />
Charité gleich. Undgenau dies ist in<br />
Zeiten einer rot-rot-grünen Koalition,<br />
die alle Signale auf Rekommunalisierung<br />
gestellt hat, schlichtweg<br />
undenkbar. Sooder so erwartet der<br />
Senat, dass sich beide Seiten bis spätestens<br />
Anfang nächsten Jahres auf<br />
ein Konstrukt einigen.<br />
Dass solche Fragen viel Sprengkraft<br />
bergen, hat sich im Fusionsprozess<br />
immer wieder gezeigt. So sah es<br />
Ende 2017 nach einem kompletten<br />
Scheitern aus, weil das DHZB mit<br />
seiner überragenden Expertise auf<br />
dem Gebiet der Herz- und Gefäßoperationen<br />
fremdelte. Erst eine<br />
nachhaltige Intervention vonMüller<br />
und Krach brachte eine grundsätzlichen<br />
Einigung.<br />
Erst im Sommer diesen Jahres<br />
musste der Kaufmännische Direktor<br />
des DHZB, Marcus Polle, gehen.<br />
Grund waren interne inhaltliche<br />
Auseinandersetzungen. Auch bei der<br />
Frage nach dem nun nicht mehr benötigten<br />
100-Millionen-Kredit soll<br />
Polle sich quergestellt haben.<br />
Am Dienstag stellte Müller die<br />
Gründung des UHZB in einen Zusammenhang<br />
mit dem Tesla-Deal<br />
Brandenburgs aus der vorigen Woche.<br />
Auch dieser sei nur wegen „der<br />
hervorragenden Wissenschafts- und<br />
Forschungslandschaft der Stadt“ zustande<br />
gekommen. Das Potenzial<br />
Berlins mit seinen mehr als 200 000<br />
Studenten und den unzähligen Ingenieuren<br />
werde weltweit wahrgenommen.„Das<br />
ist der Grund, warum<br />
Herr Musk getwittert hat: Giga Berlin!“,<br />
so Müller.