ruhrtriennale_2020_programmbuch
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Stille und Umkehr von Bernd Alois Zimmermann vermag wie kaum ein anderes
Werk der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Strahlkraft der Töne,
direkte Emotionalität und biografische Tragik eindrücklich zu vereinen.
Es ist die letzte Orchesterkomposition Zimmermanns, geschrieben kurz vor
dessen freiwilligem Tod, der sich 2020 zum 50. Mal jährt. Der von Anfang
bis Ende umspielte Ton „d“ schraubt sich wie ein Tinnitus ins Gehirn und
setzt eine bohrende Ton-Meditation in Gang. Die von Zimmermann ein
Leben lang kompositorisch verfolgte „Kugelgestalt der Zeit“ – die Gleichzeitigkeit
von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – wird hier für Momente
greifbar.
Auch die 6. Sinfonie von Gustav Mahler zeigt, wie aus persönlichem
Schicksal Musik werden kann. Gewalt schlägt hier wie mit einem Riesenhammer
in Zärtlichkeit um und Zärtlichkeit in Gewalt. Das 85 Minuten dauernde
monumentale Werk, entstanden zwischen 1903 und 1904, zeichnet
in seiner schroffen Direktheit den Weg in die Moderne vor.
No other work of the second half of the 20th century so emphatically unites
radiance of sound, direct emotion and biographical tragedy as much as
Stille und Umkehr by Bernd Alois Zimmermann. It is Zimmermann’s final
orchestral composition, written shortly before his suicide, whose 50th anniversary
falls in 2020. The tone D that is played from beginning to end
burrows into the brain like tinnitus and sets off a persistent meditation on
that tone. For a moment it is possible to appreciate the “sphericity of time”
which Zimmermann pursued throughout his composing career – where
past, present and future are united in time.
Gustav Mahler’s 6th Symphony also shows how personal suffering can
be turned into music. As if struck by a giant hammer, violence switches
abruptly into tenderness and tenderness into violence. In its ruggedly direct
nature, this monumental work lasting 85 minutes, written between 1903 and
1904, is a herald of the modern age to come.
66