SPORTaktiv Bikeguide 2020
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Fotos: Christoph Malin<br />
und Tests für KTM und die Gründung<br />
einer kleinen Beratungsfirma mit Lutz<br />
Scheffer (Leiter Design- und Entwicklungscenter<br />
Rotwild Bikes, Garmisch).<br />
Lutz ist der gleiche Bike-Fanat wie ich,<br />
wir denken E-MTB 24/7, testen, sind<br />
für unsere Kunden rund um Garmisch<br />
oder Innsbruck unterwegs und fasziniert<br />
von der neuen Sportart EMTB, die das<br />
klassische MTB neu denkt, ergänzt und<br />
weiterentwickelt. Ich manage für Simplon<br />
in Vorarlberg das E-MTB Factory-Team.<br />
Hier helfe ich mit meinem<br />
Team bei der Entwicklung mit.<br />
Viele unserer klassischen MTB-Touren<br />
haben wir mit dem E-MTB neu<br />
denken müssen, und sie auf neue Art<br />
und Weise kombiniert. Aus einer 1-Gipfel<br />
1-Hütte-Tour und Anreise mit dem<br />
Auto werden jetzt 2-Täler-2-Überschreitungen<br />
und Anreise mit dem Bike, Abfahrt<br />
von der Haustür. So effizient und<br />
leistungsfähig sind die aktuellen Motoren<br />
und Batterien schon. Was uns völlig<br />
neue Möglichkeiten eröffnet. Speziell<br />
das Auto bleibt – in Kombination mit<br />
Zug – einfach stehen.<br />
Die Fahrtechnik ist natürlich ein weiteres<br />
Thema. Im Detail ändert sie sich<br />
bergab beim E-MTB nur wenig, aber<br />
bergauf ist alles neu und spannend: War<br />
für uns früher die Abfahrt das wichtigste,<br />
die Auffahrt auf einer Tour Mittel<br />
zum Zweck, so hat sich das komplett geändert.<br />
Dank E-MTB sind Auffahrt und<br />
Abfahrt gleichermaßen interessant, die<br />
Abfahrten sogar teilweise gar nicht mehr<br />
soo wichtig, man kennt sie eh und hat<br />
sie schon hundertmal gemacht. Bergauf<br />
suchen wir uns passende, einsame Wege<br />
und trialen diese hoch, erweitern und<br />
erproben unsere Fahrtechnik und haben<br />
so Workouts, die es so beim klassischen<br />
MTB noch nicht oder nur sehr, sehr selten<br />
gab. Denn früher haben wir Wege,<br />
die wir heute hochtrialen, meist sofort<br />
hochgetragen. Trial-Stars wie Stefan<br />
Schlie haben sich viele Gedanken über<br />
E-MTB-Uphill-Fahrtechnik gemacht<br />
und es ist erstaunlich, was hier alles<br />
möglich wird. Aber natürlich ist das etwas<br />
für Alpinspezialisten. Der Großteil<br />
genießt seine Feierabend- oder Wochenendrunde<br />
zur Einkehr auf Hütten und<br />
CHRISTOPH MALIN<br />
ist in seiner Freizeit und<br />
beruflich viel in Sachen<br />
(E-)MTB unterwegs:<br />
Journalismus, Tourismus,<br />
Umsetzung von MTB-<br />
Projekten, Tests für die<br />
Fahrradindustrie, Mitbegründer<br />
der MTB-Ausbildung<br />
beim Alpenverein,<br />
E-Bike-Entwicklung.<br />
Almen und das ist super so. Doch<br />
„Uphillflow“ definiert einen Teilaspekt<br />
des MTB-Sports neu.<br />
Spannend ist natürlich die Akku-Planung:<br />
„Wie auf dem Mount Everest die<br />
Sauerstoffflaschen“, wie ein Kollege einmal<br />
ironisch bemerkte, haben wir uns<br />
ein Gefühl für die Höhenmeter-Reichweite<br />
unserer Bikes und der verwendeten<br />
Motoren erarbeiten müssen. Je nach<br />
Unterstützungsstufe „verheizen“ manche<br />
Motoren regelrecht Akkus, machen<br />
schon nach 700 bis 800 Höhenmetern<br />
schlapp, andere sind supereffizient und<br />
thermisch belastbar, halten 1300 bis<br />
1500 hm pro Akku (abhängig vom Fahrergewicht<br />
und der gewählten Unterstützungsstufe).<br />
Das ist dann eine ganz<br />
andere Planung.<br />
Große Reichweiten<br />
Besonders angetan bin ich vom aktuellen<br />
Bosch-Dual-Battery-System, wo der<br />
aktuelle 625-Wh-Akku mit einem optionalen<br />
klassischen 500-Wh-Akku kombiniert<br />
wird, für 1125 Wh. Alter Schwede,<br />
damit lässt sich auf großen Alpintouren,<br />
Transalp-Routen oder weiten Runden<br />
richtig etwas anfangen und der Rucksack<br />
ist wieder leicht. Dazu noch ein<br />
kleines Reiseladegerät und der Biketag<br />
kann im Hochsommer auch mal auf 8<br />
Stunden, 50 km und 5000 hm ausgedehnt<br />
werden. Damit kommt auch eine<br />
Super-Fitness, und ein klarer Kopf. Ausbrennen<br />
und überanstrengen war gestern,<br />
müde wird man trotzdem, das<br />
E-MTB ermöglicht eine präzise Trainingssteuerung<br />
und entwickelt sich nebenbei<br />
zum Multitool im Reha-Bereich.<br />
Ich finde aber auch spannend, in welche<br />
Richtungen sich das E-MTB aktuell entwickelt.<br />
Die feinen E-All-Mountainund<br />
E-Enduro-Bikes werden ergänzt<br />
durch sehr leichte, minimal motorisierte<br />
Bikes mit kleinen Batterien. So findet jeder<br />
zu seinem E-MTB-Stil und Glück.<br />
Lässig!<br />
Für all das bin ich dem E-MTB unendlich<br />
dankbar. Ich habe noch 30 Jahre<br />
zum Biken, dann bin ich 80 Jahre alt.<br />
Bis dahin werde ich maximal viele Touren<br />
fahren und so viel es geht in den<br />
Bergen unterwegs sein. Es gibt noch so<br />
unendlich viele neue Touren zu erfahren.<br />
Dann wird es aus meiner Sicht keine<br />
Unterscheidung MTB/E-MTB mehr<br />
geben, alle Bikes haben wohl um die 16-<br />
17 kg, einen superleichten, effizienten,<br />
sehr dynamischen, im Bedarfsfall leistungsstarken,<br />
aber auch samtweich zu<br />
fahrenden Motor und noch einmal<br />
deutlich mehr Reichweite.<br />
Da werden wir alten Knacker noch<br />
lange fröhlich weiterfahren, Sonnenuntergänge<br />
auf unseren geliebten Hütten<br />
genießen und zurückschauen auf ein Bikeleben,<br />
wie es aufregender und schöner<br />
nicht hätte sein können. Hätten wir<br />
bloß diese geilen Bikes schon in den<br />
80er-Jahren gehabt! Ihr habt ja alle keine<br />
Ahnung, was für ein Glück ihr mit modernen<br />
E-MTBs habt!<br />
;-) Gern geschehen. Ride on!<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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