SPORTaktiv Bikeguide 2020
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ODE AN DIE<br />
BEINBEHAARUNG<br />
RENNRADFAHRER TUN ES. MOUNTAINBIKER NICHT. AUSSER,<br />
SIE FAHREN RENNEN IN HAUTENGEN HOSEN. AUCH KOMISCH.<br />
DIE NEUEN GRAVELBIKER SCHWANKEN NOCH. WARUM RASIEREN<br />
SICH ERWACHSENE MÄNNER EIGENTLICH DIE BEINE? GLATTE<br />
LÜGEN, HAARIGE DETAILS UND NICHT GANZ ERNST GEMEINTE<br />
RASURTIPPS VON CHRISTOPH HEIGL.<br />
Willkommen in der<br />
Runde der seltsam<br />
Veranlagten. Beginnen<br />
wir damit, diesen Artikel<br />
mit einem<br />
Soundtrack zu hinterlegen. Es empfiehlt<br />
sich, etwa das Musical „Hair“ in angemessener<br />
Lautstärke zu hören. Alternativ<br />
könnte „Hair Metal“ von Poison oder<br />
Warrant hilfreich sein, „Gib des Bandl<br />
aus die Haar“ sowieso und für etwas<br />
volkstümlicher Gepolte der Hit „Beuge<br />
dich vor grauem Haar“ (Die Ladiner,<br />
wer’s kennt). Haarig geht es auch bei<br />
den Dänen-Rockern von D.A.D. und<br />
ihrer trotzigen Teenagerhymne „I won’t<br />
cut my hair“ zu. Gut, die Jungs nennen<br />
sich ausgeschrieben „Disneyland after<br />
Dark“ und das deutet sicher auf mehrere<br />
nicht aufgearbeitete Traumata hin. Für<br />
„Legs“ von ZZ Top muss man Ü18 sein.<br />
Musik läuft?<br />
Also eigentlich liebe ich meine Haare.<br />
Am Kopf, im Gesicht, unter … Nun<br />
gut, fast überall, auch auf meinen Beinen,<br />
wo es reichlich sprießt. Diese Beinbehaarung,<br />
die im Winter wohlige Wärme<br />
spendet, evolutionsbiologisch daran<br />
erinnert, warum Tiere ein Fell (oder Federn,<br />
aber das wäre eine eigene Story …)<br />
haben, das lange Unterhosen oder –<br />
Gott bewahre – Strumpfhosen überflüssig<br />
macht, ist jetzt im beginnenden<br />
Sommer gefährdet. Denn die Radsaison<br />
startet. Und damit die Saison der kurzen<br />
Hosen und nackten Schenkel.<br />
Als Mountainbiker null Problemo,<br />
wie mein sehr behaarter Jugendfreund<br />
vom Melmac sagen würde. Biker sind ja<br />
historisch die Fun-Fraktion der Radfahrer,<br />
rasierte Beine hat es da nie gegeben,<br />
warum auch? Allerdings hat die spaßbefreite<br />
Wettkampfszene dann doch etwas<br />
aus dem Radsport der Rennradfahrer<br />
importiert, was sich später einmal als einer<br />
der größten Irrtümer der Geschichte<br />
herausstellen wird: rasierte Ober- und<br />
Unterschenkel bei Männern, die Radrennen<br />
fahren. Bitte, der Damenwelt<br />
soll es unbenommen bleiben, ihre zarten<br />
Körper von gelegentlichen Härchen zu<br />
befreien. Aber die Männer, die ersten<br />
Nachfahren von King Kong und Orang-<br />
Utan? Mit der Venus in der Hand? Wo<br />
wir doch vom Mars kommen? Man stelle<br />
sich den TV-Spot von Gilette mit<br />
überkreuzten Männerbeinen vor …<br />
Aber auch ich bin schwach geworden.<br />
Zum ersten Mal, weil man beim<br />
MTB-Rennen in Hintergumpfenbach in<br />
den 90ern so richtig „Pro“ ausschauen<br />
wollte. Die Kumpels haben sich totgelacht.<br />
Statt einem braungebrannten Pro<br />
ist ein gerupftes Hendl in Rosa vor ihnen<br />
gestanden. Aber sie haben dann<br />
auch rasiert. Und zuletzt jetzt wieder, als<br />
der Herr Verkaufsleiter dieses Magazins<br />
(Name und Anschrift bekannt) das<br />
sündhaft teure S-Works-Rennrad zum<br />
Testen nur mit folgender Bedingung herausrücken<br />
wollte: „Für ein S-Works<br />
Ultimate musst du dir die Haxn rasieren.“<br />
Man bringt Opfer.<br />
Aber diese demütigende Prozedur des<br />
Rasierens. „Papa…?“, fragen die Kinder<br />
leise, wenn sie mich erhaschen. Würden<br />
sie mich aus einem syrischen Folterkeller<br />
mitten im Waterboarding befreien, ihr<br />
Blick könnte nicht mehr Mitleid ausstrahlen.<br />
Aber Rennradfahren in engen<br />
<strong>SPORTaktiv</strong><br />
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