G. Pico della Mirandola Über die Würde des Menschen - Lalegion ...
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XX August Buck<br />
Erbsünde noch von der Notwendigkeit der Gnade Gottes<br />
<strong>die</strong> Rede ist; eine Selbsterlösung <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong>, begründet<br />
auf dem humanistischen Vertrauen in <strong>die</strong> Perfektibilität der<br />
menschlichen Natur aus eigener Kraft.<br />
Wenn der Mensch in Umkehrung <strong>des</strong> scholastischen Prin-<br />
zips »operari sequitur esse« – »das Handeln folgt dem Sein«<br />
– sein Wesen erst durch sein Handeln verwirklicht, so gilt<br />
das für den schöpferischen <strong>Menschen</strong>, <strong>des</strong>sen Prototyp <strong>Pico</strong><br />
im produktiven Denker erblickt. Indem er seinen eigenen<br />
geistigen Bildungsweg gleichsam nocheinmal durchläuft,<br />
unterscheidet er verschiedene Stufen eines zur vollkomme-<br />
nen »dignitas« führenden geistigen Itinerariums. Es beginnt<br />
mit der Ethik, welche <strong>die</strong> Leidenschaften in Schach hält;<br />
darauf folgt <strong>die</strong> Dialektik, welche <strong>die</strong> Vernunft von jeglicher<br />
Verfinsterung befreit; beide Disziplinen zusammen bewir-<br />
ken <strong>die</strong> Reinigung der Seele. Die gereinigte Seele ist dann für<br />
<strong>die</strong> Lehren der Metaphysik empfänglich und schließlich auf<br />
der letzten Stufe <strong>des</strong> Weges aufgeschlossen für <strong>die</strong> von der<br />
Theologie gewährte volle Erkenntnis Gottes und <strong>des</strong> Univer-<br />
sums.<br />
<strong>Pico</strong>s geistige Welt ist <strong>die</strong> Welt <strong>des</strong> philosophischen Den-<br />
kens im weitesten Sinn, das auch <strong>die</strong> Lehren der großen<br />
Religionen einbegreift. Dieses Denken ist auf keine be-<br />
stimmte Richtung festgelegt. Es ist das Zeichen eines engen<br />
Geistes, sich in einer Schule abzukapseln. »Ich aber habe<br />
mich selbst dahingehend unterwiesen, auf <strong>die</strong> Worte keines<br />
Meisters der Philosophie zu schwören, sondern meine Auf-<br />
merksamkeit auf alle auszudehnen, sämtliche Schriften zu<br />
durchforschen, alle Schulen kennenzulernen«. 33 Diese Wei-<br />
te <strong>des</strong> Horizonts erlaubt es, von dem zu profitieren, was<br />
jede Philosophenschule an Besonderem hat. Diese Beson-<br />
derheiten demonstriert <strong>Pico</strong> an einer langen Reihe von Phi-<br />
losophen der Antike und <strong>des</strong> Mittelalters. Gerade <strong>die</strong> Be-<br />
rücksichtigung einer möglichst großen Zahl von Lehrmei-<br />
nungen verleiht der philosophischen Diskussion »jenen<br />
33 De hominis dignitate, 43.