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G. Pico della Mirandola Über die Würde des Menschen - Lalegion ...

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<strong>Über</strong> <strong>die</strong> <strong>Würde</strong> <strong>des</strong> <strong>Menschen</strong> 29<br />

nachdem wir mit Hilfe der Ethik das Trachten nach über-<br />

flüssigen Lüsten ausgeschieden und <strong>die</strong> langen Nägeln glei-<br />

chenden überstehenden Spitzen <strong>des</strong> Zorns und <strong>die</strong> Stacheln<br />

<strong>des</strong> Hochmuts beschnitten haben, erst dann sollen wir be-<br />

ginnen, den heiligen Handlungen, das heißt den Mysterien<br />

<strong>des</strong> Bacchus, <strong>die</strong> ich erwähnt habe, beizuwohnen und für <strong>die</strong><br />

Betrachtung <strong>des</strong>sen frei zu sein, als <strong>des</strong>sen Vater und Führer<br />

zu Recht der Sonnengott Sol genannt wird. Schließlich wird<br />

er uns ermahnen, daß wir den Hahn füttern, das heißt den<br />

göttlichen Teil unserer Seele durch <strong>die</strong> Erkenntnis der göttli-<br />

chen Dinge wie mit kräftiger Speise und himmlischer Am-<br />

brosia nähren sollen. Dies ist der Hahn, <strong>des</strong>sen Anblick der<br />

Löwe, das heißt alle irdische Gewalt, schaudernd fürchtet<br />

und scheut. Dies der Hahn, von dem wir bei Hiob lesen, daß<br />

ihm Einsicht gegeben sei. Wenn <strong>die</strong>ser Hahn kräht, kommt<br />

der irrende Mensch wieder zur Besinnung. Dieser Hahn<br />

stimmt jeden Tag in der Morgendämmerung, wenn <strong>die</strong><br />

Morgensterne den Herrn loben, in ihre Melo<strong>die</strong> ein. Von<br />

<strong>die</strong>sem Hahn sagte der sterbende Sokrates, als er <strong>die</strong> Gött-<br />

lichkeit seines Geistes mit der Göttlichkeit der größeren<br />

Welt zu verbinden hoffte, daß er ihn Äskulap, das heißt dem<br />

Arzt der Seelen, schulde, da er sich schon außer jeder Gefahr<br />

durch Krankheit befand.<br />

Laßt uns auch <strong>die</strong> Schriften der Chaldäer durchgehen.<br />

Wir werden sehen (wenn man ihnen glaubt), daß den Sterb-<br />

lichen der Weg zur Glückseligkeit über <strong>die</strong>selben Künste<br />

offensteht. Die chaldäischen Erklärer überliefern als ein<br />

Wort <strong>des</strong> Zarathustra, <strong>die</strong> Seele sei geflügelt, und wenn <strong>die</strong><br />

Flügel abfielen, stürze sie jählings in den Körper; wenn sie<br />

dann nachwüchsen, fliege sie zu den Göttern zurück. Als ihn<br />

seine Schüler fragten, auf welche Weise sie eine flugfähige<br />

Seele mit sich gut befiedernden Flügeln erlangen könnten,<br />

sagte er: »Besprengt eure Flügel mit den Wassern <strong>des</strong> Le-<br />

bens.« Als sie wiederum wissen wollten, woher sie <strong>die</strong>se<br />

Wasser nehmen sollten, antwortete er ihnen folgenderma-<br />

ßen mit einem Gleichnis (was eine Gewohnheit <strong>die</strong>ses Man-<br />

nes war): »Von vier Strömen wird das Para<strong>die</strong>s Gottes

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