DER KONSTRUKTEUR 10/2020
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KONSTRUKTIONSELEMENTE<br />
Energieketten recyceln und Kunststoff wieder in Erdöl verwandeln<br />
– der Motion-Plastics-Experte Igus macht aktuell<br />
Schlagzeilen mit verschiedenen Projekten im Bereich Nachhaltigkeit.<br />
Aber was steckt dahinter?<br />
Fakt ist: Kunststoffe haben insgesamt einen schlechten Ruf, was<br />
die Umweltverträglichkeit angeht. Igus sieht sich als Spezialist für<br />
Tribokunststoffe hier in der Verantwortung und möchte dem entgegenwirken.<br />
„Unsere Aufgabe ist es, diesen, aus unserer Sicht sehr<br />
wertvollen, Rohstoff so zu begleiten, dass die negativen Effekte<br />
minimiert oder vielleicht sogar eliminiert werden“, sagt Igus-Chef<br />
Frank Blase. „Und zwar über den ganzen Lebenszyklus hinweg, von<br />
der Herstellung über den Betrieb bis nach Erreichen der Lebensdauer.“<br />
Einige Punkte hat Igus dabei schon lange im Blick. Andere<br />
Aspekte, wie speziell die Frage „was passiert mit unseren Produkten<br />
nach Ablauf der Nutzung?“ hat das Unternehmen neu in den Fokus<br />
genommen. „Ich hatte da bisher ehrlich gesagt nicht so viel Wert<br />
darauf gelegt“, gibt der dynamische Firmen-Chef offen zu. Wie in<br />
der öffentlichen Wahrnehmung, so hat auch bei Frank Blase in<br />
puncto Umweltschutz ein Wandel stattgefunden. Heute sagt er:<br />
„Das Thema Nachhaltigkeit muss man zu Ende denken“ und ergänzt:<br />
„Es muss sich lohnen, sonst wird es nicht funktionieren. Die<br />
Dinge, die wir tun, müssen messbar sein und wirklich etwas nützen!<br />
Das ist der Maßstab, den wir immer wieder anzulegen haben.“<br />
HERSTELLUNG<br />
„Im Bereich Herstellung stehen technische Kunststoffe gar nicht<br />
schlecht da“, sagt Frank Blase. „Sie haben eine um ca. 50 % bessere<br />
Energiebilanz als Stahl oder Aluminium.“<br />
Um die Ökobilanz weiter zu verbessern, hat Igus bereits vor zehn<br />
Jahren nach Alternativen gesucht. „Das Thema nachwachsende<br />
Rohstoffe war damals in aller Munde, in den Medien, überall. Und<br />
dann haben wir uns umgeschaut, ob man da etwas machen kann.“<br />
2011 hat der Kunststoffspezialist schließlich ein Gleitlager aus<br />
Iglidur N54 vorgestellt, einem Werkstoff, der zu 54 % auf nachwachsenden<br />
Rohstoffen basiert. Gute Reibwerte gepaart mit Standzeiten,<br />
die den Serieneinsatz in sporadisch bewegten Anwendungen erlauben,<br />
gaben diesem Werkstoff einen festen Platz im Programm des<br />
Anbieters. Allerdings lässt die Nachfrage nach dem grünen Lager<br />
über all die Jahre zu wünschen übrig. „Aber das kann und wird sich<br />
vielleicht noch ändern“, hofft Frank Blase. „Ich denke, es ist gerade<br />
für Branchen, die konsumentennah sind, wie zum Beispiel die<br />
Möbelindustrie, interessant.“<br />
Im Zuge des Umdenkens in 2019 wurde dann eine Arbeitsgruppe<br />
ins Leben gerufen, die sich in Projektarbeit mit dem Umweltschutz<br />
im Unternehmen beschäftigt. Einige Vorschläge wie Fahrgemeinschaften,<br />
umweltfreundliches Druckerpapier usw. wurden umgesetzt.<br />
In diesem Rahmen entstand auch die Idee einer Umweltzertifizierung<br />
des Unternehmens. „Hinzu kam, dass mehrere größere<br />
Kunden gesagt haben: ‚Wenn die Firma Igus nicht nach 14 001 zertifiziert<br />
ist, dürfen wir keine Projekte mehr platzieren‘“, berichtet<br />
Quality Manager Jörg Krüger, der bei Igus für die ISO-Zertifizierung<br />
verantwortlich ist. Mitte April <strong>2020</strong> wurde das Umweltzertifikat<br />
ISO 14 001 : 25 dann an Igus Deutschland vergeben. Jörg Kürger<br />
betont: „Ein wichtiger Bestandteil der ganzen Zertifizierung dieser<br />
Managementsysteme ist ja die ständige Verbesserung. Letztlich ist<br />
das für uns auch eine Kontrollfunktion, der Druck von außen, uns<br />
ständig weiterzuentwickeln.“ Im Rahmen der Zertifizierung werden<br />
Umweltaspekte ermittelt, um festzustellen, in welchen Bereichen das<br />
Unternehmen den größten Einfluss auf irgendwelche Umweltfaktoren<br />
hat. Bei Igus liegt der Fokus auf dem Spritzgieß-Prozess, der sehr<br />
energieintensiv ist.<br />
Mit der Umsetzung der Maßnahmen ist Angelina Donner betraut.<br />
Als Lean Ingenieurin Green Production ist es ihre Aufgabe,<br />
sich die komplette Produktion anzuschauen – von der Energieeffizienz<br />
der Maschinen über die Produktionsprozesse bis hin zur<br />
Beleuchtung – und den Grünstift anzusetzen. Angelina Donner:<br />
„Wichtig ist es, sich hier nicht zu verzetteln. Wir müssen identifizieren,<br />
wo die größten Potenziale liegen und diese Bereiche dann systematisch<br />
angehen.“ Oberstes Ziel ist es, den Energieverbrauch – und damit<br />
auch den CO 2<br />
-Ausstoß – zu senken, zunächst um <strong>10</strong> %.<br />
BETRIEB<br />
Das, was bei Igus geschieht, die Produktion der Komponenten, ist<br />
eine Sache. Ein entscheidender Bereich ist natürlich auch das, was<br />
danach kommt, der Betrieb. Hier eröffnen die Motion Plastics vielfach<br />
ökologische Vorteile. Durch ihr geringeres Gewicht ermöglichen sie<br />
leichtere Konstruktionen und können so die Maschineneffizienz<br />
verbessern. „Stahl ist achtmal schwerer als unsere Tribo polymere“,<br />
hebt Frank Blase hervor.<br />
Durch Ökodesign lassen sich noch weitere Potenziale erschließen.<br />
Und das will Igus nutzen, wie der Firmen-Chef berichtet:<br />
„2018 hatten wir Prof. Claus Mattheck zweimal hier im Haus – er hat<br />
all unserer Konstrukteure geschult.“ Der „Baumpapst“ arbeitet als<br />
Abteilungsleiter für Biomechanik am Institut für Angewandte Materialien<br />
des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und gilt als<br />
Koryphäe im Bereich Bionik. Die Schulung hat sich für den Kunststoffspezialisten<br />
zwischenzeitlich bereits bezahlt gemacht. „Dank<br />
einer speziellen bionischen Bauweise, Prof. Mattheck nennt das<br />
Bachkiesel-Design, konnten wir bei unserer neuen Energiekette<br />
E4Q im Vergleich zur E4.1 <strong>10</strong> % Gewicht einsparen, die Bruchfestig-<br />
01 Igus-Chef Frank Blase erklärt im Interview: „Das Thema Nachhaltigkeit muss<br />
man zu Ende denken und es muss sich lohnen, sonst wird es nicht funktionieren!“