VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2020
Raum - Aufräumen, heilen, malen, bloggen Orthopädie - Orthopädische «Kurvendiskussion» Schmerz - Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Politik - Neuer vsao-Präsident
Raum - Aufräumen, heilen, malen, bloggen
Orthopädie - Orthopädische «Kurvendiskussion»
Schmerz - Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie?
Politik - Neuer vsao-Präsident
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Weiterbildung / Arbeitsbedingungen<br />
bands. Denn jede Patientin/jeder Patient<br />
sei verschieden, ebenso jede Krankengeschichte,<br />
und dies verdiene individuelle<br />
Aufmerksamkeit.<br />
Kopieren versus denken<br />
Kündig nennt noch einen weiteren Grund<br />
für ihre Skepsis: «Die Qualität der Vorlagen.<br />
Schreiben will schliesslich gelernt<br />
sein. Eine Qualitätskontrolle wäre also sicher<br />
sinnvoll.» Marie-Claire Flynn – sie<br />
korrigiert als Oberärztin selbst Berichte –<br />
teilt die Bedenken, wenn man sich einfach<br />
aus dem Setzkasten bediene. «Meist schaltet<br />
dann nämlich das Hirn auf kopieren<br />
und nicht auf denken.» In ihrer Klinik gebe<br />
es spezifische Textbausteine für Elemente,<br />
die man immer wieder benötige.<br />
Was sie als zielführender erachtet. Genau<br />
wie Anja Zyska. Warum? «Weil die Erwartungen<br />
an Berichte von Klinik zu Klinik<br />
unterschiedlich sind. Zudem sollte das Erarbeiten<br />
und Zurverfügungstellen von solchen<br />
klinikinternen Vorlagen zur Weiterbildung<br />
gehören und nicht ausgelagert<br />
werden», argumentiert die frühere Verbandspräsidentin.<br />
Auch Dina-Maria Jakobs Stirn legt<br />
sich beim Thema dieses Artikels in Falten.<br />
«Ich selbst brauche nie Textbausteine und<br />
war nie ein Fan davon. (Unter-)Assistentinnen<br />
und (Unter-)Assistenten hingegen<br />
schon, und es gibt in jeder Klinik, auf jedem<br />
Computer zig Vorlagen für Berichte<br />
– gefühlte 90 Prozent davon leider mit<br />
Rechtschreib- und inhaltlichen Mängeln.<br />
Darum doch lieber einheitliche, von Kaderärztinnen<br />
und -ärzten geprüfte Textelemente.»<br />
«Vermutlich extrem froh»<br />
Eine Lanze für Vorlagen bricht hingegen<br />
Helen Manser, Mitglied im Geschäftsausschuss.<br />
«Gerade Staatsabgängerinnen und<br />
-abgänger sind vermutlich extrem froh<br />
über eine solche Hilfestellung. Gleiches<br />
gilt für all jene, die beispielsweise eine Rotation<br />
in einem Spezialfach machen und<br />
ganz plötzlich eine andere Art von Berichten<br />
schreiben müssen als bisher.» Da könne<br />
man sehr viel Zeit und Energie sparen.<br />
Natürlich sei jede Patientin/jeder Patient<br />
ein Fall für sich, und natürlich würden<br />
Vorlagen dazu verleiten, selbst etwas weniger<br />
nachzudenken. «Die Berichte werden<br />
aber korrigiert, sodass letztlich doch<br />
die Klinik dafür verantwortlich ist, dass<br />
die Ärztinnen und Ärzte etwas lernen.»<br />
Wie ist es denn nun also mit der Qualität,<br />
um die sich letztlich alles dreht? «Die<br />
Qualitätskontrolle erfolgt im Austausch<br />
unter den Nutzerinnen und Nutzern unserer<br />
Website. Erstens durch eine Bewertungsfunktion<br />
(ein bis fünf Sterne) und<br />
zweitens über eine Kommentarfunktion,<br />
welche dazu dient, die Texte zu verbessern<br />
und ihre Qualität hoch zu halten.» Der das<br />
sagt, ist Massimo Barbagallo, einer der beiden<br />
Initianten von berichteguru.com. Zusammen<br />
mit Lukas Bachmann, wie er Assistenzarzt<br />
in der Inneren Medizin, hat er<br />
die Plattform vor rund einem Jahr ins<br />
Leben gerufen. Aktuell umfasst ihr kostenloses<br />
Angebot 22 Berichtsvorlagen aus<br />
unterschiedlichsten medizinischen Fachgebieten.<br />
Keine Zeit zum Teilen<br />
Und wie ist die Nachfrage? Derzeit seien<br />
rund 170 Personen registriert, berichtet<br />
Barbagallo, die meisten Assistenzärztinnen<br />
und -ärzte aus der Deutschschweiz.<br />
Ja, er erhalte verschiedentlich Rückmeldungen<br />
– «mehrheitlich positive». Textbausteine<br />
konzentriert an einem Ort zu<br />
finden und diese mit einem Klick übernehmen<br />
zu können, werde geschätzt. Dasselbe<br />
gelte für die Bewertungs- und Kommentarfunktion.<br />
Es gibt indes noch weitere<br />
Erkenntnisse: «Gemäss unserer Umfrage<br />
fehlt es vielen Nutzerinnen und Nutzern<br />
an der Zeit, um ihre persönlichen Vorlagen<br />
zu teilen. Andere scheinen selbst keine<br />
zu besitzen oder selten solche zu verwenden<br />
– bisher zumindest.»<br />
Das Stichwort Zeit führt zum Ursprung<br />
der Idee von berichteguru.com.<br />
«Massimo und ich haben darüber nachgedacht,<br />
wie sich unsere eigene Arbeit und<br />
die unserer Kolleginnen und Kollegen vereinfachen<br />
liesse», blickt Lukas Bachmann<br />
zurück. «Dabei sind wir auf die Idee mit<br />
den Vorlagen gekommen.» Zwar verfügten<br />
auch Spitäler oft über entsprechende<br />
Sammlungen. Diese seien jedoch nicht für<br />
alle, die sie einsetzen könnten, an einem<br />
Ort zugänglich. «Das wollten wir ändern,<br />
weil wir Textbausteine als zusätzliches<br />
Werkzeug zur Bewältigung der bürokratischen<br />
Hürden im Arbeitsalltag betrachten.<br />
Mit dem Effekt weniger Zeit im Arztbüro,<br />
dafür mehr im Patientenzimmer.»<br />
Wäre da noch die Sache mit dem Namen<br />
der Plattform. Bachmann erklärt,<br />
die Website solle ein Instrument zur<br />
Verfügung stellen, das Gelassenheit ins<br />
herausfordernde und häufig mühsame<br />
Berichtswesen bringt. «Entsprechend der<br />
stoischen Ruhe eines meditierenden<br />
Gurus. Deshalb ist im Logo ein meditierender<br />
Arzt über einem Stapel Dokumente<br />
dargestellt.»<br />
Gelassenheit ins ärztliche Berichtswesen<br />
bringen – entsprechend der stoischen Ruhe<br />
eines meditierenden Gurus: Das ist das Ziel von<br />
berichteguru.com.<br />
Die Probe aufs Exempel<br />
Genug der Worte – jetzt gehts ans Ausprobieren!<br />
Nora Bienz, langjähriges Mitglied<br />
im Geschäftsausschuss des vsao und dessen<br />
frisch gekürte zweite Vizepräsidentin,<br />
hats gemacht. «Die Seite funktioniert problemlos<br />
und ist einfach und sehr übersichtlich<br />
gestaltet», so ihr Eindruck. Man<br />
erkenne klar, wer hinter dem Angebot stehe<br />
und an wen man sich bei Fragen wenden<br />
könne. «Die Vorlagen sind inhaltlich gut<br />
und ergeben Sinn.» Trotzdem hegt Bienz<br />
Zweifel, ob das Konzept funktioniert, will<br />
heissen, sie bezweifelt, «dass genügend<br />
Textbausteine hochgeladen und zur Verfügung<br />
gestellt werden». Sie habe früher<br />
selbst zahlreiche verwendet. «Mit der Zeit<br />
braucht man das dann nicht mehr, weil<br />
man meist diktieren kann und einem die<br />
üblichen medizinischen Floskeln geläufig<br />
sind. Wenn Berichte aber selbst geschrieben<br />
werden müssen, ist es sehr hilfreich.»<br />
<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/20 15