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VSAO JOURNAL Nr. 5 - Oktober 2020

Raum - Aufräumen, heilen, malen, bloggen Orthopädie - Orthopädische «Kurvendiskussion» Schmerz - Analgetikaunverträglichkeit: Intoleranz oder Allergie? Politik - Neuer vsao-Präsident

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Fokus<br />

Am Nachmittag des 10. Februars<br />

2009 stiess über Sibirien in einer<br />

Höhe von rund 800 Kilometern<br />

der aktive Telefoniesatellit<br />

Iridium 33 mit dem ausgedienten<br />

Kommunikationssatelliten Kosmos 2251<br />

zusammen. Der Aufprall erfolgte mit einer<br />

Geschwindigkeit von 11,7 Kilometern<br />

pro Sekunde und erzeugte eine Trümmerwolke<br />

aus über 2000 Bruchstücken, die<br />

grösser als 10 Zentimeter waren. Innerhalb<br />

weniger Monate breiteten sich diese<br />

Trümmer weiträumig aus und drohen<br />

seither mit weiteren aktiven Satelliten zusammenzustossen.<br />

Dieses Ereignis war ein Weckruf für<br />

sämtliche Satellitenbetreiber, aber auch<br />

für die Politik. Die Problematik von so genanntem<br />

Weltraumschrott (engl. «space<br />

debris») – ausgedienten künstlichen Objekten<br />

im Weltraum – erhielt eine neue Dimension.<br />

Mit der Problematik befassen<br />

sich Experten und Weltraumagenturen<br />

jetzt bereits seit bald 50 Jahren. Schweizer<br />

Forschung liefert die wissenschaftlichen<br />

und empirischen Grundlagen für Modelle<br />

und Massnahmen, um die Anzahl der Objekte<br />

zu stabilisieren, damit auch in Zukunft<br />

eine sichere und nachhaltige Nutzung<br />

des Weltraums möglich ist.<br />

Vor allem Abfall im All<br />

Die Weltraumfahrt hat seit dem Start des<br />

ersten künstlichen Erdsatelliten Sputnik 1<br />

am 4. <strong>Oktober</strong> 1957 unweigerlich Weltraumschrott<br />

im erdnahen Raum hinterlassen.<br />

Bei jedem Start besteht nur ein<br />

sehr kleiner Teil der in den Weltraum gebrachten<br />

Gesamtmasse aus der aktiven<br />

Nutzlast. Oft wird ein grosser Teil der Masse<br />

innerhalb kurzer Zeit zu Weltraumschrott,<br />

da zum Beispiel die Oberstufe der<br />

Trägerrakete in einer Erdumlaufbahn belassen<br />

wird. Am Ende ihres Lebens wird<br />

auch die eigentliche Nutzlast, falls sie im<br />

Orbit belassen wird, zu Weltraumschrott.<br />

Somit ist es nicht verwunderlich, dass die<br />

derzeit rund 2500 aktiven Satelliten weniger<br />

als 10 Prozent der Gesamtzahl bekannter<br />

künstlicher Objekte, die grösser<br />

als 10 Zentimeter sind, im Weltraum ausmachen.<br />

Die meisten Schrottteile mit Durchmessern<br />

von mehr als einigen Zentimetern<br />

sind Fragmente, welche durch Explosionen<br />

und Kollisionen im Weltraum entstanden<br />

sind. Bis heute haben mehr als 300<br />

solche Ereignisse stattgefunden, darunter<br />

Explosionen von ausgedienten Raketenoberstufen,<br />

Hilfsmotoren und sogar von<br />

Satelliten. Dies kann geschehen, weil sich<br />

etwa Resttreibstoff noch nach vielen Jahren<br />

entzündet oder Batterien in toten<br />

Satelliten überladen werden und auseinanderbrechen.<br />

Bahnen von ca. 25 000 Objekten<br />

bekannt<br />

Um die aktuelle Population von Weltraumschrott<br />

besser zu verstehen, sind<br />

aufwändige Beobachtungen mit bodengestützten<br />

Radaranlagen und optischen<br />

Teleskopen nötig. Mit solchen Messungen<br />

können grössere Objekte regelmässig verfolgt<br />

und ihre Bahnen bestimmt werden.<br />

Heute kennen wir die Bahnen von etwa<br />

25 000 Objekten in Höhen von 300 bis<br />

40 000 Kilometern. Für Teile, die kleiner<br />

als etwa 10 Zentimeter sind, sind nur statistische<br />

Angaben möglich. Die Messungen<br />

deuten auf eine Gesamtzahl von ca.<br />

900 000 Raumschrottobjekten von zwischen<br />

1 und 10 Zentimetern Grösse hin.<br />

Die Teilchen mögen klein sein, sie sind<br />

aber keineswegs ungefährlich: Bei einer<br />

Kollision mit einem Teilchen von einem<br />

Zentimeter Durchmesser wird die Energie<br />

einer explodierenden Handgranate freigesetzt.<br />

In gewissen Bahnbereichen ist das<br />

Risiko für Kollisionen schon heute so<br />

hoch, dass aktive Satelliten regelmässig<br />

Manöver durchführen müssen, um Schrottteilen<br />

auszuweichen. Die Europäische<br />

Weltraumagentur ESA verarbeitet für ihre<br />

Satellitenflotte jede Woche etwa zwei<br />

Kolli sionswarnungen pro Satellit und<br />

führt entsprechend Dutzende von Manövern<br />

pro Jahr durch. Damit lassen sich<br />

zwar Kollisionen mit Objekten, die grösser<br />

als etwa 10 Zentimeter sind, die Satelliten<br />

vollständig zerstören und eine Unzahl von<br />

Bruchstücken erzeugen, verhindern, nicht<br />

aber «tödliche» Einschläge von kleineren<br />

Objekten, deren Bahnen wir nicht kennen.<br />

Für den Satellitenbetreiber wird das Risiko<br />

für die einzelne Mission also nur bedingt<br />

verkleinert, aber – und dies ist entscheidend<br />

– es wird verhindert, dass<br />

Trümmerteile entstehen, die wiederum<br />

mit anderen Objekten kollidieren können<br />

und somit eine verheerende Kettenreaktion<br />

auslösen können. Dieses sogenannte<br />

«Kessler-Syndrom», benannt nach Donald<br />

Kessler, der das Phänomen 1978 als Erster<br />

beschrieben hat, bleibt aber weiterhin eine<br />

Tatsache, da wir zurzeit Kollisionen<br />

zwischen grösseren Raumschrottteilen<br />

nicht verhindern können.<br />

Die Situation wird heute verschärft<br />

durch die extreme Zunahme von Kleinsatelliten,<br />

so startet zum Beispiel die private<br />

Firma SpaceX zurzeit jeden Monat mehr<br />

als 60 Satelliten. In diesem Fall ist das Ziel,<br />

eine sogenannte Konstellation von über<br />

1500 Satelliten zu erstellen, um weltweit<br />

schnelles Internet anzubieten. Andere<br />

Konstellationen mit mehreren Zehntausend<br />

Satelliten sind in Planung. Die Miniaturisierung,<br />

und die damit einhergehenden<br />

Einsparungen bei den Startkosten,<br />

haben es auch Schweizer Firmen und<br />

Universitäten erlaubt, ihre eigenen Kleinsatelliten<br />

in den Weltraum zu bringen.<br />

Auf der Suche nach Raumschrott<br />

Am Astronomischen Institut der Universität<br />

Bern suchen wir mit Teleskopen am<br />

«Swiss Optical Ground Station and Geodynamics<br />

Observatory» in Zimmerwald<br />

bei Bern sowie mit einem Teleskop der<br />

ESA im spanischen Teneriffa nach Raumschrottteilen,<br />

um die aktuelle Population<br />

(Anzahl, Grössen, Objekttypen, Bahnen<br />

usw.) genauer zu verstehen. Wir konzentrieren<br />

uns dabei auf kleine Raumschrottteile<br />

in hohen Erdumlaufbahnen. Neben<br />

den Bahnregionen der Navigationssatelliten<br />

(in ca. 20 000 km Höhe) wird die Region<br />

des so genannten geostationären Rings in<br />

36 000 Kilometern Höhe genauer untersucht.<br />

Dort stehen Satelliten «fest» über<br />

einem Punkt des Äquators und beobachten<br />

immer den gleichen Ausschnitt der<br />

Erdoberfläche (Wettersatelliten), oder sie<br />

strahlen immer in die gleiche Region Signale<br />

aus (Kommunikationssatelliten). Die<br />

<strong>VSAO</strong> /ASMAC Journal 5/20 23

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