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tassilo - das Magazin rund um Weilheim und die Seen - Ausgabe November/Dezember 2020

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Privatkapellen im Tassiloland<br />

Einladungen z<strong>um</strong> Innehalten<br />

Tassiloland | Mitten im oft hektischen<br />

Treiben der Menschen<br />

stehen, überall im Tassiloland<br />

verteilt, private Kapellen. Unaufdringlich<br />

bieten sie an, doch<br />

einmal innezuhalten <strong>und</strong> sich<br />

auf den Moment zu besinnen.<br />

Sie sind ein Teil unserer Kulturlandschaft,<br />

zählen zu den auch<br />

von Besuchern geschätzten Besonderheiten<br />

unserer Region.<br />

Manche ziehen schon von weitem<br />

<strong>die</strong> Blicke auf sich. Andere stehen<br />

bescheiden am Wegesrand – oder<br />

gar versteckt. Manche sind vielbesuchte<br />

Wallfahrtsziele, andere<br />

nur wenigen Menschen bekannt.<br />

Meist sind sie unverwechselbare<br />

kleine Bauwerke. Unikate. So<br />

verschieden in ihrer Form, wie <strong>die</strong><br />

Menschen verschieden waren, <strong>die</strong><br />

sie erbaut haben. Allen aber ist<br />

<strong>das</strong> Herzensanliegen der Erbauer<br />

anz<strong>um</strong>erken, mit ihnen etwas Besonderes<br />

zu schaffen.<br />

Auch wenn <strong>die</strong>se Privatkapellen<br />

in Bauform <strong>und</strong> Ausstattung völlig<br />

unterschiedlich sind, haben<br />

sie doch viel gemeinsam. Für<br />

jeden sichtbar, sind sie zunächst<br />

Ausdruck der Frömmigkeit ihrer<br />

Erbauer. Sind oft mit einer Widmung<br />

verb<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> sich im<br />

Namen wiederfindet. Sind kleine<br />

Andachtsrä<strong>um</strong>e. Gerade in abgelegenen<br />

Weilern boten sie <strong>die</strong><br />

Möglichkeit, sich z<strong>um</strong> Gebet zusammenzufinden.<br />

Selbst im Winter,<br />

wenn schneebedingt der Weg<br />

in <strong>die</strong> Kirche nicht möglich war.<br />

Jede Kapelle hat aber auch<br />

eine besondere Entstehungsgeschichte.<br />

Ist ein Zeitzeugnis. Eng<br />

verknüpft mit Lebenserfahrungen<br />

<strong>und</strong> Entscheidungen der<br />

Erbauer. Gleichzeitig ein<br />

Beleg dafür, wie fürsorglich<br />

sich nachfolgende<br />

Generationen <strong>um</strong> den<br />

Erhalt der ihnen überlassenen<br />

Kapelle kümmern <strong>und</strong> sie<br />

in ihr Leben einbeziehen.<br />

Verstecktes Kleinod<br />

in Reinthal<br />

So wie <strong>die</strong> Bauernfamilie Panholzer<br />

aus dem Weiler Reinthal<br />

sich seit nun schon über einh<strong>und</strong>ert<br />

Jahren <strong>um</strong> <strong>die</strong> dortige<br />

Rokokokapelle kümmert. „Deren<br />

Hof zwischen Obersöchering <strong>und</strong><br />

Habach kenne ich doch“, werden<br />

viele sagen. „Dort ist ein Muse<strong>um</strong><br />

mit landwirtschaftlichen Geräten<br />

<strong>und</strong> Utensilien aus vergangenen<br />

Zeiten. Und vor allem: Ein Muse<strong>um</strong>scafé<br />

mit selbstgebackenen<br />

Kuchen <strong>und</strong> Torten. Direkt<br />

am Radweg gelegen. Ideal<br />

für eine Rast. Überhaupt<br />

eine herrliche Gegend<br />

für Radtouren. Aber:<br />

Wo soll da eine Kapelle<br />

stehen? Weit <strong>und</strong> breit<br />

keine zu sehen.“<br />

Stimmt. Vor allem,<br />

wenn man<br />

bestimmte Vorstellungen hat,<br />

wie Kapellen auszusehen haben.<br />

Denn <strong>die</strong>se hier ist ein Kleinod<br />

besonderer Art. Einzigartig in<br />

der Region <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

weit darüber hinaus. Ein kleiner<br />

Holzbau am östlichen Rand des<br />

Weilers, wenige Meter vom Weg<br />

entfernt in der Wiese stehend. Es<br />

lohnt sich, <strong>die</strong> Familie zu bitten,<br />

einen Blick ins sonst verschlossene<br />

Innere werfen zu dürfen.<br />

Man betritt eine unscheinbare<br />

Holzhütte mit schlichtem Brettermantel<br />

– <strong>und</strong> findet sich wieder<br />

in einer anheimelnden Rokokokapelle<br />

mit aufwändiger Ausstattung.<br />

Teilweise wohl übernommen<br />

aus dem säkularisierten<br />

Stift Habach <strong>und</strong> der Pfarrkirche<br />

Obersöchering. Heiligenfiguren<br />

<strong>und</strong> Gemälde aus dem 16., 17. <strong>und</strong><br />

18. Jahrh<strong>und</strong>ert zieren <strong>die</strong> Kapelle.<br />

Wände <strong>und</strong> Holzdecke sind mit<br />

Ornamenten <strong>und</strong> Bl<strong>um</strong>en in Rokokoformen<br />

bemalt.<br />

Urk<strong>und</strong>lich ist <strong>die</strong> Weilerkapelle<br />

erstmals 1734 erwähnt. Ihr wahres<br />

Alter ist nicht bekannt. Als <strong>um</strong><br />

1780 <strong>die</strong> Pfarrkirche in Obersöchering<br />

neu aufgebaut wurde, hatten<br />

<strong>die</strong> Bauern aus Reinthal mit ihren<br />

Zugtieren fleißig Spann<strong>die</strong>nste<br />

geleistet. Als Belohnung erhielten<br />

sie – neben vorderen Kirchenplätzen<br />

– zwei gotische Figuren der<br />

Apostel Petrus <strong>und</strong> Paulus. Diese<br />

gehören seither z<strong>um</strong> Inventar der<br />

Kapelle, <strong>die</strong> nach einer Inschrift<br />

im Jahr 1787 in der heutigen Form<br />

erbaut wurde.<br />

Schon aus der Ferne sichtbar <strong>und</strong> zur Besinnung<br />

einladend: Die Herz-Jesu-Kapelle am<br />

Radweg zwischen Wilzhofen <strong>und</strong> Haunshofen<br />

(im Hinterg<strong>r<strong>und</strong></strong>)<br />

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