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tassilo - das Magazin rund um Weilheim und die Seen - Ausgabe November/Dezember 2020

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Außen unscheinbar mit schlichtem<br />

Brettermantel: Die Weilerkapelle<br />

in Reinthal zwischen Obersöchering<br />

<strong>und</strong> Habach. Innen eine<br />

reich verzierte Rokokokapelle.<br />

Als 1803 <strong>die</strong> Säkularisation tief<br />

in kirchlichen Besitz eingriff <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Wertschätzung für kirchliches<br />

Kulturgut fehlte, versteckten <strong>die</strong><br />

Eigentümer <strong>die</strong> Kapelle im wenige<br />

Kilometer entfernten Egenried,<br />

<strong>um</strong> sie vor dem Zugriff des Staates<br />

zu retten. Wenig später wurde<br />

Reinthal der Pfarrei Habach<br />

zugeordnet <strong>und</strong> <strong>die</strong> Kapelle kam<br />

zurück an ihren alten Platz. In den<br />

Besitz der Familie Panholzer kam<br />

sie nach dem ersten Weltkrieg,<br />

als <strong>das</strong> Flurstück, auf dem sie<br />

steht, ihrem Anwesen zugeordnet<br />

wurde. Jahrzehntelang kümmerte<br />

sich nun <strong>die</strong> Familie <strong>um</strong> den<br />

Erhalt der Kapelle, konnte aber<br />

nicht verhindern, <strong>das</strong>s dem kleinen<br />

Bauwerk der Verfall drohte.<br />

Fehlendes F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> Spritzwasser<br />

der nah vorbeiführenden<br />

Feldstraße setzten ihm sichtlich<br />

zu. Gemeinsam schafften es Familie,<br />

Pfarrgemeinde <strong>und</strong> Denkmalschutzbehörden<br />

noch rechtzeitig,<br />

<strong>die</strong> Kapelle in den Jahren 1993 bis<br />

1996 fachk<strong>und</strong>ig restaurieren zu<br />

lassen. Sie wurde einige Meter in<br />

<strong>die</strong> Wiese versetzt <strong>und</strong> erhielt ein<br />

F<strong>und</strong>ament.<br />

Schon aus der Ferne<br />

einladend<br />

Ganz anders als <strong>die</strong> versteckte<br />

Reinthaler Kapelle präsentiert<br />

sich <strong>die</strong> Herz-Jesu-Kapelle östlich<br />

von Wilzhofen. Ob man mit dem<br />

Auto, von Tutzing kommend, nach<br />

<strong>Weilheim</strong> fährt oder mit dem Zug.<br />

Man bemerkt sie unweigerlich.<br />

Sie steht auf der Anhöhe über der<br />

Grünbachsenke, ist als Kapelle<br />

schon aus der Ferne zu erkennen.<br />

Wobei sie sich so harmonisch in<br />

<strong>das</strong> Bild der bayerischen Voralpenlandschaft<br />

einfügt, <strong>das</strong>s man<br />

davon überzeugt sein kann: Hier<br />

begegnet man einem geschichtsträchtigen<br />

Bauwerk, <strong>das</strong> Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

erlebt hat. Folgt man ihrer<br />

Einladung <strong>und</strong> nutzt den direkt<br />

daran vorbeiführenden Radweg<br />

von Wilzhofen nach Haunshofen,<br />

bestätigt sich der Eindruck, den<br />

man schon aus der Ferne hatte.<br />

Ein gut gewählter Ort, an dem<br />

man sich wohlfühlen kann. Sogar<br />

mit Ruhebänken, <strong>die</strong> zur Besinnung<br />

einladen. Mit überwältigender<br />

Fernsicht. Und einer Stille, <strong>die</strong><br />

es leicht macht, innezuhalten <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong>sen Moment zu genießen. Wie<br />

mag <strong>die</strong>se Privatkapelle entstanden<br />

sein? Alles wirkt so durchdacht<br />

<strong>und</strong> gut aufeinander abgestimmt.<br />

Die Proportionen, <strong>die</strong> Ausstattung,<br />

<strong>die</strong> handwerkliche Ausführung.<br />

Dann <strong>die</strong> überraschende Feststellung:<br />

Diese Kapelle ist erst im<br />

September 2011 eingeweiht worden.<br />

Hildegard Sporer aus Wielenbach<br />

hat hier an einem Ort,<br />

der ihr schon als Kind als etwas<br />

Besonderes vertraut war, eine<br />

Kapelle gebaut. Aus Dankbarkeit<br />

<strong>und</strong> Glaubensüberzeugung. Anknüpfend<br />

an jahrh<strong>und</strong>ertealte<br />

Tradition <strong>und</strong> Volksfrömmigkeit.<br />

Unterstützt von einer Reihe guter<br />

Handwerker <strong>und</strong> Künstler. Hat mit<br />

Feingefühl <strong>und</strong> Glück zueinander<br />

passende Ausstattungsgegenstände<br />

erworben. Hat im Innern<br />

<strong>die</strong> Schöpfungsgeschichte des<br />

althochdeutschen „Wessobrunner<br />

Gebets“ <strong>und</strong> Noten von Carl Orff<br />

anbringen lassen.<br />

So ist eine Kapelle entstanden,<br />

<strong>die</strong> einlädt, an <strong>die</strong>ser Stelle innezuhalten<br />

<strong>und</strong> über Gott <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Schöpfung nachzudenken.<br />

Jede der vielen Privatkapellen unserer<br />

Region hat ihre eigene Geschichte,<br />

ihren eigenen Charakter.<br />

Wir sollten uns ab <strong>und</strong> zu Zeit<br />

nehmen, sie näher kennenzulernen.<br />

kp<br />

november / dezember <strong>2020</strong> | 37

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