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Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"

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Practice-Beispiele, die aufzeigen, wie dies möglich ist und

was es dafür braucht. Das Hauptproblem ist zur Zeit, dass

von Seiten der Politik oft nicht auf Expert*innen und Forschungsergebnisse

gehört wird, sondern gegenteilige Maßnahmen

erlassen und umgesetzt werden. 180

Postmigrantische Gesellschaft:

Zukunftsweisende Perspektiven

pluralistischer Gesellschaften

Wie bereits angesprochen, bleibt die Normalisierung rechter

und rassistischer Diskurse nicht unwidersprochen, sondern

sieht sich auch einer breiten gesellschaftlichen Bewegung

gegenüber, die sich für einen offenen und inklusiven Gesellschaftsentwurf

einsetzt. Dafür braucht es die Anerkennung,

dass Migration längst zur Entwicklung einer pluralistischen

Gesellschaft beigetragen hat und positive Auswirkungen für

alle, die hier leben, mit sich bringt. Aus der kritischen Migrationsforschung

und anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen

hat sich dabei eine Wissensproduktion hervorgetan,

die mit dem Konzept der postmigrantischen Gesellschaft

arbeitet. Diese soll als Versuch verstanden werden, gesellschaftliche

Veränderungen auf Grund von Migration und

damit einhergehende Diversifizierungsprozesse gemeinsam

mit Rassismuskritik zu erforschen. 181

Das „post„ in „postmigrantisch“ bedeutet dabei nicht ein

zeitliches „nach“ der Migration oder „nach“ dem Rassismus.

Migration findet nach wie vor statt und wird nie abgeschlossen

sein. Genauso finden rassistische Diskriminierungen

nach wie vor statt und verändern sich laufend. Postmigran-

180

Vergleich Kapitel Bildung und Arbeitsmarktintegration; Kohlenberger,

Der sozioökonomische Hintergrund bestimmt darüber, ob ich überlebe

oder nicht, Asyl Aktuell - Zeitschrift der asylkoordination österreich 2019.

181

Espahangizi et al, Rassismus in der postmigrantischen Gesellschaft, movements.

Journal for Critical Migration and Border Regime Studies, 2016.

tisch meint nach Marc Hill und Erol Yildiz vielmehr „eine

Geisteshaltung, eine eigensinnige Praxis der Wissensproduktion.

Im Mittelpunkt steht eine kritische Reflexion des

restriktiven Umgangs mit Migration und deren Folgen, eine

widerständige Haltung gegen hegemoniale gesellschaftliche

Verhältnisse.“ 182

Diese widerständige Haltung richtet sich einerseits gegen

strukturelle und soziale Diskriminierungen, die als solche

erkannt und gegen die angekämpft wird. Auch richtet sie

sich gegen einen Opferdiskurs, welcher Migrant*innen die

Handlungsfähigkeit, aber auch die Selbst-Repräsentation

abspricht. Andererseits geht es um eine emotionale Identifikation,

die vor allem anhand des umstrittenen Begriffs von

„Kultur“ sichtbar wird. Kultur wird dabei als hybrid und sich

stetig wandelnd verstanden. Mit der postmigrantischen Gesellschaft

wird anerkannt, dass Diversität und Pluralität in

den meisten Städten Europas längst Realität sind. Nun geht

es darum, dies als positive Bereicherung anzunehmen, einen

guten Umgang damit zu lernen, dabei Mehrfachzugehörigkeiten

und vermeintliche Widersprüche und Ambiguitäten

zu akzeptieren und etablierte Grenzen hinter sich zu lassen.

Dies ist nicht leicht und verläuft auch nicht konfliktfrei,

kann jedoch erlernt werden. Migrationsbewegungen haben

längst die gelebte Selbstverständlichkeit von Mehrfachzugehörigkeiten

herbeigeführt. Neu Eingewanderte, aber auch

deren Nachkommen haben sich Zugänge und neue Partizipationsmöglichkeiten

bereits aktiv erkämpft und sind damit

Teil der hiesigen Kultur. 183

182

Hill/Yıldız, Postmigrantische Visionen: Erfahrungen - Ideen - Reflexionen,

2018, S.7.

183

Piening, Die Macht der Migration: zehn Gespräche zu Mobilität und Kapitalismus,

2018, S.26.

Handlungsempfehlungen

des Integrationshauses

100 101

Migration und schutzsuchende Menschen sind nicht „Problem“ oder „Krise“

und sollen auch nicht als solche verhandelt werden. Es braucht einen positiven und

ressourcenorientierten Umgang und Diskurs mit neu ankommenden Menschen in

Europa und Österreich.

Österreich braucht ein nachhaltiges, ausreichend finanziertes und unter Einbeziehung

von Expert*innen entwickeltes Integrationsprogramm, das soziale Teilhabe und

Inklusion zum Ziel hat.

Diskriminierende Diskurse sollen aufgearbeitet werden. Dazu ist politisches

Commitment nötig, gegen Rassismus in öffentlichen Diskursen vorzugehen, sowie

ein Ausbau von Anti-Diskriminierungs- und Anti-Rassismus-Arbeit erforderlich.

Maßnahmen, die zur Isolation und Abschottung von geflüchteten Menschen führen,

wie beispielsweise Massenunterkünfte, müssen aufgelöst werden. Dahingegen sollen

zivilgesellschaftliche Austauschmöglichkeiten zur Förderung von Inklusion unterstützt

werden.

Zugang zu dauerhaftem Aufenthaltsrecht und Staatsbürgerschaft soll möglichst

barrierefrei gestaltet werden. Hürden, welche politische Ausschlüsse produzieren,

sollen abgebaut werden, um die demokratische Teilhabe aller, die hier leben, zu

fördern.

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