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Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"

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Auch der Iran wurde im November 2019 von Protesten geschüttelt

und das bereits zum dritten Mal seit 2009. Wiederholt

ist das Regime mit aller Brutalität gegen die Protestierenden

vorgegangen. Das Internet wurde im ganzen Land

gesperrt; Berichte von mehreren hundert Toten und tausenden

Inhaftierten erreichten die internationale Öffentlichkeit.

Ausgelöst wurden die Proteste durch die Ankündigung

der Regierung, die Benzinpreise drastisch zu erhöhen. Die

iranische Wirtschaft ist schon lange in einer massiven Krise

und liegt zurzeit durch Neoliberalisierung, Privatisierung

und die Auswirkungen der US-Sanktionen aufgrund der vermuteten

atomaren Aufrüstung am Boden. Dies trifft vor allem

die Einkommensschwächsten, zunehmend aber auch

die Mittelschicht, die sich vor allem seit den 90er-Jahren etablierte.

Das Land wurde darüber hinaus hart von der COVID-

19-Pandemie getroffen. 38

setzung der Verfassung. Auch die brutale Gewalt, mit der

geantwortet wurde und die tausende Todesopfer forderte,

konnte das Schah-Regime nicht retten. Der Schah floh ins

Exil in die USA, während der schiitische Gelehrte Ajatollah

Chomeini aus dem französischen Exil zurückkehrte und die

islamische Republik Iran ausrufen ließ. Damit begann die

sukzessive und gewaltsame Ausschaltung aller anderen Dissidentengruppen,

die an der Revolution teilgenommen hatten.

Das religiöse Regime konnte seine Macht insbesondere

im darauffolgenden ersten Golfkrieg gegen den Irak bis 1988

festigen. Kritik am Regime wurde nicht toleriert, auch wenn

es immer wieder Perioden unter reformistischen Regierungen

gab. Der Umbruch im Iran sowie die darauffolgende Zeit

waren begleitet von einer steigenden Zahl an Menschen, die

sich gezwungen sahen, das Land zu verlassen. Eine Entwicklung,

die bis heute anhält. 39

Attacke auf Ölfelder in Saudi-Arabien sowie auf Öltanker in

der Straße von Hormus. Außerdem unterstützt das iranische

Regime das Assad-Regime im Krieg in Syrien und mischt

sich in das fragile Machtgefüge im benachbarten Irak ein. 41

Iran ist aber nicht nur ein Land, aus dem Menschen flüchten,

sondern auch ein Land, in dem Menschen Schutz suchen.

Iran beherbergt laut UNHCR fast eine Million

geflüchtete Menschen aus Afghanistan, nur übertroffen

von Pakistan, wo knapp 1,5 Millionen

Menschen aus Afghanistan Schutz suchten.

Bereits in den 70er-Jahren wurde der Iran von Protesten geschüttelt.

Damals richteten sich die Demonstrationen gegen

das monarchistische Regime des Schah Mohammed Reza

Pahlavi. Der Schah wurde mit westlicher Unterstützung an

die Macht gehievt und genoss weitreichende Unterstützung

in Europa und Nordamerika, unter anderem weil er ihnen

den Zugang zu den großen Erdölvorkommnissen im Land

sicherte. Er etablierte nach dem Militärputsch gegen den demokratisch

gewählten Präsidenten Mohammad Mossadegh

1953 eine autoritäre Herrschaft.

Im Land formierte sich allerdings von verschiedenen Seiten

Widerstand gegen das Schah-Regime, sowohl von städtischen

Nationalisten, Linken und Kommunisten, wie auch

von der schiitischen Geistlichkeit. Durch eine wirtschaftliche

Versorgungskrise akkumulierte sich auch die politische

Unzufriedenheit. 1979 führte dies zu gewaltigen Protesten,

dem Ruf nach dem Sturz des Schah und der Wiederein-

Kein Schutz der Menschenrechte

Amnesty International bezeichnet die Lage der Menschenrechte

im Iran schon lange als katastrophal. Das Regime

verfolgt Kritiker*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und

Angehörige von Minderheiten mit großer Brutalität. Der Justizapparat

verhängt nach wie vor ungerechte und grausame

Strafen bis hin zu Hinrichtungen. Übergriffe und Folter von

Seiten der Sicherheitsbehörden sind in großem Umfang

dokumentiert. 40

Gleichzeitig versucht das Regime, seinen Einfluss als Großmacht

in der Region sowie als „Schutzmacht“ der schiitischen

Bevölkerungsgruppen in den umliegenden Ländern

zu etablieren, vor allem gegen den Einfluss der sunnitischen

Saudis. So wird dem Regime die Unterstützung der Huthi-

Rebellen in Kriegen im Jemen unterstellt, genauso wie die

38

Mehrgan/Shohadaei, Do Fuel Prices Define the Fate of the People’s

39

Gent, van/Bertschinger, Iran ist anders, 2010.

41

Odabaei, The Descent into Violence: Critique and Crisis in Contemporary

Politics in Iran?, Jadaliyya, 03.12.2019.

40

Amnesty International, Iran 2018.

Iran, Jadaliyya, 16.12.2019.

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