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Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"

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Profite erzielen lediglich eine kleine lokale Elite, die internationalen

Konzerne und die europäische Wirtschaft: Sie

verdienen an günstigen Rohstoffen und einem zollfreien

Absatzmarkt für Produktionsüberschüsse. Für die lokale Bevölkerung

bedeutet Rohstoffabbau jedoch oft Landraub und

Vertreibung, gewaltsame Machtkämpfe und Kriege und die

massive Zerstörung und Vergiftung von Land und Wasser. 24

Die Rolle der Rüstungsindustrie

Einen weiteren profitablen Absatzmarkt findet die europäische

Rüstungsindustrie in vielen Teilen der Welt. Oft landen

europäische Waffen trotz Regulierungsversuchen in den

Händen von Diktatoren und bewaffneten Milizen in Kriegen

und gewaltvollen Konflikten auf der ganzen Welt. Die

Rüstungsindustrie befeuert und profitiert davon, dass Menschen

zu Flüchtlingen werden. Auch im Krieg in Syrien waren

immer wieder europäische Waffen und Kriegsfahrzeuge

im Einsatz – auch solche, die von der Firma Rheinmetall in

Deutschland und Österreich produziert werden. Gleichzeitig

profitiert die Rüstungsindustrie weiter von der „Flüchtlingskrise“,

die in Europa ausgerufen wurde, da immer mehr militärische

Technologien zur Grenzabwehr in Europa eingesetzt

werden. 25

Um Fluchtursachen zu bekämpfen, muss daher in Europa

angesetzt und Verantwortung übernommen werden. Die

asymmetrischen globalen Handelsbeziehungen, die von Europa

mit erschaffen und weiterhin aufrechterhalten werden,

müssen dringend kritisch hinterfragt werden. ECRE kritisiert

den Trend, Entwicklungsgelder an die Bemühungen

von Drittstaaten zu knüpfen, Migration zu unterbinden und

Willigkeit zu zeigen, Rückkehrabkommen für ihre Staatsangehörigen

zu schließen. Dies verstößt gegen den EU-eigenen

Vorsatz, dass Entwicklungszusammenarbeit inklusiv, transparent

und in gegenseitiger Verantwortlichkeit zu gestalten

ist und sich nach den lokalen Prioritäten richten soll. Die

Bindung von Entwicklungsgeldern an Migrationskontrolle

zerstört nicht nur Vertrauen und trägt zu einer ineffektiven

und intransparenten Entwicklungszusammenarbeit

bei, sondern lässt auch die enormen finanziellen Beiträge

außer Acht, welche Geflüchtete und Migrant*innen in ihre

Herkunftsländer überweisen. Diese übertreffen die EU-Entwicklungshilfe

um ein Vielfaches. Lösungsansätze sollen daher

tatsächlich friedensstiftend sein, Nachhaltigkeit und die

Interessen lokaler Bevölkerungen vorrangig berücksichtigen

sowie hin zu globaler Gerechtigkeit arbeiten. 26

Die globale COVID-19-Pandemie verschärft die Situation zusätzlich

und hebt die ungleiche Ressourcenverteilung noch

deutlicher hervor. ECRE-Direktorin Catherine Woollard geht

von bevorstehenden vielfältigen sekundären Auswirkungen

der COVID-19-Krise in fragilen, armen und von Konflikten

betroffenen Ländern aus. Dort, wo große Teile der Bevölkerung

von der informellen Wirtschaft und direkt von der

Hand in den Mund leben, sind die Zerrüttungen aufgrund

des Virus besonders verheerend, genauso wie der dramatische

Rückgang von Geldüberweisungen von Verwandten aus

dem Ausland. Vorhergesagt werden Ernährungsunsicherheit,

politische Unruhen bis hin zu Konflikten aufgrund von

Ressourcenknappheit. Mit einer Zunahme von Vertreibung

kann daher gerechnet werden. 27

Krieg, Gewalt und Verfolgung

Die meisten Menschen, die derzeit auf der Flucht

sind und über die Staatsgrenzen ihres Herkunftslandes

geflohen sind, kommen aus Syrien, nämlich

6,6 Millionen, gefolgt von Afghanistan mit

2,7 Millionen Menschen. Die nächst größeren

Gruppen von Geflüchteten kommen aus dem

Südsudan, Myanmar und Somalia.

Der Großteil der flüchtenden Menschen sucht Schutz in den

Nachbarländern. Nach Österreich sind vor allem Menschen

aus Afghanistan, gefolgt von Syrien, Somalia, Irak, Iran sowie

Tschetschenien geflüchtet. 28

Die Menschen aus diesen Ländern flüchten größtenteils vor

Krieg, gewaltvollen Konflikten und Verfolgung. Die Ursachen

dieser zeitgenössischen Konflikte sind komplex mit einer

Vielzahl verschiedener Akteur*innen und Interessenslagen.

Die Konflikte sind zumeist nicht neu, sondern existieren oftmals

schon seit Jahrzehnten, wie zum Beispiel in Afghanistan

oder Tschetschenien. Die Wurzeln gegenwärtiger Kriege

wurden vielerorts bereits in der Kolonialzeit gelegt, wo lokale

Gruppen von den europäischen Kolonialmächten gegeneinander

ausgespielt wurden. Auch die Entstehung der Nati-

onalstaaten und deren Grenzziehungen, welche sich nach

den Interessen der damaligen Kolonialmächte richteten und

die lokalen Gegebenheiten und Bevölkerungsgruppen außer

Acht ließen, führen noch heute gewaltvolle Konflikte herbei.

Ehemalige Kolonialmächte nehmen teils bis heute auf ihre

früheren Kolonien Einfluss, insbesondere über wirtschaftliche

Interessen. Die EU, einzelne EU-Staaten, sowie die USA

und Russland, aber auch andere Staaten wie China oder

Saudi-Arabien unterstützen vielfach Konfliktparteien oder

sind direkt in Konflikte in Asien, Afrika oder Lateinamerika

involviert und fördern so blutige Auseinandersetzungen. 29

Auf den folgenden Seiten werden die Konfliktlagen in den

fünf Hauptherkunftsländern, aus denen 2019 die meisten

Geflüchteten in Österreich angekommen sind, kurz beschrieben.

24

medico international, Warum Menschen fliehen, 2019; medico

international/ProAsyl/Brot für die Welt, Flucht(ursachen)bekämpfung,

2017.

25

Reimar, Waffenexporte in die Türkei: Aktivisten blockieren

Rheinmetall, taz.de, 08.05.2018; Akkerman, The Business of Building

Walls, 11.2019.

26

ECRE, Migration Control Conditionality: a flawed model, 01.2020;

Fehr et al, Gegen Rüstungsexport und Migrationsabwehr (2019).

27

Woollard, Weekly Editorial: A Pact for an Inclusive Recovery?,

ECRE, 08.05.2020.

28

UNHCR, Mid-Year Trends 2019, 10.03.2020

29

Ziai in Bechhaus-Gerst/Zeller (Hrsg), Deutschland Postkolonial?

Die Gegenwart der imperialen Vergangenheit (2018) Neokolonialismus

und Globalisierung.

26 27

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