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Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"

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Diese Gefahr sieht auch Aleksandra Panek von AST: „Je länger

im erlernten Beruf nicht gearbeitet wurde, desto schwieriger

wird der Wiedereinstieg.“ 285 Die Wartezeit während des

Asylverfahrens ist die erste von zahlreichen Schwierigkeiten,

die Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen

in Österreich vorfinden, auch wenn ihre Fachkenntnisse am

Arbeitsmarkt gebraucht werden.

Good-Practice in Schweden

Das Beispiel Schweden, wo Asylsuchende sofortigen Zugang

zum Arbeitsmarkt haben, zeigt zahlreiche positive Aspekte

auf. Beispielsweise werden lange Warteperioden, in denen

die Menschen zum Nichtstun gezwungen werden, vermieden.

Dahingegen werden Qualifikationen und Ressourcen,

die Geflüchtete mitbringen, sofort für den lokalen Arbeitsmarkt

nutzbar gemacht. Dies kann einerseits die raschere

Integration von schutzsuchenden Menschen fördern und

sich dadurch positiv auf deren psychische Gesundheit auswirken,

andererseits werden Kosten für den Staat eingespart,

der ansonsten für den Unterhalt der Asylwerber*innen aufkommen

müsste. Des Weiteren können Menschen, die einen

negativen Asylentscheid erhalten, jedoch einer Arbeit nachgehen

und einen Arbeitsvertrag für die nächsten 12 Monate

vorweisen können, um eine Arbeitserlaubnis ansuchen. Dadurch

tun sich neue Bleibeperspektiven auf und es kann weiter

zu wirtschaftlichen Entwicklungen im Aufnahmeland

beigetragen werden.

Auch der freie Zugang zu Lehrstellen sowie eine zweijährige

Beschäftigung mit Aufenthaltserlaubnis nach erfolgreichem

Abschluss der Lehre, wie es in Deutschland praktiziert wird,

sind sinnvolle Möglichkeiten, jungen geflüchteten Menschen

einen raschen Einstieg in den lokalen Arbeitsmarkt

zu sichern und dabei wertvolle Facharbeiter*innen für das

Aufnahmeland auszubilden. 286

Arbeitsmarktintegration

in Österreich

Zugangsbeschränkungen

während des Asylverfahrens

In Österreich dürfen Menschen im Asylverfahren drei Monate

nach Antragsstellung als Saisonarbeiter*innen in der

Landwirtschaft oder im Tourismus arbeiten. Für diese gilt

allerdings ein jährliches Kontingent und die Betriebe müssen

eine Beschäftigungsbewilligung für Asylweber*innen,

die sie anstellen möchten, einholen, was nur selten tatsächlich

geschieht. Außerdem dürfen Asylwerber*innen in

Privathaushalten über Dienstleistungsschecks sogenannte

„haushaltstypische Dienstleistungen“ verrichten, also zum

Beispiel Reinigungs- oder Gartenarbeiten. Weiter stehen

Menschen im Asylverfahren selbständige oder gemeinnützige

Tätigkeiten offen. Diese unterliegen allerdings weder

dem Arbeitsrecht, noch einem Kollektivvertrag, was bedeutet,

dass in diesen Bereichen oft weit unter dem Mindestlohn

bezahlt wird. 287

Ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs kippte im Mai 2020

die Verordnungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für

Asylwerber*innen stark einschränkten. Dies allerdings nur

für Asylwerber*innen, die sich noch im erstinstanzlichen

Verfahren befinden. Die meisten Menschen mit langen Asylverfahren

sind allerdings diejenigen, die in erster Instanz einen

negativen Entscheid erhalten haben. Auch wenn dieser

noch nicht rechtskräftig ist und die Menschen auf das Urteil

des Verfassungsgerichtshofs der zweiten Instanz warten, haben

sie nach wie vor keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. So

wird das Urteil des Verfassungsgerichtshofs voraussichtlich

für nur wenige Menschen tatsächlich positive Veränderungen

mit sich bringen. 288

Das Integrationshaus hat 2019 ein neues Pilotprojekt in Zusammenarbeit

mit der Wiener Arbeiterkammer gestartet,

AK_ Jug, welches darauf abzielt, Jugendliche, die schon ein

Deutsch-Sprachniveau B1 erreicht haben, aber noch immer

im Asylverfahren sind und keinen Arbeitsmarktzugang haben,

zumindest im Ansatz berufliche Perspektiven eröffnen

zu können. Die Maßnahme setzt auf gezielte Förderung der

Deutschkenntnisse inklusive Basisbildungsinhalte, Berufsorientierung,

nach Möglichkeit ein Volontariat und der Förderung

digitaler Kompetenzen. „Wir haben viele Jugendliche,

die schon seit Monaten zuhause sitzen, nichts zu tun haben

und keinen Zugang zu geeigneten Bildungsmöglichkeiten

haben. Genau für diese Zielgruppe haben wir dieses Projekt

entwickelt“, erklärt Martin Wurzenrainer, Leiter des Fachbereiches

Bildung im Integrationshaus. 289 Durch AK_ Jug werden

die Jugendlichen in eine Tagesstruktur eingebettet und

können ihre Fähigkeiten weiterentwickeln. 290

Herausforderungen nach positivem

Abschluss des Asylverfahrens

Wenn das Asylverfahren mit einer Asylanerkennung oder

subsidiärem Schutzstatus endet, erhalten die Betroffenen

zwar freien Zugang zum Arbeitsmarkt, sie sind dann allerdings

mit weiteren Hürden konfrontiert. Diese reichen von

Sprachbarrieren – verstärkt durch die weiter oben genannten

Kürzungen – bis zu Herausforderungen durch langwierige

Verfahren bei der Anerkennung ausländischer

Bildungsabschlüsse oder Berufserfahrungen, sowie Unkenntnis

des lokalen Arbeitsmarktes. 291

Dennoch hat das österreichische Arbeitsmarktservice (AMS)

eine positive Bilanz gezogen, was die Arbeitsmarktintegration

von Geflüchteten angeht.

Laut AMS sind 44 Prozent der Geflüchteten, die

im Jahr 2015 in Österreich angekommen sind,

inzwischen auf dem Arbeitsmarkt integriert.

Dies ist eine im europäischen Durchschnittsvergleich gute

Bilanz. 292 Wirft man einen genaueren Blick auf die Zahlen,

wird allerdings auch ersichtlich, dass ein Großteil der Geflüchteten

lediglich als Hilfsarbeiter*innen tätig ist. 293 Das

bedeutet, dass das Potential, welches die Geflüchteten mitbringen,

dem österreichischen Arbeitsmarkt verloren geht.

Tomic und Panek von AST verorten dabei verschiedene

Probleme: Es fehlt an langfristigen und nachhaltigen Investitionen,

um Menschen mit im Ausland erworbenen Qua-

285

Tomic/Panek, Arbeitsmarktintegration und Anerkennung im Ausland

286

Akari, Asylum Seekers in the EU Labour Market: The Example of Swe-

288

Szigetvari, Höchstgericht kippt Jobzugang für Asylwerber, der Standard,

291

Verwiebe et al, Journal of Ethnic and Migration Studies, 2019, S.1402.

erworbener Qualifikationen in Österreich - Perspektiven von AST, den, 2019.

14.05.2020.

292

APA, 44 Prozent der Flüchtlinge von 2015 haben inzwischen einen Job,

24.09.2019. (50:00)

287

Projekt CORE, Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Österreich

289

Ghazarian/Wurzenrainer, Bildung und Arbeitsmarktintegration im Integrationshaus,

der Standard, 28.07.2019.

– Handbuch für Multiplikator*innen, 2019; AIDA, Access to the labour

16.09.2019. (36:30)

293

Szigetvari, Flüchtlinge erhalten in Österreich oft nur Niedrigstlöhne,

market - Austria, 2019; Vgl. Kapitel Asylverfahren.

290

Integrationshaus, AK_Jug, <https://www.integrationshaus.at/de/projekteprogramme/bildung/ak-jug>.

der Standard, 30.07.2019.

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