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Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"

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nötige Parteilichkeit der Rechtsberater*innen auf und bringt

diese in einen zusätzlichen Interessenskonflikt zwischen

den Interessen der Klient*innen und der Befolgung von Vorgaben

des Dienstgebers. 238

Das neue Gesetz sieht zudem eine Reihe von weiteren Ausnahmen

und Beschränkungen vor, in denen keine Rechtsberatung

vorgesehen ist, beispielsweise in gewissen Fällen im

Zulassungsverfahren. Damit liegt es zum Teil im Ermessen

der Behörde, ob der Anspruch auf Rechtsberatung gewährt

wird oder eben nicht. Unklar bleibt auch, ob der Zugang zur

Rechtsberatung für Personen, die einer Gebietsbeschränkung

unterliegen, überhaupt möglich sein wird. Eine weitere

Beschränkung ist der Wegfall der 24-Stunden Wartefrist vor

der Einvernahme, damit die Rechtsberater*innen Vorbereitungszeit

haben, des Weiteren der Wegfall von Beratung und

Vertretung bei Kostenersatzentscheidungen, Aufhebung

und Verkürzung von Einreise- und Aufenthaltsverboten sowie

Entscheidungen über die Ausstellung eines Fremdenbzw.

Konventionspasses.

Die Rückkehrberatung soll künftig ebenfalls von der Bundesagentur

durchgeführt werden. Auch dies ein Bereich, der

bisher von NGOs bearbeitet wurde. Dass nun eine staatliche

Institution, die auch unfreiwillige Rückführungen durchsetzt,

für die Beratung zur freiwilligen Rückkehr zuständig

ist, ist in Hinblick auf die Klient*innen dem Aufbau eines

Vertrauensverhältnisses nicht förderlich. Die Glaubwürdigkeit

des Beratungsangebots ist maßgeblich für ein vertrauensvolles

Verhältnis zwischen Klient*in und der Beratungsinstitution

und damit ausschlaggebend für Entscheidungen

der Betroffenen. Dies ist mit der Unterstellung sowohl der

Rechtsberatung wie auch der Rückkehrberatung unter das

Innenministerium nicht mehr gegeben.

Qualitätssicherung und

Kosteneinsparungen nicht ersichtlich

Begründet wurde die Einführung der Bundesagentur mitunter

damit, dass für eine Qualitätssicherung auf hohem

Niveau gesorgt werden soll. Da sich im Gesetzestext allerdings

kaum Regelungen, welche zur Qualitätssicherung beitragen

oder diese gar fördern sollen, finden, ist es äußerst

fraglich, wie diese Qualitätssteigerung erzielt werden soll.

Kritisiert wird dahingehend insbesondere, dass es keine Anpassung

der Mindestanforderungen für Qualifikationen der

Berater*innen, was Ausbildung und Erfahrung angeht, gibt.

Mitunter durch die Lobbyarbeit der Kampagne #FairLassen

ist es gelungen, dass beispielsweise ein Jurastudium sowie

Beratungserfahrungen als Voraussetzungskriterien für die

zukünftigen Rechtsberater*innen aufgenommen wurden.

Darüber hinaus muss aber auch dafür gesorgt sein, dass den

Berater*innen ausreichend Kapazitäten und Ressourcen zur

Verfügung stehen. Gleiches gilt für die Dolmetscher*innen:

Auch diese sollten eine qualitativ hochwertige Ausbildung

vorweisen, wie dies UNHCR schon lange fordert. Damit

kann endlich der enormen Bedeutung, die der Übersetzung

im Asylverfahren zukommt, Rechnung getragen werden.

Auch organisatorisch soll sichergestellt werden, dass die

Übersetzer*innen ihre Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei

durchführen können, wie dies im Gesetzestext vorgesehen

ist.

Auch die Grundversorgung auf Bundesebene soll noch im

Jahr 2020 Aufgabe der neuen Bundesagentur werden. Damit

könnte der Zugang der Zivilgesellschaft zu Asylwerber*innen

weiter erschwert werden, wie dies beispielsweise im Rückkehrzentrum

am Tiroler Bürglkopf bei Fieberbrunn bereits

der Fall ist. Dies trägt zusätzlich dazu bei, dass ein geschlossenes

System entsteht, das schutzsuchende Menschen vom

Rest der Gesellschaft isoliert. Wichtig ist laut UNHCR in dem

Fall besonders, dass zumindest das Personal ausreichend

ausgebildet und qualifiziert ist, um eine adäquate pädagogische

und psychologische Betreuung zu bieten und Missstände

festzustellen, damit Rechtsansprüchen und dem geforderten

Schutz von Geflüchteten Rechnung getragen wird. Auch

auf die Identifizierung und Versorgung von vulnerablen Personen

muss ein starkes Augenmerk gelegt werden. Sinnvoll

wäre es insbesondere, unbegleitete Kinder und Jugendliche

im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe unter zu bringen,

wie dies auch vom Integrationshaus schon lange gefordert

wird. Damit könnte diese besonders vulnerable Gruppe effektiver

vor Gewalt und Missbrauch geschützt werden. 239

Als weitere Begründung für die Einführung der Bundesagentur

wurde angeführt, dass die Abhängigkeiten gegenüber

externen Leistungserbringer*innen abgebaut werden und

Kosteneinsparungen erzielt werden sollten. Es ist allerdings

nicht ersichtlich, wie diese finanziellen Einsparungen erreicht

werden sollen. Die Diakonie befürchtet dahingehend,

dass die Errichtung der BBU zu erheblichen Mehrkosten führen

wird, da die Mittel der öffentlichen Hand bisher schon

nicht ausreichend waren, um eine qualitätsvolle Rechtsberatung

und -vertretung sicher zu stellen. Die Diakonie musste

massiv zusätzliche Spendenmittel einsetzen. 240

Unabhängige Rechtsberatungen

weiterhin notwendig

Die spendenfinanzierte unabhängige Rechtsberatung des

Integrationshauses wird auch weiterhin tätig sein. Auch die

Diakonie hat bereits einen Hilfsfonds für eine unabhängige

Rechtsberatung eingerichtet und sammelt Spenden, um

ihre Beratungstätigkeit weiter aufrechterhalten zu können.

Michael Weiss ist sich sicher, dass durch die Zusammenarbeit

der zahlreichen engagierten zivilgesellschaftlichen sowie

professionellen Netzwerke und durch viel Engagement

auch weiterhin Erfolge erstritten werden können. „Wir hatten

auch früher immer wieder sehr aussichtslos wirkende

Fallsituationen, für die sich letztlich dann doch eine Lösung

gefunden hat“, so Weiss. „Das wird auch weiterhin unsere

Aufgabe sein. Unsere langjährige Tätigkeit und Erfahrung in

diesem Bereich hilft uns beim Finden von Lösungen.“ 241

Dafür braucht es verschiedene Strategien und jeder Einzelfall

muss genau geprüft werden. Einerseits müssen Fälle –

auch solche, bei denen es scheinbar keine Lösung gibt – mit

viel Beharrlichkeit und einer guten Aufarbeitung vor Gericht

durchgefochten werden. Andererseits braucht es auch Lobbyarbeit

und die Bereitschaft, teils Fälle in der Öffentlichkeit

durchzukämpfen. Als Teil der Kampagne #FairLassen fordert

das Integrationshaus eine menschenwürdige Versorgung

und Betreuung Schutzsuchender und eine strikt unabhängige

und qualitätsvolle Rechtsberatung und -vertretung, sowie

ein bedingungsloses Bekenntnis zu rechtsstaatlichen Verfahren.

242

238

Integrationshaus, Stellungnahme des Integrationshauses zum BBU-

239

UNHCR Österreich, UNHCR-Analyse des Entwurfs für ein BBU-

241

Weiss, Die Rechtsberatung des Integrationshauses, 19.11.2019. (1:09:20)

Gesetz, 12.04.2019; Weiss, Die Rechtsberatung des Integrationshauses,

Errichtungsgesetz, 2019; Agenda Asyl, Stellungnahme zum Bundesgesetz

242

#FairLassen, Für unabhängige Asylrechtsberatung, <https://www.fairlassen.at/>.

19.11.2019.

(BBU-Errichtungsgesetz), 2019.

240

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag, Wahrnehmungsbericht

120

2018/2019; Diakonie Österreich, Bundesbetreuungsagentur ist Blackbox

und Feigenblatt, 15.03.2019.

121

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