Monitoringbericht "Flüchten - Ankommen - Bleiben!?"
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Psychosoziale Beratung:
Ein notwendiges
Unterstützungsangebot
In den letzten Jahren ist es auf zahlreichen Ebenen für
schutzsuchende sowie schutzberechtigte Personen zu Verschlechterungen
und Einschränkungen in verschiedenen
Lebensbereichen gekommen. So wurden zahlreiche integrative
Maßnahmen stark reduziert oder gänzlich abgeschafft,
wie beispielsweise der Zugang zu Lehrstellen in Mangelberufen
für Asylwerber*innen. Hinzu kommt, dass sich die Situation
sowohl auf dem Arbeits- wie auch dem Wohnungsmarkt
deutlich verschärft hat. Die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt
sind, was mitgebrachte Vorbildung, Sprachkenntnisse
und Arbeitserfahrung angeht, gestiegen. Auch wird es immer
schwieriger, leistbaren Wohnraum zu finden, insbesondere
in großen Städten wie Wien. Geflüchtete sind in diesen
und auch anderen sozialpolitischen Belangen vermehrt Diskriminierungen
und Benachteiligungen ausgesetzt. Sie sind
somit die ersten, die diese Verschärfungen zu spüren bekommen.
243
Unter den jetzigen extrem schwierigen Bedingungen ist es
für geflüchtete Menschen unabdingbar, Zugang zu niederschwelligen
Beratungsangeboten zu haben. Gute Sozialberatung
verhindert ein Abgleiten in Armut, Wohnungslosigkeit
oder psychische Erkrankung, leistet daher auch präventive
Arbeit und trägt zum Erhalt eines funktionierenden Sozialsystems
bei. Martina Lebbihiat-Müller, langjährige Beraterin
in der psychosozialen Beratungsstelle des Integrationshauses,
hebt hervor: „Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch ein
Recht auf ein freies und gesundes Leben hat. Diese Haltung
ist sehr entscheidend. […] Darin sehen wir auch unseren gesellschaftspolitischen
Auftrag.“ 244
Auch im Bereich der psychosozialen Beratung hat das Integrationshaus
als Teil des Dachverbands Wiener Sozialeinrichtungen
an der Ausarbeitung von Qualitätsleitlinien
für Beratungsstellen für Personen in der Grundversorgung
mitgearbeitet und damit eine Grundlage geschaffen, die
Professionalität und Zielgruppenorientierung als Grundkonsens
festlegt, auf der weiter aufgebaut werden kann.
Freiwilligkeit und Vertraulichkeit stehen dabei an oberster
Stelle. Festgehalten sind außerdem Niederschwelligkeit, Ressourcen-
und Bedarfsorientierung, sowie die Förderung der
Selbstermächtigung und gesellschaftlichen Partizipation
der Klient*innen. Daneben sind auch Kriterien festgehalten,
welche die Professionalität der Mitarbeiter*innen sowie der
gesamten Organisation garantieren wie auch das räumliche
Setting skizzieren, um ein geeignetes Beratungsklima zu
schaffen. 245
Expertise aus dem Integrationshaus:
Die psychosoziale Beratungsstelle
für Personen in der Grundversorgung
Das Integrationshaus setzt darüber hinaus weitere Leitlinien
für die psychosoziale Beratung um. Wichtig ist dabei insbesondere
das mehrsprachige Beratungsangebot, um dadurch
auch der diversen gesellschaftlichen Realität gerecht zu werden.
„Wir haben von Anfang an das Konzept der Mehrsprachigkeit
umgesetzt, und […] darauf geachtet, dass möglichst
viele Sprachen im Team vertreten sind“, erklärt Lebbihiat-
Müller, die bereits seit der Gründung der Beratungsstelle
2005 im Integrationshaus tätig ist. „Flucht und Migration
lösen immer auch ein Trauma aus oder sehr belastende Situationen,
die lange nachwirken. Darüber in einer Fremdsprache
zu sprechen ist schwierig. […]Das heißt, dass es immens
wichtig für die Menschen ist, dass sie in ihrer Herkunftssprache
sprechen können oder in einer Sprache, die sie sehr gut
beherrschen.“ 246 Deshalb arbeitet das Team bei Bedarf auch
mit Sprachmittler*innen. 247
Durch die zunehmende Komplexität und stetige Veränderungen
in den verschiedenen Lebensbereichen ist eine Spezialisierung
der Beratung hilfreich. Dem ist das Integrationshaus
schon früh durch spezialisierte Beratungsangebote nachgekommen,
vorerst in den Bereichen Wohnen sowie Arbeit
und Ausbildung. Inzwischen stehen auch spezialisierte psychosoziale
Beratungsangebote für die Zielgruppen Jugendliche
und junge Erwachsene, Mädchen und Frauen, sowie für
Menschen mit psychischen Belastungen zur Verfügung. In
Hinblick auf die Niederschwelligkeit ist allerdings nach wie
vor die allgemeine psychosoziale Beratung sehr wichtig: „In
einem ersten Clearinggespräch wird von den Berater*innen
abgeklärt, worum es geht. […] Wenn es allerdings um mit Tabus
besetzte Themen geht oder es sehr persönliche Themen
sind, dann ist das zu Beginn oft schwierig. Man lernt als Beraterin
den Menschen ja erst kennen und er dich, da muss man
vorsichtiger vorgehen“, so Lebbihiat-Müller. 248
Es gibt auch Überschneidungen und viel Wissensaustausch
zwischen den verschiedenen Berater*innen, die über sehr
viel Spezial- und Detailwissen in ihren Arbeitsbereichen
verfügen. Wichtig ist es zudem, dass die Berater*innen ein
ausgeprägtes Wissen und umfassendes Verständnis der
psychosozialen Lebenslagen und der Situation in den Herkunftsregionen
der Klient*innen mitbringen sowie einen
respektvollen und achtsamen Umgang damit pflegen. Das
Beratungsteam ist also nicht nur mehrsprachig, sondern
auch multiprofessionell und verfügt neben einer umfassenden
fachlichen Kompetenz auch über transkulturelle Kompetenzen.
Spezialisierte Wohnberatung
Vorrangige Ziele der psychosozialen Beratung sind immer
das Empowerment und die Förderung der sozialen Teilhabe
der Klient*innen. Ein Beispiel dafür ist die spezialisierte
Wohnberatung. Diese richtet sich vor allem an Personen,
die vor kurzem einen Schutzstatus zuerkannt bekommen
haben. Überprüft wird dann, ob ein Anspruch auf eine geförderte
Wohnung besteht. Dafür wird viel Vernetzungsarbeit
von Seiten der spezialisierten Berater*innen geleistet.
243
SOS Mitmensch, Integrationsbericht: Rückkehr der Integrationspolitik?,
244
Lebbihiat-Müller, Die psychosoziale Beratungsstelle des Integrationshau-
246
Lebbihiat-Müller, Die psychosoziale Beratungsstelle des Integrationshau-
248
Lebbihiat-Müller, Die psychosoziale Beratungsstelle des Integrationshau-
08.06.2020.
ses, 08.04.2020.
245
Dachverband Wiener Sozialeinrichtungen, Qualitätsleitlinien Wiener
Flüchtlingshilfe - Leitlinien für Wohneinrichtungen und Beratungsstellen der
Organisationen der Wiener Flüchtlingshilfe, 11.2018.
ses, 08.04.2020. (11:00)
247
Strohmeier, Mehrsprachigkeit und soziale Teilhabe: Analyse eines mehrsprachigen
Beratungsangebots, Soziales_Kapital: Wissenschaftliches Journal
Österreichischer Fachhochschul-Studiengänge Soziale Arbeit, 2016.
ses, 08.04.2020. (15:00)
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