sortimenterbrief Juli/August 2021 - jubiläumsausgabe
40 Jahre sortimenterbrief. Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/august 2021.
40 Jahre sortimenterbrief. Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/august 2021.
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mobilitätsformen neu denken<br />
vielleicht am meisten brauchen, und<br />
sozialen Mobilitätsrevoluzzern, die an<br />
Projekten dazu arbeiten, eine Plattform<br />
zu geben.<br />
Dabei darf Mobilität durchaus etwas<br />
kosten – aber dann muss sie auch einen<br />
hohen Mehrwert schaffen. Das führt<br />
zu der Überlegung, ob wir alle neuen<br />
Mobilitätsinnovationen tatsächlich immer<br />
nur in den Zentren unserer Großstädte<br />
brauchen oder ob wir die neuen<br />
Mobilitätsinnovationen nicht bewusst<br />
dorthin bringen sollten, wo sie einen<br />
besonders hohen gesellschaftlichen<br />
Beitrag leisten können. Genau dann –<br />
das ist das Schöne – treffen sich nämlich<br />
die sozialen und die wirtschaftlichen<br />
Aspekte und greifen im besten Fall<br />
ineinander.<br />
Derzeit muss ich feststellen, dass unsere<br />
Mobilität noch nicht so vielseitig ist,<br />
wie ich es mir wünschen würde. Für zu<br />
viele Zielgruppen ist Mobilität noch zu<br />
mühsam, zu lang, zu kompliziert und<br />
zu teuer. Wenn wir dahin kommen,<br />
mehr Vielfalt zuzulassen, können wir<br />
auch besser auf die unterschiedlichen<br />
Bedarfe unserer Gesellschaft eingehen.<br />
Angesichts all der kreativen Köpfe, die<br />
ich in meinem Buch vorstelle und die<br />
mit großem Engagement neue, bessere<br />
Lösungen entwickeln als die bisherigen,<br />
bin ich da sehr optimistisch!<br />
Können Sie uns kurz das Ziel der<br />
Vereinten Nationen skizzieren, wie<br />
Mobilität bis 2030 aussehen soll?<br />
Kahle: Die Vereinten Nationen haben<br />
sich auf 17 globale Nachhaltigkeitsziele<br />
festgelegt. Eines davon, das Ziel 11,<br />
beschreibt nachhaltige Städte und<br />
Gemeinden. Dabei wird auch sehr<br />
genau beschrieben, wie Mobilität bis<br />
2030 aussehen soll: Der Zugang zu<br />
sicheren, bezahlbaren, zugänglichen<br />
und nachhaltigen Verkehrssystemen<br />
soll für alle möglich sein. Dafür soll<br />
insbesondere der öffentliche Verkehr<br />
ausgebaut werden, „mit besonderem<br />
Augenmerk auf den Bedürfnissen von<br />
Menschen in prekären Situationen,<br />
Frauen, Kindern, Menschen mit Behinderungen<br />
und älteren Menschen“.<br />
Es sind also gleichwertige Mobilitätschancen,<br />
-erfahrungen und Lebensverhältnisse<br />
für alle Bevölkerungsgruppen<br />
sicherzustellen – unabhängig<br />
von Alter, Geschlecht oder sozialer<br />
Herkunft.<br />
Nari Kahle: Mobilität in Bewegung<br />
Wie soziale Innovationen unsere mobile<br />
Zukunft revolutionieren<br />
Vorwort von Prof. Dr. Muhammad Yunus<br />
264 S., Paperback, 978-3-96739-060-5, € 25,80<br />
GABAL, ET: 17. <strong>August</strong>, zeitgleich auch als Hörbuch<br />
Das ist ein ambitioniertes und<br />
gleichzeitig sehr wichtiges Ziel, für das<br />
uns bis 2030 nicht mehr viel Zeit bleibt.<br />
Deswegen wollte ich mit diesem Buch<br />
den Fokus nicht auf den technischen<br />
oder ökologischen Aspekt legen, sondern<br />
auf die gesellschaftliche Perspektive.<br />
Wir brauchen bessere und vielseitigere<br />
Mobilitätslösungen und Zugänge für<br />
alle Zielgruppen unserer Gesellschaft.<br />
Im Vorwort von Friedensnobelpreisträger<br />
Professor Muhammad Yunus ist<br />
von globaler Mobilität die Rede. Was ist<br />
damit gemeint?<br />
Kahle: Das Vorwort, das Prof. Yunus für<br />
dieses Buch geschrieben hat, hat mich<br />
sehr berührt. Denn er hat sehr viel von<br />
seiner ganz persönlichen Erfahrung als<br />
Jugendlicher preisgegeben und berichtet<br />
von seiner Sicht auf unsere heutige<br />
Mobilität. Er ist davon überzeugt, dass<br />
eine globale Mobilität Menschen ermöglichen<br />
kann, neue Orte zu erreichen,<br />
Menschen kennenzulernen und die Welt<br />
zu erkunden.<br />
Das ist eine Vision, die ich teile: Wie viel<br />
besser würde es uns als Gesellschaft<br />
gehen, wenn wir dies realisieren könnten?<br />
Wie viel mehr gegenseitiges Verständnis<br />
könnte kulturübergreifend geschaffen<br />
werden, wenn Mobilität einen<br />
persönlichen Austausch ermöglichen<br />
würde?<br />
Was sind Mobilitätsplattformen?<br />
Kahle: Mobilitätsplattformen haben das<br />
Ziel, ein nahtloses Mobilitätserlebnis<br />
zu bieten, das idealerweise eine Türzu-Tür-Verbindung<br />
aufzeigt. Sie informieren<br />
über Buchungs- und Bezahlmöglichkeiten<br />
für alle Verkehrsmittel<br />
sowie über Veränderungen auf dem<br />
Weg. Damit sind sie ein ideales<br />
Angebot für jeden Zeitpunkt und jedes<br />
Mobilitätsbedürfnis.<br />
Doch so nützlich Plattformen sind, so<br />
haben sie auch ihre Schattenseiten. Und<br />
auf die sollten wir als Nutzer einen ganz<br />
genauen Blick werfen. Da geht es um<br />
die Fragen des Wettbewerbs in einem<br />
Markt und wie viel Vertrauen wir in die<br />
Auswahl und das Geschäftsmodell der<br />
Digitalplattform legen wollen. Ganz besonders<br />
am Herzen liegt mir die Frage,<br />
wie wir durch Plattformen Ausgrenzungen<br />
verhindern und allen eine einfache<br />
Nutzung ermöglichen können.<br />
Mobilitätsrevoluzzer entwickeln Lösungen<br />
für genau solche Herausforderungen<br />
– das macht doch Hoffnung, oder?<br />
Warum hat der Linienbus auf dem Land<br />
keine Chance mehr und was wären<br />
Alternativen im ländlichen Bereich?<br />
Wo liegen die Problemunterschiede<br />
(Schwerpunkte) in Stadt und Land?<br />
<strong>sortimenterbrief</strong> 7–8/21<br />
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