sortimenterbrief Juli/August 2021 - jubiläumsausgabe

loibelsberger mal ganz anders
genheit, wie sonst. Dieses Mal ist es ein
Zeitsprung in eine reale Zukunft.
Welchen Stellenwert und welche Aufgabe
hat die Musik bei Ihrem Projekt?
Loibelsberger:
Ich habe mein
ganzes Leben lang
Songtexte geschrieben.
1987 schrieb ich
den Sommerhit Eine
Grille auf der Brille
... zum Beispiel. Ich
schrieb auch für die
Bluespumpm einen
ganzen Songzyklus.
Diese meine Passion
fließt im neuen Roman
ein. Das gab mir stilistisch die
Möglichkeit, die Atmosphäre der
futuristischen Szenerie in einer zweiten
Dimension durch die Songtexte zu
erzählen und auch durch die Musik
den Lesern nahezubringen. Die Leser
können an vielen Stellen im Buch,
bei denen zur Handlung gehörende
Songtexte abgedruckt sind, mittels QR-
Code die Musikvideos konsumieren.
Micky Cola ist ein Crossmedia-Projekt.
Die Songtexte wechseln sich innerhalb
eines Liedes in Deutsch, Englisch und
Französisch ab. Warum?
Loibelsberger: Das geht auf Blade
Runner zurück. In diesem Film sprechen
die Menschen eine Kunstsprache, den
City-Rap. Diese Idee habe ich aufgegriffen.
Wer hat die Songs eingespielt?
Loibelsberger: Die Micky-Cola-Band,
die dazu gegründet wurde. Mike
Neumayr hat die Musik komponiert,
machte das Programming und spielte
auch die Keyboards. Er ist einer der
besten elektronischen Musiker in
Österreich, die ich kenne. Hinzu kommt
Kentaro Yoshii, der war vor seiner
Pension Solo-Cellist bei den Wiener
Symphonikern. Für die weibliche
Stimme habe ich Nina Streiter in die
Band geholt. Den männlichen Sprechgesang
übernahm ich selbst. An der
Fertigstellung des Romans und an der
musikalischen Umsetzung arbeitete ich
vier Jahre.
Gerhard Loibelsberger, MICKY COLA
207 Seiten, Hardcover, 978-3-8392-0050-6 ,
€ 24,70 | Gmeiner Verlag, ET: 7. Juli
www.mickycola.com
Das hört sich nach enorm viel Arbeit
an. Welche Botschaft schwingt im
Hintergrund des Projekts?
Loibelsberger: Es gibt kein noch so
perfides Überwachungssystem, gegen
das sich nicht ein einzelner Mensch
erfolgreich stellen kann – wenn er
entschlossen ist und die notwendige
destruktive Energie mitbringt. Wenn Sie
so wollen, reicht ein einziges Individuum,
um ein riesiges System zum Einsturz zu
bringen. Jedes einzelne menschliche
Wesen trägt dieses Vermögen in sich –
sich nicht zu beugen, sondern mit Erfolg
aufzubegehren.
Das ist ein schöner, Zuversicht schenkender
Gedanke.
Loibelsberger: Die Welt, in der sich
Micky Cola bewegt, wird von der Church
of Knowlege gesteuert. Dort ist das
Wissen der Welt gespeichert, das aber
den Menschen verborgen ist. Micky Cola
dringt in seiner Gier nach altem Wissen
immer wieder in die Zentralspeicher ein.
Wie entstand der Name Micky Cola?
Loibelsberger: Ich hatte damals in den
80ern einen Freund und Kollegen in der
Werbebranche, Mike Lynn – wir waren
Texter. Ich war mit ihm auch gemeinsam
auf der WU. Nach einer durchzechten
Nacht traf ich ihn und fragte, wie er denn
aussehe. Er antwortete: „Ja, ja – Micky
Cola abgefuckt!“ Ihm habe ich auch das
Buch gewidmet.
Wer hat die Grafik übernommen?
Loibelsberger: Durch einen Zufall bin
ich auf Jörg Vogeltanz gestoßen. Er ist
freischaffender Künstler und unterrichtet
in Graz an der Kunstuniversität
Computergestützte Entwurfsarbeit und
an der FH Joanneum Freies Zeichnen
Er ist ein brillanter Künstler, hat nicht
nur Cover und Illustrationen im Buch
gezeichnet, er hat auch die Website zum
Projekt gemacht: www.mickycola.com.
Und er hat auch alle Songs in Videos
umgesetzt. Es war richtiggehend ein
Zufall, dass ich ihn fand. Er ist auch mit
dem Cyberpunk sehr verbunden.
Was ist Cyberpunk?
Loibelsberger: Das ist eine Kunstrichtung,
die durch den Film Blade Runner
entstanden ist. Ich wusste erst durch
ihn, dass das, was ich bei diesem Projekt
machte, Cyberpunk ist. Ich befand mich
über Jahrzehnte in einer Gedankenwelt,
ohne zu wissen, dass es eine weltweite
Bewegung dazu gibt. Auf Facebook
gibt es Cyberpunk-Gruppen mit über
100.000 Mitgliedern. Ich bin erleichtert,
dass dieses jahrzehntelang dauernde
Projekt endlich fertiggestellt ist, Flügel
bekommen hat und abhebt.
Danke für das Gespräch!
sortimenterbrief 7–8/21
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