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sortimenterbrief Juli/August 2021 - jubiläumsausgabe

40 Jahre sortimenterbrief. Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/august 2021.

40 Jahre sortimenterbrief. Das österreichische Branchenmagazin für Buchmarkt, Buchverkauf und Buchwerbung. Ausgabe Juli/august 2021.

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40 jahre <strong>sortimenterbrief</strong> – zukunftsgedanken<br />

halten wurde und wird jedoch permanent<br />

durch die Big Player verändert<br />

und geprägt. Das bringt laufend Nachzugsbedarf<br />

– vieles davon ist aber für<br />

einzelne Webshops nicht leistbar. Bereits<br />

heute werden daher Zusammenschlüsse<br />

gelebt und den Buchhandlungen<br />

zur Teilnahme angeboten. Die<br />

Onlinepositionen sind klar zu besetzen.<br />

Das wird einer der Knackpunkte der<br />

kommenden Jahre: Online-Qualität<br />

gepaart mit Kompetenz auf der stationären<br />

Fläche. Natürlich kann durch<br />

herausragende Charaktere der Onlinebereich<br />

in Einzelfällen auch ausgeklammert<br />

werden. Dafür gibt es<br />

genug Beispiele. Mit dem Abgang dieser<br />

Leuchtfiguren ist es dann jedoch<br />

meistens schwierig ... Ausbildung ist<br />

somit der vierte große Punkt auf meiner<br />

Zukunfts-Liste.<br />

Wie attraktiv ist das Berufsbild des<br />

Buchhändlers eigentlich noch für Jugendliche?<br />

Borovansky: Wir haben immer weniger<br />

Lehrlinge – parallel dazu gibt es<br />

auch hierzulande kein besonderes Fortbildungsangebot.<br />

Und das, was angeboten<br />

wird, wird nur sehr wenig genutzt.<br />

Veränderungen bei Aus- und<br />

Weiterbildung bedürfen der Mitarbeit<br />

aller Branchengruppen – das ist ein<br />

großes Thema. Das Image des Berufes<br />

ist im Moment kein besonders glänzendes.<br />

Vor und zur Zeit meiner<br />

Ausbildung war Buchhändler noch<br />

ein Traumberuf. Heute haben junge<br />

Menschen andere Träume. Universallösungen<br />

habe ich jedoch auch keine, die<br />

müssten gemeinsam erarbeitet werden.<br />

Bleibt nicht auch das aktive Verkaufen<br />

und Spaß daran haben ein wenig auf<br />

der Strecke?<br />

Borovansky: Man muss fürs Verkaufen<br />

brennen. Wir haben einige in der<br />

Branche, die das par excellence auch in<br />

der Öffentlichkeit vorexerzieren – viele<br />

machen es im Verborgenen. Aber ich<br />

gebe Ihnen recht: Da ist Luft nach oben<br />

– auch bei der Ausbildung. Wobei das<br />

Verkaufen alleine zu wenig wäre.<br />

Last but not least: Was definieren Sie als<br />

fünftes wichtiges Thema?<br />

Borovansky: Dieses beschäftigt sich<br />

mit unserem Gehirn respektive den<br />

Notwendigkeiten zu dessen Training<br />

und Aktivhaltung. Denken Sie ans<br />

Joggen – irgendwann wurde es zur<br />

großen Bewegung, fand seinen fixen<br />

Platz in der Gesellschaft. Es fordert, ist<br />

alles andere als gemütlich, strengt an –<br />

aber es bringt etwas. Ich denke, dass wir<br />

langsam in die Phase kommen, wo die<br />

Gesellschaft erkennt, dass wir auch das<br />

Gehirn regelmäßig trainieren müssen.<br />

Lesen übernimmt hierbei eine ganz<br />

wichtige Funktion. Die Stiftung Lesen<br />

forscht sehr viel in dieser Richtung –<br />

dazu werden wir in der nahen Zukunft<br />

sicher mehr lesen.<br />

Also könnte eine „Hirn-Fitness-Bewegung“<br />

den Stellenwert des Lesens beflügeln?<br />

Ein Lesen-Wollen im Gegensatz<br />

zu einem Lesen-Müssen?<br />

Borovansky: Lesen ist aufwendiger, als<br />

passiv eine Serie zu konsumieren. Daher<br />

braucht es die notwendige Motivation.<br />

Lesen steht – wie wir wissen – als<br />

Freizeitbeschäftigung in hoher Konkurrenz<br />

zu Internet-Serien und -Filmen.<br />

Es muss den Menschen also klar werden,<br />

was das Lesen einem bringt. Dann<br />

werden sie es wieder verstärkt tun. Das<br />

wird keine Umsatzsteigerungen mit sich<br />

ziehen, aber es kann das vorhandene<br />

Niveau stabilisieren.<br />

Wie sieht die Buchhandlung der Zukunft<br />

aus – haben Sie eine Vision?<br />

Borovansky: Der Ort, wo Buchkäufe in<br />

Zukunft stattfinden, wird aus Sicht der<br />

Konsumenten unbedeutender werden.<br />

Manche Händler werden stationäre<br />

Schwerpunkte haben, andere werden im<br />

Internet reüssieren. Die Buchhandlung<br />

der Zukunft muss jedoch beide Welten<br />

abbilden können, den Buchhandel auf<br />

allen Kanälen zugänglich machen. Wir<br />

haben zwar das Asset der stationären<br />

Flächen – andererseits werden wir von<br />

den internationalen Internetgiganten<br />

noch einige Vorlagen bekommen, die<br />

uns zu schaffen machen werden.<br />

Müssen wir dem Takt der großen Onlineriesen<br />

nachhüpfen ... weil diese auch<br />

das Konsumverhalten verändern?<br />

Borovansky: Das sehe ich nur teilweise<br />

so. Denken Sie beispielsweise an<br />

Deutschland, wo bereits jetzt das Amazon-Flex-Programm<br />

ausgerollt wird:<br />

Bestellung und Lieferung am selben Tag.<br />

Daran gewöhnt man sich irgendwann<br />

als Konsument, und so müssen wir da<br />

durchaus etwas nachziehen, sollten dabei<br />

aber nicht übertreiben.<br />

Wo sehen Sie die Buchhandelsgrößen<br />

der Zukunft?<br />

Borovansky: Ich glaube, dass die<br />

Flächen kleiner werden. Der Trend<br />

hat ja bereits begonnen. Es wird aber<br />

Läden in allen Schattierungen und<br />

Größen geben. Man wird sich dort als<br />

Kunde gut aufgehoben fühlen, wo man<br />

auf Kompetenz trifft. Was die Dichte<br />

betrifft, denke ich, dass die Landschaft<br />

stabil bleibt – wenn die Hausaufgaben<br />

innovativ erledigt werden.<br />

Der Spielraum ist doch eng, personelle<br />

und finanzielle Ressourcen sind knapp ...<br />

Borovansky: Es ist schwierig, aber es<br />

gibt diejenigen, die sich etwas trauen –<br />

sich selbst bei Bedarf neu erfinden. Was<br />

mich besorgt, sind die Kollegen, die gerne<br />

in Pension gehen würden, aber<br />

zum Teil keine Nachfolger finden. Andererseits<br />

ist es erfreulich, dass immer<br />

wieder neue Buchhandlungen öffnen.<br />

Wer Ideen und ein individuelles Geschäftsmodell<br />

hat und dieses mit aktiver<br />

Multichannel-Verschränkung lebt, hat<br />

gute Chancen für die Zukunft.<br />

Danke für das Gespräch!<br />

<strong>sortimenterbrief</strong> 7-8/21<br />

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