altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Januar/Februar 2022
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Definitiv. Wer keine Termine wahrnimmt,<br />
seine Zeit im Parlament<br />
mehr oder weniger nur absitzt,<br />
streicht diese 3 500 Euro vollständig<br />
ein… Solche Abgeordneten<br />
gibt’s leider auch.<br />
Abgesehen davon brauchen Sie Büros,<br />
Technik und Mitarbeiter?<br />
Als MdL habe ich einen Anspruch<br />
auf zwei Vollzeit-Mitarbeiter, <strong>für</strong><br />
die es einen Sondertopf in Höhe<br />
von rund 130 000 Euro gibt. Ich beschäftige<br />
eine Vollzeitmitarbeiterin<br />
und zwei Teilzeitkräfte. Eineinhalb<br />
arbeiten in meinem Stimmkreis-<br />
Büro in Weilheim, die andere<br />
halbe Kraft in ihrem Homeoffice<br />
in Starnberg. Außerdem können<br />
wir <strong>für</strong> technische Ausstattung<br />
meiner Büros pro Legislatur, also<br />
innerhalb von fünf Jahren, 12 500<br />
Euro abrechnen. Mit dieser Summe<br />
musst du gut haushalten, <strong>den</strong>n<br />
in Zeiten der Digitalisierung, in der<br />
Social Media eine zentrale Rolle<br />
spielt, ist es mit PC, Laptop, Handy<br />
und Tablet allein nicht getan.<br />
Worum kümmern sich Ihre Mitarbeiter?<br />
Um alles, wo<strong>für</strong> ich keine Zeit<br />
habe. Zum Beispiel Terminmanagement,<br />
Hintergrundrecherche zu<br />
Themen außerhalb meines Spezialgebiets,<br />
sowie Formulierungen<br />
von Anträgen.<br />
<strong>Das</strong> müssen absolute Vertrauenspersonen<br />
sein.<br />
Bei der Suche nach einem geeigneten<br />
Team habe ich in der Tat das<br />
Fachliche etwas hintenangestellt.<br />
Mir war wichtig, dass ich diese<br />
Personen schon länger kenne, dass<br />
ich mich zu 100 Prozent auf sie verlassen<br />
kann, mit ihnen auf einer<br />
Wellenlänge bin und, ganz wichtig,<br />
gut mit ihnen streiten kann.<br />
Apropos „streiten“: Die größten<br />
Missstände in der Pflege?<br />
In diesem Land, egal ob Bayern<br />
oder Deutschland, kommt es täglich,<br />
hinter verschlossenen Türen,<br />
in Privatwohnungen, Altenheimen<br />
oder Kliniken, zu Menschenrechtsverletzungen,<br />
weil eine adäquate<br />
pflegerische Versorgung aufgrund<br />
eines akuten Fachkräftemangels<br />
nicht gewährleistet ist.<br />
Wir beschweren uns völlig zurecht,<br />
dass die Taliban auf Menschenrechte<br />
so gar nichts geben. <strong>Das</strong>s wir<br />
aber im Bereich der Pflege genauso<br />
Menschenrechtsverletzungen haben,<br />
diese aber nicht wahrnehmen<br />
oder wahrnehmen wollen, ist ein<br />
großes Problem bei uns.<br />
Und eine schier unlösbare Aufgabe?<br />
Der Karren wurde über 40 Jahre<br />
hinweg kontinuierlich in <strong>den</strong> Dreck<br />
geschoben. Insofern ist es Utopie,<br />
ihn in wenigen Jahren wieder herauszuziehen.<br />
Aber, mit kleinen<br />
Schritten, kein Ding der Unmöglichkeit.<br />
Zur Überbrückung einer<br />
nachhaltigen Lösung brauchen wir<br />
auf je<strong>den</strong> Fall Pflegekräfte aus dem<br />
Ausland, allerdings aus Ländern,<br />
und die gibt’s, in <strong>den</strong>en es weniger<br />
alte Menschen als junge gibt.<br />
Zum Beispiel auf <strong>den</strong> Philippinen.<br />
Viel wichtiger aber ist, dass wir im<br />
Pflegebereich Arbeitsbedingungen<br />
schaffen, um auf Menschen aus<br />
dem Ausland nicht mehr angewiesen<br />
zu sein. Wir als Mitteleuropäer<br />
müssen selbst Lust darauf haben,<br />
in Pflegeberufen zu arbeiten. Ein<br />
Knackpunkt: In Deutschland geben<br />
die Krankenkassen vor, wie viel<br />
man <strong>für</strong> welche Leistung bezahlt<br />
bekommt. Und genau das ist das<br />
Problem – wenn mein Auto stehen<br />
bleibt, kann ich es auch nicht in die<br />
Werkstätte bringen, dem Mechaniker<br />
200 Euro in die Hand drücken<br />
und sagen: Bring es wieder zum<br />
Laufen, egal was fehlt, egal wie<br />
viel Arbeit da<strong>für</strong> notwendig ist.<br />
Deshalb brauchen wir ein anderes<br />
Gesundheitssystem, müssen diese<br />
Fallpauschalen endlich über<strong>den</strong>ken.<br />
Auch wichtig: Prävention, um<br />
Krankheiten und Pflegebedürftigkeiten<br />
in Zukunft zu reduzieren,<br />
zum Beispiel durch Seniorenfreundliche<br />
Innenraumgestaltung.<br />
Und: Warum nicht einen Roboter<br />
einsetzen, der <strong>für</strong> mich kocht, weil<br />
ich es selbst nicht mehr kann.<br />
Und wie wäre es mit familieninterner<br />
Eigenverantwortung – Kinder<br />
pflegen ihre Eltern?<br />
Stand heute wer<strong>den</strong> nach wie vor<br />
72 Prozent aller Pflegebedürftigen<br />
von Angehörigen versorgt, was<br />
extrem wichtig ist. Und trotzdem<br />
dürfen wir uns auf dieses System<br />
in Zukunft nicht verlassen. Die jungen<br />
Menschen, so bis 35, führen<br />
ein komplett anderes Leben als<br />
ein, zwei Generationen vor ihnen.<br />
Bestes Beispiel bin ich selbst: Vom<br />
fachlichen her könnte ich locker<br />
die Pflege meiner Eltern übernehmen,<br />
lebe aber 350 Kilometer<br />
von ihnen entfernt – und bin damit<br />
kein Einzelfall in einer deutlich<br />
mobileren, globalisierteren Welt.<br />
Hinzu kommt: In <strong>den</strong> meisten<br />
Fällen übernehmen die Angehörigenpflege<br />
Frauen, die vorher ihren<br />
sozialversicherungspflichtigen Job<br />
bereits <strong>für</strong> die Kindererziehung<br />
aufgegeben haben, danach direkt<br />
die Pflege von Eltern und zum Teil<br />
Großeltern oder Schwiegereltern<br />
übernehmen, letztlich 55 bis 60<br />
Jahre alt, insofern seit 30 Jahren<br />
nicht mehr in ihrem gelernten Beruf<br />
tätig und deshalb chancenlos<br />
auf dem Primär-Arbeitsmarkt sind.<br />
Kurzum: Die heute pflegende Angehörige<br />
ist unter Umstän<strong>den</strong> diejenige,<br />
die im Alter auf Sozialhilfe<br />
angewiesen ist. Und das darf man<br />
nicht zulassen. Abgesehen davon<br />
funktioniert dieses Angehörigen-<br />
Pflege-Modell allein aufgrund des<br />
nach wie vor immer stärker wer<strong>den</strong><strong>den</strong><br />
demografischen Wandels<br />
ohnehin nicht in Zukunft.<br />
Themenunabhängig: Wie viel Gehör<br />
fin<strong>den</strong> die oppositionellen Grünen<br />
(38 Abgeordnete) in einem CSUdominierten<br />
(85 Abgeordnete) Freistaat?<br />
In der Außenwirkung macht die<br />
CSU mit uns, was sie will. So ehrlich<br />
muss man sein. Selbst wenn<br />
12 | <strong>altlandkreis</strong>