altlandkreis - Das Magazin für den westlichen Pfaffenwinkel - Ausgabe Januar/Februar 2022
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Georg Riedle aus Burggen<br />
Ein Bäckermeister <strong>für</strong>s Leben<br />
Burggen | Georg Riedle, 85, steht<br />
seit 70 (!) Jahren in der Backstube.<br />
Beginnend nach seinem letzten<br />
Schultag am 30. Juli 1951, an<br />
dem er <strong>den</strong> Volksschulabschluss<br />
in der Tasche, sowie<br />
eine Lehrstelle sicher hatte.<br />
Entsprechend groß<br />
war seine Freude auf<br />
die schönste Zeit<br />
dazwischen, die<br />
letzten Ferien<br />
seines Lebens.<br />
Doch<br />
daraus wurde<br />
nichts, weil ihn sein künftiger<br />
Lehrmeister von jetzt auf gleich<br />
brauchte. So ging es <strong>für</strong> <strong>den</strong> damals<br />
15-Jährigen direkt aus der<br />
Schule ins Bäckerhaus. <strong>Das</strong> befand<br />
sich allerdings nicht in seinem<br />
Heimatort Epfach, sondern<br />
im benachbarten Apfeldorf. Aus<br />
heutiger, global betrachteter<br />
Sichtweise ein sprichwörtlicher<br />
Katzensprung entfernt. Nicht so<br />
<strong>für</strong> Georg Riedle damals. „Obwohl<br />
ich von meinem Lehrmeister<br />
gut aufgenommen und behandelt<br />
wurde, und auch das Essen einwandfrei<br />
war, ist es eine harte<br />
Zeit gewesen.“ Er vermisste seine<br />
Geschwister, <strong>den</strong> elterlichen Bauernhof<br />
und die Schreinerwerkstätte<br />
seines Vaters ebenso wie das<br />
Aktivsein im Trachtenverein und<br />
als Ministrant. Vom ersten Tag an<br />
plagte ihn starkes Heimweh, was<br />
durch minutenlanges Hinausschauen<br />
aus seinem Zimmerfenster<br />
im Apfeldorfer Bäckerhaus mit<br />
Blick auf <strong>den</strong> Epfacher Kirchturm<br />
verständlicherweise nicht besser<br />
wurde. Noch weniger an Tagen, an<br />
<strong>den</strong>en Epfacher in Apfeldorf zugegen<br />
gewesen sind, „<strong>den</strong>en ich so<br />
lange hinterhergeschaut habe, bis<br />
sie verschwun<strong>den</strong> waren“. Umso<br />
größer war letztlich die Freude,<br />
wenigstens zwischen Samstagnachmittag<br />
und Sonntagabend<br />
nach Hause zu dürfen. Sein Vater<br />
gab ihm dann immer zwei Mark<br />
mit auf <strong>den</strong> Weg, die dank Unterbringung<br />
und Essen beim Lehrmeister<br />
die folgende Woche über<br />
gereicht haben. So konnte Georg<br />
Riedle sein eigentliches Lehrlingsgehalt,<br />
ebenfalls von seinem Vater<br />
ausgehandelt, bei Seite legen und<br />
sparen.<br />
Mit dem Fahrrad zur<br />
Berufsschule<br />
Im ersten Lehrjahr verdiente der<br />
junge Bäckerlehrling 10 Mark pro<br />
Monat, im zweiten 20 und im<br />
dritten 30. „Und täglich eine halbe<br />
Bier“, sagt Georg Riedle mit<br />
einem verschmitztem Grinsen im<br />
Gesicht. Beim Apfeldorfer Dorfwirt<br />
habe er zu Feierabend immer<br />
einen Krug voll Frischgezapftes<br />
abgeholt und dann brüderlich mit<br />
seinem Lehrmeister geteilt. Und<br />
die eigentliche Arbeit als Bäcker-<br />
Lehrling? Kohle reintragen <strong>für</strong> das<br />
Heizen des Backofens und Sauerteig<br />
zubereiten wur<strong>den</strong> schnell<br />
zur Routine. Später durfte Georg<br />
Riedle selbst Brot, Semmeln und<br />
Brezen formen und backen, was<br />
die ohnehin harten Arbeitstage<br />
nicht kürzer wer<strong>den</strong> ließen. Fünf<br />
Tage die Woche musste er um 4<br />
Uhr anfangen, samstags sogar um<br />
3 Uhr. „Ein Jugendschutzgesetz<br />
wie heute hat es damals nicht gegeben.“<br />
Noch anstrengender war<br />
seine Lehre an Berufsschultagen,<br />
an <strong>den</strong>en er eine Stunde früher in<br />
der Backstube angefangen hatte,<br />
um letztlich pünktlich um 11 Uhr<br />
im Unterricht sein zu können.<br />
Nur wie? Berufsschule <strong>für</strong> hiesige<br />
Bäckerlehrlinge war damals in<br />
Schongau. Die einzige Möglichkeit<br />
<strong>für</strong> Georg Riedle, dort hinzukommen:<br />
Mit einem Fahrrad. Umso<br />
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