Möbelmarkt_04.2022
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Der <strong>Möbelmarkt</strong> in Frankreich<br />
Ernüchterung nach Höhenflug<br />
Erst die Pandemie, dann die Ukraine-Krise: Auch die französische Möbelbranche steckt aktuell vor<br />
großen Herausforderungen. Wie wirken sich Unsicherheiten, Preissteigerungen und Probleme bei der<br />
Beschaffung auf den wichtigsten Export-Markt deutscher Möbelhersteller aus, wie reagieren die<br />
Verbraucher? Die Studie „Meubloscope 2022“ gibt Aufschluss über die aktuelle Lage im Nachbarland.<br />
„Die Franzosen lassen es sich gut gehen“:<br />
Dieser Satz in der jüngsten Marktstudie<br />
„Meubloscope 2022“ des Instituts<br />
der französischen Möbelindustrie<br />
(IPEA) beschreibt eine Situation, die vor<br />
kurzem noch optimistische Prognosen<br />
rechtfertigte. Die Bereitschaft der Verbraucher,<br />
in ihre eigenen vier Wände<br />
und dabei auch in hochwertige Produkte<br />
zu investieren, war nach den Lockdowns<br />
der vergangenen Jahre anhaltend<br />
groß.<br />
Seit dem 24. Februar 2022 jedoch ist<br />
die Welt eine andere. Der Ukraine-Krieg<br />
führt zu einer großen Verunsicherung<br />
der Verbraucher, die mit dauerhaft steigenden<br />
Energiepreisen und einem Verlust<br />
ihrer Kaufkraft durch die wachsende<br />
Inflation kämpfen. Während der<br />
Möbelumsatz in Frankreich 2021 erstmals<br />
die Marke von 14 Mrd. Euro überschritt<br />
(ein Plus um mehr als 14% gegenüber<br />
2020), sind die Aussichten für<br />
das laufende Jahr angesichts der aktuellen<br />
Entwicklungen ungewiss.<br />
Dabei waren die Rahmenbedingungen<br />
eigentlich gut. Der Wert des Wohnens<br />
ist während der Pandemie wieder ins<br />
Bewusstsein der Franzosen gerückt,<br />
der Wunsch nach Renovierung und<br />
Neuanschaffung sollte auch 2022 ein<br />
Umsatztreiber werden. Der Vergleich<br />
mit dem Jahr 2019 belegt den Trend:<br />
2021 wuchs der französische <strong>Möbelmarkt</strong><br />
gegenüber dem Vor-Corona-Jahr<br />
um 8,8%, was einem Wertzuwachs von<br />
über 1 Mrd. Euro entspricht. „Die Haushalte<br />
sind bereit, mehr in ihre Möbel zu<br />
investieren“, heißt es in der IPEA-Studie,<br />
zumal die Franzosen seit Beginn<br />
der Pandemie 100 Mrd. Euro zusätzlich<br />
auf die Bank gebracht hätten.<br />
14 Mrd. €<br />
Erstmals hat der<br />
Möbelumsatz in<br />
Frankreich 2021 die<br />
14-Mrd.-Marke<br />
überschritten.<br />
Höhere Preislagen angestrebt<br />
Der Nachholbedarf der französischen<br />
Verbraucher war, ähnlich wie in<br />
Deutschland, sowohl nach der ersten<br />
als auch nach der zweiten Lockdown-<br />
Welle zu spüren: So verzeichnete der<br />
Markt im Juni und Juli 2021 ein Wachstum<br />
von 2,7% bzw. 6,8% auf der<br />
Grundlage der bereits hohen Benchmarks<br />
von 2020 (+37,7% im Juni 2020<br />
und +15,7% im Juli). Dabei war auch<br />
2021 zu beobachten, dass sich die Verbraucher<br />
auch im Nachbarland in Richtung<br />
höherer Preislagen orientierten.<br />
Küche, Wohnzimmer, Garten, Bad und<br />
Bett: Sowohl Fachhändler als auch Möbelhändler<br />
im mittleren und oberen<br />
Preissegment profitierten von der Entwicklung.<br />
Doch die kommenden Monate könnten<br />
einen Dämpfer bringen: Inflationsdruck,<br />
Energiekosten, Kaufkraftrückgang und<br />
der Wunsch, wieder mehr Geld für das<br />
Reisen auszugeben, könnten die positive<br />
Entwicklung des <strong>Möbelmarkt</strong>es<br />
bremsen, zumal die Branche mit einem<br />
starken Anstieg der Einkaufspreise<br />
rechnen muss. „Wenn sich der prognostizierte<br />
Rückgang der Kaufkraft tatsächlich<br />
bewahrheitet, werden viele<br />
Haushalte, vor allem die weniger wohlhabenden,<br />
ihre Ausgaben umschichten<br />
müssen, was zu Lasten der Wohnungseinrichtung<br />
gehen wird“, heißt es im<br />
„Meubloscope“. Es sei denn, die Verbraucher<br />
nutzten die sehr hohen Sparbeträge<br />
der letzten Monate, die nur geringe<br />
Erträge abwerfen, um ihre<br />
Kaufkraft zu erhalten. Der Indikator der<br />
Anschaffungsneigung liegt zwar noch<br />
immer leicht über seinem langfristigen<br />
Durchschnitt, war jedoch bereits in der<br />
zweiten Jahreshälfte 2021 tendenziell<br />
rückläufig, während die Sparneigung<br />
deutlich zunahm.<br />
Energiesparen liegt im Trend<br />
Aktuell wollen 7,6% der Hausbesitzer in<br />
Frankreich ihre Heizsysteme wechseln,<br />
15,1% planen Maßnahmen zur Wärmedämmung,<br />
um Energie zu sparen –<br />
Grafik 1: Umsatzverteilung nach<br />
Warengruppen in Frankreich 2021<br />
(in Mrd. Euro/Veränderung zum Vorjahr in %)<br />
Bettwaren/<br />
Matratzen<br />
1,86 Mrd. €<br />
+ 12,8%<br />
Polstermöbel<br />
2,61 Mrd. €<br />
+ 17,5%<br />
Gartenmöbel<br />
0,65 Mrd. €<br />
+ 14,5%<br />
Geld, das für die Anschaffung neuer<br />
Möbel voraussichtlich fehlen wird. Die<br />
Preise für Einfamilienhäuser dürften zudem<br />
erheblich unter Druck geraten, da<br />
deren Baugenehmigungen in den kommenden<br />
Jahren um den Faktor 3 verringert<br />
und stattdessen verstärkt Anreize<br />
für Mehrfamilienhäuser geschaffen werden<br />
sollen. Auch das strapaziert die<br />
Einrichtungs-Budgets.<br />
Profitiert haben von der Einrichtungsfreude<br />
der Franzosen zuletzt alle Vertriebsformen,<br />
von kleinen unabhängigen<br />
Geschäften über die Discount-Größen<br />
bis zu den Online-Marktplätzen. Zwar<br />
Badmöbel<br />
0,55 Mrd. €<br />
+ 10,5%<br />
Einbauküchen<br />
4,18 Mrd. €<br />
+ 19,5%<br />
Wohnmöbel<br />
4,7 Mrd. €<br />
+ 9,3%<br />
startet die Kundenreise meist im Netz,<br />
doch fast 90% der Möbelkäufe werden<br />
nach wie vor im stationären Handel getätigt.<br />
Während die Verkaufszahlen der<br />
Online-Anbieter wachsen, bleibt ihre<br />
Bedeutung überschaubar; der Wertanteil<br />
der Möbelkäufe bei Pure Playern<br />
liegt unter 10%.<br />
Nachhaltigkeit ist den Franzosen ebenso<br />
wichtig wie die Herkunft von Möbeln<br />
aus heimischer Produktion – mit einem<br />
Haken: Ins Geld gehen soll der ökologische<br />
Charakter der Produkte möglichst<br />
nicht. 43% Prozent der Verbraucher<br />
sind bereit, einen höheren Preis für ein<br />
36 Markt<br />
MÖBELMARKT<br />
04 / 2022