Die vielfältigen Auswirkungen des Kriegs Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der Deutschen Möbelindustrie (VDM/VHK), über die vielfältigen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die deutsche Möbelindustrie … (Stand: 11. April) „Die Folgen eines Energieboykotts wären noch wesentlich gravierender – da lässt sich im weichen Talkshow-Sessel prima theoretisch fabulieren.“ Fast sieben Wochen dauert der russische Angriffskrieg auf die Ukraine nun schon an. Die Bilder der Gräueltaten der russischen Armee und der gewaltigen Zerstörungen entsetzen uns zutiefst. Noch ist kein Ende des Konflikts absehbar. Der Weg der Europäischen Union, den Druck auf Putin durch verschärfte Sanktionen zu erhöhen, ist der einzig gangbare. Ein mitunter diskutierter sofortiger Energieboykott erscheint dabei zwar auf den ersten Blick schlüssig, würde aber auf den zweiten und dritten Blick massive und unübersehbare Verwerfungen auch für unsere Branche mit sich bringen, ohne am Verlauf des Krieges kurzfristig etwas zu ändern. Schon heute hat der Ukraine-Krieg spürbare Auswirkungen auf die Möbelindustrie. Die infolge der Pandemie ohnehin gestörten Lieferketten geraten durch die Sanktionen, die steigenden Energiepreise und die Logistikprobleme noch stärker unter Druck. Für unsere Hersteller bedeutet dies massive Kostensteigerungen im zweistelligen Bereich. „Die Lieferketten geraten durch die Sanktionen, die Energiepreise und die Logistikprobleme noch stärker unter Druck.“ Die ökonomischen Folgen eines Energieboykotts wären noch wesentlich gravierender. Gerade für Deutschland und auch gerade für Produktionsketten, die – wie die Holzwerkstoffproduktion mit ihrem hohen Anteil an Harnstoffleimen – gasbasiert sind. Da lässt sich im weichen Talkshow-Sessel prima theoretisch einfach fabulieren, die Realität ist aber deutlich komplexer. Fallen Energielieferungen kurzfristig weg, regelt der bundesweite Notfallplan Gas eine Priorisierung bei der Versorgung. Privathaushalte und soziale wie medizinische Grundversorgung vor Industrie. Und innerhalb der Industrie stünden gasintensive Produktionsketten, die nicht systemrelevant sind, auf der Kippe. Wie angespannt die Lage jetzt schon ist, zeigt unsere jüngste Verbandsumfrage: Im Monat März waren drei Viertel der befragten Unternehmen bei ihrer Materialbeschaffung direkt oder indirekt von den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs betroffen. Bei jedem zweiten Hersteller kam es aufgrund der Materialengpässe zu Einschränkungen „Drei Viertel der Unternehmen waren bei ihrer Beschaffung betroffen. Bei jedem zweiten kam es zu Einschränkungen oder Verzögerungen in der Produktion.“ Foto: VDM oder Verzögerungen in der Produktion. Dabei sind die Polstermöbelhersteller überdurchschnittlich stark betroffen. Die größten Beschaffungsschwierigkeiten bestehen für die deutsche Möbelindustrie derzeit beim Einkauf von Holzwerkstoffen, wie die Umfrage ergeben hat. Erhebliche Engpässe gibt es zudem bei Massivholz, Furnieren, Federholzleisten und Schichtholz sowie bei Komponenten aus Metall. Neben den steigenden Material- und Energiepreisen bereitet zudem das Thema Logistik große Sorgen. Etwas mehr als die Hälfte der von uns befragten Möbelhersteller berichtet, dass die Logistikkapazitäten seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs nochmals knapper geworden sind. Durch den Krieg hat sich der Fahrermangel weiter verschärft. Viele Lkw- Fahrer, die für Speditionen im internationalen Verkehr tätig sind, stammen aus der Ukraine. Mehr als 100.000 ukrainische Fahrer könnten zum Kriegsdienst eingezogen werden, schätzt der Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung. Stark zu schaffen macht unserer Branche zudem die Pandemie. Zwei Drittel der befragten Unternehmen waren im März von größeren Personalausfällen aufgrund von Corona-Infektionen oder Quarantäne betroffen. Im Vergleich zur vorherigen Umfrage aus dem Januar stellt sich die Situation damit deutlich angespannter dar. „Ganz besonders sind wir in dieser Ausnahmesituation auf ein faires Miteinander innerhalb der gesamten Branche angewiesen.“ Angesichts der extremen Rahmenbedingungen überrascht es wenig, dass das Geschäftsklima in der Möbelindustrie im März eingebrochen ist. Die Einschätzung der aktuellen Lage verschlechterte sich laut ifo-Institut leicht, die Geschäftserwartungen deutlich. Die negative Tendenz betrifft alle Segmente, wenn auch die Stimmung in der Küchenindustrie etwas besser zu sein scheint als in den anderen Sparten. Auch bei den Verbrauchern hat sich die Stimmung im März infolge des Kriegs und der Inflation spürbar eingetrübt. Unsere Hersteller unternehmen derzeit alle Anstrengungen, um bestmöglich und flexibel mit den vielen Herausforderungen umzugehen: Prozesse werden optimiert, die Materialbeschaffung standortnäher organisiert, Lagerkapazitäten ausgebaut, die Digitalisierung vorangetrieben. Ganz besonders sind wir in dieser Ausnahmesituation aber auf ein faires Miteinander innerhalb der gesamten Branche angewiesen. Ihr Jan Kurth 48 Markt MÖBELMARKT 04 / 2022
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