Melange No25
Melange No25 - das Magazin im Süden Bayerns
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BG UNFALLKLINIK MURNAU<br />
Pflegewissenschaft -<br />
was ist das eigentlich?<br />
Wie es der Name bereits sagt, geht es in der Pflegewissenschaft<br />
um die Erforschung, Strukturierung und Begründung von Pflegewissen.<br />
Erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts als wissenschaftliche<br />
Disziplin in den USA aufgetaucht, erforschen Pflegewissenschaftlerinnen<br />
und Pflegewissenschaftler die Auswirkungen von<br />
Erkrankungen oder einer Behinderung auf das Alltagsleben der<br />
Betroffenen und untersuchen welche Maßnahmen von Pflegenden<br />
ergriffen werden können, um in der jeweiligen Situation bestmöglich<br />
zu unterstützen und effektiv zu handeln.<br />
Dabei gilt es natürlich, auch das Umfeld und die Angehörigen von<br />
Pflegebedürftigen oder grundsätzliche Rahmenbedingungen mit<br />
in den Blick zu nehmen.<br />
Die Pflegewissenschaft schlägt die Brücke zwischen Theorie und<br />
Praxis. Sie überprüft, ob Pflegemaßnahmen wirksam sind, verbessert<br />
diese oder etabliert neue Maßnahmen. Dabei trägt sie die Erfahrungen<br />
und das Wissen der Pflegenden zusammen und macht<br />
diese in einer gemeinsamen Fachsprache sichtbar und setzt sie in<br />
der Praxis um.<br />
Die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung für Pflegewissenschaft<br />
an der BG Unfallklinik beschäftigen sich täglich mit den<br />
verschiedensten pflegerelevanten Themen. Dies ist nicht in jeder<br />
Klinik Standard und deshalb ist Pflegedirektorin Christina Sterk<br />
besonders stolz darauf. Denn die pflegewissenschaftliche Stabsstelle<br />
trägt in hohem Maße zur Behandlungsqualität der Patientinnen<br />
und Patienten bei. Die Pflegenden der Klinik werden von<br />
ihr mit wertvollem pflegerischem Wissen unterstützt und geschult.<br />
Lieber Herr Bäumel, wie sind Sie zur Pflegewissenschaftlichen<br />
Stabsstelle der BG Unfallklinik Murnau gekommen?<br />
FB: Ich bin Fachkrankenpfleger für Intensiv- und Anästhesiepflege<br />
und Praxisanleiter und war in dieser Funktion viele Jahre in der<br />
BG Unfallklinik Murnau tätig. Aus meiner Sicht ist es in der Pflege<br />
unabdingbar, über ein breites fundiertes Wissen im eigenen Fachbereich<br />
zu verfügen.<br />
Florian<br />
Bäumel<br />
im<br />
Interview<br />
Gerade bei der Begleitung Teilnehmender an Fachweiterbildungen<br />
ist man als Praxisanleiter natürlich gefordert, auch immer das aktuelle<br />
Wissen parat zu haben, oder zumindest schnell zu finden.<br />
Allerdings ist dieses Wissen häufig nicht ohne Weiteres zugänglich<br />
oder direkt anwendbar. Medizinische und pflegerische Leitlinien<br />
und Standards sind manchmal nicht ganz einfach zu lesen. Darüber<br />
hinaus müssen sie häufig erst auf das jeweilige Krankenhaus<br />
oder die Station angepasst werden. Das hat mich so sehr gepackt,<br />
dass ich zunächst ein Bachelor- und danach ein Masterstudium<br />
im Bereich Pflegewissenschaft -teilweise berufsbegleitend- absolviert<br />
habe. Seit Oktober 2021 bin ich Mitarbeiter der Pflegewissenschaftlichen<br />
Stabsstelle an der BG Unfallklinik Murnau.<br />
Pflegewissenschaft<br />
finden sich gerade in einem pflegerischen Masterstudiengang. Sie<br />
arbeiten auf unterschiedlichen Stationen in der direkten Patientenversorgung<br />
und haben weitere Aufgaben in pflegewissenschaftlichen<br />
Themen.<br />
Was sind die Aufgaben der Pflegewissenschaftlichen Stabsstelle?<br />
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?<br />
FB: Den typischen Arbeitstag gibt es vermutlich gar nicht. Das liegt<br />
auch an dem breiten Aufgabenspektrum, das wir bearbeiten. Unsere<br />
zentrale Aufgabe ist es, die Patientenversorgung zu verbessern.<br />
Das geht natürlich nicht allein und auch nicht vom Schreibtisch aus.<br />
Notwendige Veränderungen müssen gemeinsam mit den Kolleginnen<br />
und Kollegen der Stationen gestaltet werden. Nur so wird es<br />
klappen, dass neue Ideen, Innovationen und wissenschaftliche Erkenntnisse<br />
auch in der Praxis umgesetzt werden.<br />
Für mich bedeutet Pflegewissenschaft ständig Fragen zu stellen:<br />
Was machen wir hier? Ist das, was wir tun gut und das Richtige?<br />
Gibt es etwas Besseres, das wir in dieser Situation machen könnten?<br />
Daher ist die Bezeichnung Pflegeentwicklung für unseren Aufgabenbereich<br />
zutreffender, als Pflegewissenschaft.<br />
Was machen wir konkret? Wir erheben Daten zur Pflegequalität,<br />
analysieren diese und diskutieren mit der Pflegedirektion und den<br />
Stationsleitungen, welche Maßnahmen wir ableiten können.<br />
Ein Beispiel: Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Verletzung<br />
in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind oder unter Empfindungsstörungen<br />
leiden, haben ein erhöhtes Risiko einen sog.<br />
Dekubitus zu entwickeln. Dieser Hautschaden entsteht durch anhaltenden<br />
Druck auf eine Körperstelle. Mit entsprechenden Maßnahmen<br />
kann der Entstehung eines Dekubitus entgegengewirkt<br />
werden. In Anlehnung an den Expertenstandard Dekubitusprophy-<br />
- was ist das eigentlich?<br />
Wir haben in diesem Jahr eine Befragung der Mitarbeitenden in der<br />
Pflege mittels Online-Fragenbogen durchgeführt. Der wissenschaftliche<br />
Aspekt hat für uns natürlich eine große Bedeutung.<br />
Das Wissen um die Anwendung der verschiedenen Analysemethoden<br />
von Interviews oder Fragebögen ist die Voraussetzung dafür,<br />
verlässliche Ergebnisse präsentieren zu können. Und verlässliche<br />
Ergebnisse stellen die Basis für eine gut durchdachte Entscheidung<br />
dar. "Wir arbeiten eng mit den Pflegepädagoginnen und -pädagogen<br />
unserer Klinik zusammen. Wir begleiten pflegewissenschaftliche<br />
Themen in der Ausbildung zum ...." Wir begleiten pflegewissenschaftliche<br />
Themen außerdem in der Ausbildung zum Pflegefachmann/-<br />
frau, in der Fachweiterbildung Intensiv- und Anästhesiepflege und<br />
in der Weiterbildung zum Praxisanleiter und übernehmen hier auch<br />
Unterrichte. Wir sind gemeinsam dabei, das pflegerische Fortbildungsprogramm<br />
umzugestalten und an den Bedarf sowie die aktuellen<br />
Rahmenbedingungen anzupassen. Deshalb schauen wir uns<br />
auch an, wie die Fortbildungen ankommen und bitten die Teilnehmenden<br />
in Online-Umfragen um Feedback. Diese „Evaluation“ fließt<br />
dann in die weitere Konzeption und Planung ein.<br />
Meine Kolleginnen Andrea Leichtenschlag, Nicole Walser, Denise<br />
Sulzgruber-Jörg und Franziska Geiger haben eine Menge Aufgaben<br />
im Bereich Pflege-IT und elektronische Pflegedokumentation.<br />
All dies geschieht natürlich in regem Austausch und enger Abstimmung<br />
mit der Pflegedirektion.<br />
Worin sehen sie die Benefits, die eine Pflegewissenschaftliche<br />
Stabsstelle für die Pflegenden auf den Stationen bringt?<br />
FB: In der Pflege wird sehr häufig über einen Theorie-Praxis-Konflikt<br />
gesprochen. Oftmals scheint es einen kaum überbrückbaren Graben<br />
zwischen dem, was die Pflegewissenschaft erforscht und gern<br />
umgesetzt sähe und der täglichen pflegerischen Praxis zu geben.<br />
Womit sich die Mitarbeitenden in ihrer täglichen<br />
Arbeit beschäftigen, wie die Pflegewissenschaft<br />
zu einer besseren Versorgung von Pflegebedürftigen<br />
oder Patientinnen und Patienten beiträgt und<br />
welchen Nutzen sie den Pflegenden in einer Klinik<br />
bringt, erzählt Pflegewissenschaftler Florian Bäumel<br />
im Interview.<br />
Seit wann gibt es die Pflegewissenschaftliche Stabsstelle an der<br />
BG Unfallklinik Murnau?<br />
FB: Die Pflegewissenschaftliche Stabsstelle gibt es seit circa 2016.<br />
Meine Kollegin Andrea Leichtenschlag arbeitet schon von Anfang<br />
an dort. Sie ist Krankenschwester und hat lange im Bereich der<br />
septischen Chirurgie gearbeitet.<br />
Wir beide arbeiten aber nun Vollzeit in der Pflegewissenschaft und<br />
werden aktuell von mehreren Kolleginnen und Kollegen unterstützt.<br />
Sie alle verfügen über einen Bachelorabschluss oder be-<br />
laxe haben wir ein sogenanntes Audit durchgeführt. Wir wollten damit<br />
überprüfen, ob es gelingt, die entsprechenden Vorgaben und<br />
Maßnahmen umzusetzen und herausfinden, wo wir noch Verbesserungspotentiale<br />
haben.<br />
Dazu haben wir einen Fragebogen verschickt, Akten analysiert, mit<br />
Kolleginnen und Kollegen sowie Patientinnen und Patienten gesprochen.<br />
Wir fassen die einzelnen Ergebnisse zusammen, stellen<br />
diese vor und machen Verbesserungsvorschläge. Zudem führen wir<br />
Interviews mit Pflegenden, um Verbesserungspotentiale aufzudecken.<br />
Das hat aus meiner Sicht verschiedene Gründe. Unter anderem den,<br />
dass es nicht so viele Krankenhäuser gibt, in denen Pflegewissenschaftlerinnen<br />
und Pflegewissenschaftler an diesen Themen arbeiten.<br />
Andererseits gibt es schon einen Unterschied zwischen der<br />
Arbeitsweise der Wissenschaft und der Praxis.<br />
Eine Aufgabe der Wissenschaft ist es, ständig zu hinterfragen und<br />
grundsätzlich alles in Zweifel zu ziehen. Wenn ich mit dieser Haltung<br />
versucht hätte, eine Schicht auf der Intensivstation durchzustehen,<br />
wäre ich vermutlich verzweifelt.<br />
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