Melange No25
Melange No25 - das Magazin im Süden Bayerns
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BACKSTAGE<br />
TOM WAITS Müllmann des amerikanischen Traums<br />
Nach eigenen Aussagen wurde Tom Waits in einem rot weißen Taxi um Mitternacht in New York 1949 geboren. Kurz darauf verlässt<br />
der trinkende Vater die Familie und Tom muss sich früh alleine als Küchenhilfe, Türsteher, Pizzabäcker und Kneipenpianist durchschlagen.<br />
Er arbeitet in miesen Kneipen und wohnt in schäbigen Motels und schreibt über die Randfiguren der Gesellschaft, die nachts<br />
mit Drogen vollgepumpt und vergessen vor dem Tresen abhängen. Kein Wunder, dass Waits mit den Gestrandeten säuft und schluckt<br />
was das Zeug hält. Später in den sehr raren Interviews behauptet er, dass er eine kleine<br />
Schere verschluckt hätte und deshalb eine rauhe Stimme bekommen hätte. Auch verhandelten<br />
angeblich Breschnew und Reagan den Kalten Krieg in seinem Vorgarten.<br />
Seine Musik ist eine Mischung aus Blues, Jazz, Folk, Theatermusik sowie alternativem<br />
Rock, und er verweigert sich konsequent den Hörerwartungen eines breiten<br />
Publikums. Musikalische Vorbilder lernte er in der Musikbox von Napoleon Pizzeria<br />
kennen, wo er als Pizzabäcker arbeitete. Ray Charles, James Brown, Cole Porter, Bob<br />
Dylan waren seine Idole neben den Lyrikern Allen Ginsberg und Charles Bukowski.<br />
Der erste öffentliche Auftritt zeigt einen dauerberauschten Poeten, zusammengesackt<br />
vor einem Klavier, das er mit durchgedrückten und nikotingelben Fingern bearbeitet.<br />
Seine Songs erzählen von Säufern, Kleinkriminellen und Bardamen mit goldenen<br />
Herzen. Wenn du wissen willst, wie Wahnsinn schmeckt, musst du dich hinten anstellen,<br />
singt er in 'Heart Attack and Vine'. Auf dem Cover des Albums ist die Telefonnummer<br />
seines Psychiaters 'Doc Feuer' gleich mit abgebildet.<br />
Autor: Frank W. Pietrusiak l Fotos: Backstage, Archiv Tom Waits<br />
Dennoch wurde David Geffen von Asylum Records aufmerksam und nach eigenen<br />
Aussagen, hatte er genau nach diesem Musikgenre gesucht und förderte die<br />
in Whisky marinierte Reibeisenstimme. Das erste Album floppte, aber 1973 kam<br />
Schwung in Waits Karriere. Mit seinen Folgealben avancierte er vom Geheimtip<br />
zum Idol. Mit 'Swardfishtrombones' und 'Rain Dogs', auf dem Keith Richards<br />
mitwirkt, schaffte er zehn Jahre später den internationalen Durchbruch. Die Eagles<br />
und Bruce Springsteen coverten seine Songs und 'Downtown Train' stürmte<br />
mit Rod Stewart an die Spitze der Charts. Die Alben 'Mule Variations' sowie<br />
'Bone Machine' bekamen einen Grammy und hunderte erfolgreiche Künstler interpretieren<br />
seine Songs.<br />
Auch als Schauspieler mimt Waits den versoffenen Underdog und übernahm Rollen<br />
in über 25 Filmen, darunter 'Bram Strokers Dracula'. Erst als er seine Frau<br />
bei den Dreharbeiten zu Coppolas 'Einer mit Herz' kennenlernt gelingt ihm der<br />
Sprung von der Gosse zur Kultfigur. Trotz seiner schillernden Persönlichkeit<br />
scheut Waits jedoch Konzerte und Tourneen, bei denen auf der Bühne schon mal<br />
komplette Tankstellen aufgebaut werden. Er ist auf seine Privatspähre bedacht. In seinen Interviews erschafft er gerne mit Lügen und<br />
skurillen Falschinformationen eine Welt, hinter der er sich verstecken kann. Für seine verschworenden Anhänger sitzt Waits aber immer<br />
noch am Klavier in einer Spelunke im gelben Mondlicht und seine Stimme dringt knarzend und Hühner aufscheuchend aus dem<br />
Mikrofon. Er mag halt schöne Melodien, die schreckliche Geschichten erzählen!<br />
Den Weg zu seinem Seelenleben findet ihr auf : 'Heartattack and Vine', 'Small World', 'Rain Dogs', 'Swordfishtrombones', 'Bad as Me'<br />
und 'Bone Machine', getreu Waits Motto: Realität ist nur was für Menschen, die keine Drogen vertragen können!<br />
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