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Melange No25

Melange No25 - das Magazin im Süden Bayerns

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20 JAHRE ZEITZEUGEN<br />

Z<br />

E N<br />

E U G<br />

Endlich Erwachsen: Die Zeitzeugen werden zwanzig<br />

Im Jahre 2003 wurde in Murnau die Horváth-Gesellschaft gegründet, das Schloßmuseum<br />

konnte die ersten zehn Jahre seines Bestehens feiern und in einem kleinen<br />

Probenraum, über der Druckerei Wiesendanger, trafen sich zwei Zeitzeugen in<br />

ihren späten 20er Jahren: Julian Merker und Frank Vogler. Allerdings sind sie<br />

Zeitzeugen, denen manchmal das Gedächtnis einen Strich durch die Rechnung<br />

macht, wenn es um genaue Daten und Zahlen geht. Es sind zwei<br />

Menschen, die wohl eher in der Zeit leben und Zeugen für die jeweilige<br />

Gegenwart sind als solche, die Zeugnis für die Vergangenheit ablegen.<br />

Zeitzeugen sind sie vor allem dadurch, dass sie seit zwanzig Jahren<br />

gemeinsam Musik machen und sich – zusammen mit anderen Musikern – „Die<br />

Zeitzeugen“ genannt haben.<br />

Kurz vor diesem Ereignis war Frank Vogler von Berlin nach Murnau gezogen.<br />

Ganz glücklich war er nicht darüber. „Aber wenn es schon so scheiße für dich ist, nach<br />

Bayern zu ziehen, dann geh doch nach Murnau“, hatte ihm Eva, mit der er damals in<br />

einer WG lebte, geraten. Der Grund für seinen Umzug war allerdings ein schöner:<br />

Das erste Kind war unterwegs und seine Freundin, die er in Berlin kennengelernt hatte,<br />

stammte aus Bayern.<br />

Frank Vogler ging nach Murnau und fing an als Erzieher zu arbeiten. Und hier, in Murnau, traf<br />

er auch den Julian Merker. Gehört hatten sie schon zuvor voneinander. Denn die zuvor erwähnte Eva<br />

war Julians Schwester. Und wie sie geahnt hatte, verstanden sich beide ziemlich gut. Julian war ein<br />

Musiker, der Saxofon in einer Band spielte, die gerade dabei war, sich aufzulösen: Satori. Ihr Gitarrist<br />

und Sänger ging zum Studium nach Regensburg, und so gab es die Band nicht mehr. Allerdings gab<br />

es noch ein paar Musiker – neben Julian waren das Jens Weingart, Oliver Stanislowski und Claudius<br />

Schmid –, die sich gerade den Probenraum eingerichtet hatten. „Ich kam in den Probenraum und Frank<br />

war schon da“, erinnert sich Julian heute an das erste Treffen. Frank ist da nicht so sicher. Jedenfalls fand<br />

im Frühjahr 2003 die erste gemeinsame Jamsession statt. Die Band improvisierte und Frank haute irgendwelche<br />

spontanen Verse raus. Das war die Geburtsstunde einer Band, die sich Die Zeitzeugen nannte und auf<br />

20 Jahre Bandgeschichte zurückblicken kann. Ihr erstes Konzert fand in der Westtorhalle statt.<br />

Die Zeitzeugen waren zu jeder Zeit so, wie sie sein sollten<br />

Von der ursprünglichen Besetzung der Zeitzeugen sind nur Frank und Julian geblieben. Die Zeit, deren Zeugen die beiden waren,<br />

hat alles immer wieder durcheinandergewürfelt und verändert. Jeder Wechsel in der Besetzung hatte Folgen und – da sind sich Frank<br />

und Julian einig – jeder Wechsel hat sie weitergebracht. In den ersten Jahren entstanden die meisten Lieder im Probenraum. Musik<br />

und Texte kamen gleichzeitig – wobei Frank von Anfang an für die Texte zuständig war.<br />

Niemand kann Worthülsen und tiefgründige Gedankenfetzen so schön zu etwas überraschend Neuem und Anregendem verbinden<br />

wie er. „Die Würde des Menschen ist unantastbar,“ reimte er zum Beispiel in einem Lied, sage man noch heute in jeder „Knastbar“. Man fragt<br />

sich natürlich, was eine „Knastbar“ ist und ob Frank einschlägige Erfahrungen hat. Immerhin stammt er, wie er bei Konzerten<br />

manchmal erzählt, von dort, „wo die Sonne aufgeht.“<br />

Damals heißt das Land noch DDR und in Erfurt sang er dann schon bald nach der Wende in einer Band, die sich „Kackhaufen“<br />

nannte. Sein Talent für griffige Texte (und schöne Bandnamen) schulte er bereits in dieser Zeit. Auch Julian hat<br />

mit Sicherheit eine Sehnsucht nach dem Osten in sich. Er reiste immer wieder nach Indien, wo er eines Tages auch die<br />

indische Bambusflöte als Musikinstrument entdeckte. Für Die Zeitzeugen griff er seit 2008, dem Jahr in dem Barack Obama zum Präsidenten<br />

der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt wurde, zur Querflöte. Zu Anfang, so Julian, hat das nicht so richtig geklappt. Später wurde<br />

der Klang entscheidend für den Sound der Zeitzeugen.<br />

Die frühen Jahre<br />

Nicht immer klang das, was Die Zeitzeugen auf der Bühne ablieferten, so gut, dass es den eigenen Erwartungen entsprach. Das Publikum<br />

begeisterte die Band bei manchen ihrer frühen Auftritte mehr durch ihren Mut als durch das musikalische Können, erinnert sich Frank.<br />

Und Julian gibt zu, dass manche Konzerte eher die Fortsetzung der Proben im Bandraum waren. Dafür gab es in der ersten Zeit extrem<br />

lange Probenphasen und wenige Konzerte. Oft war den Zeitzeugen die Gemeinschaft wichtiger als die Aussicht auf einen Auftritt. Aber sie<br />

entwickelten sich weiter und wollte auch besser werden. Musikalisch und menschlich. (Und zwischendurch wollte anscheinend auch jeder<br />

einmal das Projekt „Zeitzeugen“ hinschmeißen.)<br />

Die Bandmitglieder gingen und andere kamen. Stephan Popp, Carola Teich, Hannes Buchwieser, Fabian Wünsch, Lenka Petrovicova und<br />

Lina Knufinke waren jeweils zu ihrer Zeit dabei. Man trennte sich aber nie im Streit, betonen Frank und Julian. Noch immer bestehen<br />

geradezu familiäre Gefühle für alle, die irgendwann einmal bei den Zeitzeugen gewesen sind. Unter allen Höhepunkten und Niederlagen der<br />

20 Jahre sind für Frank und Julian ein paar Auftritte besonders in Erinnerung geblieben. Zum Beispiel als sie 2011 im Café Krönner spielten.<br />

Denn Barbara Krönner hatte sich als Fan der Gruppe zu erkennen gegeben – und in Murnau wurde in diesem Jahr eine Realschule eröffnet.<br />

Uneingestöpselt in die Zukunft<br />

Im Advent 2016, dem Jahr, in dem <strong>Melange</strong> zum ersten Mal erschien, spielten Die Zeitzeugen zum ersten Mal „unplugged“. Auch das war<br />

ein wichtiger Schritt, denn so konnte man endlich Straßenmusik machen, was Die Zeitzeugen schon lange vorgehabt hatten. „Vieles hört<br />

man nur, wenn man akustisch spielt, und man wird dazu gezwungen, sauberer zu spielen und zu singen“, so Frank. Auch ein Grund dafür, dass<br />

Die Zeitzeugen in ihren aktuellen Konzerten musikalisch immer mehr überzeugen.<br />

Zwischen Julian und Frank, hat sich in den Jahren ein intensiver künstlerischer Austausch entwickelt. Heute komponiert und textet Frank<br />

fast alle Songs alleine. Aber erst im Zusammenspiel mit der Band bekommen sie ihre endgültige Gestalt. Julian lässt sich auf die meist sehr<br />

engagierten Texte ein, die ihn zu eigenen musikalischen Äußerungen inspirieren. Auch Bassist Christian Fischer, so Frank, „hat das Ganze<br />

nochmal massiv belebt.“ Und so haben Die Zeitzeugen sich schließlich eingeschrieben in Murnaus vielfältige Geschichte. Eine Band, die<br />

immer etwas anders war als andere, die Konzerte spielt, die nicht immer perfekt waren, die aber in Erinnerung bleiben. Heute sind außer<br />

Frank und Julian noch Marcus Brownell (Gitarre), Felix Trossmann (Gitarre), Christian Fischer (Bass) und Christof Haubs (Drums) bei den<br />

Zeitzeugen. Geburtstag gefeiert wird am 29. April – wie vor zwanzig Jahren in der Westtorhalle.<br />

Autor + Foto: Heribert Riesenhuber<br />

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