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Aufsätze - GWDG

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154<br />

Katalog<br />

Steinquader zu seiner Rechten, ist dieser in der Farbenskizze samt der anschließenden Mutter-Kind<br />

Szene eliminiert.<br />

Ausschließlich in der Farbenskizze versah Bendemann das Bild oben mit einem bogenförmigen,<br />

tympanonartigen Auszug, in dem Jahwe zu sehen ist, wie er, von Engeln umgeben, den Israeliten den<br />

Weg in die Verbannung weist. Inhaltlich weist Bendemann damit die Wegführung als Strafgericht<br />

Jahwes aus, was der Interpretation der im Exil lebenden Propheten entspricht, welche „lehrten das<br />

Exil nicht als Ende der Vergangenheit, sondern als Anfang der Zukunft zu verstehen.“ 296<br />

Künstlerisch orientierte sich Bendemann hierbei an Wilhelm von Kaulbachs Gemälde Die Zerstörung<br />

Jerusalems durch Titus, mit dem er sich zugleich in eine Konkurrenzsituation begab. 297 Allerdings stieß<br />

das Tympanonfeld bei der Vorstellung der Farbenskizze auf Kritik, da „in einem, wie es scheint, rein<br />

historischen Vorgang religiöse Abstractionen […] eingemischt werden. Dies widerspricht den<br />

geläuterten Anschauungen von der Aufgabe der historischen Malerei […].“ 298 Der Vorwurf richtete<br />

sich also gegen eine auch von Kaulbach praktizierte Verbindung von Historie und Allegorie, die in<br />

der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer weniger Akzeptanz fand.<br />

Befindet sich der Streitwagen mit Nebukadnezar auf dem Karton noch direkt über Jeremias, versetzt<br />

ihn Bendemann in der Farbenskizze ein Stück weiter nach rechts. Somit sitzt Jeremias genau<br />

unter einer Zäsur des sich durch das Bild ziehenden Bandes. Auf der linken Seite dieser Zäsur schreitet<br />

der blinde König der Israeliten und auf der rechten Seite fährt der triumphierende König der Babylonier,<br />

der die von Gott angeordnete Strafe durchführt. Darunter sitzt Jeremias, durch den Gott<br />

versucht hatte, die Israeliten zur Umkehr zu mahnen. Die Zerrissenheit des Bandes spiegelt sich in<br />

der Person Jeremias wider, dessen Verbundenheit mit seinem Volk auf die Probe gestellt wird. Auf<br />

der einen Seite klagen seine Glaubensbrüder ihn an, das Unglück nicht verhindert zu haben, obwohl<br />

er es versuchte, weswegen sie ihn in eine Zisterne sperren ließen 299, und auf der anderen Seite verzweifeln<br />

sie ob des Leides, welches über sie kommt.<br />

Abb. 53: Eduard Bendemann: Wegführung<br />

der Juden in die babylonische<br />

Gefangenschaft, Karton (wie<br />

Abb. 52), Detail<br />

Abb. 54: Eduard Bendemann:<br />

Wegführung der Juden in die<br />

babylonische Gefangenschaft, Ölskizze<br />

(wie Abb. 23), Detail<br />

Abb. 55: Eduard Bendemann:<br />

Wegführung der Juden in die<br />

babylonische Gefangenschaft,<br />

Endfassung (wie Abb. 26), Detail<br />

Bereits in der Farbenskizze blickte Jeremias den Betrachter mit einem traurigen und nachdenklichen<br />

Blick an, der damit emotional einbezogen werden soll. Doch erst im finalen Gemälde (Abb. 26, 51)<br />

versetzte Bendemann den Kopf des Propheten genau in das Zentrum des Bildes. Außerdem liegt nun<br />

296 Donner 1995, Bd. 2, S. 418.<br />

297 Vgl. Krey 2003, S. 193f. und den Beitrag „Später Orientalismus“ von Christian Scholl in diesem Band.<br />

298 Dioskuren 1865, S. 417.<br />

299 Vgl. Jeremia 38, 6-13.

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