NACHWUCHS INTERVIEW MICHAEL GRASWALD Generation in Gefa 36 CORNER 04/20
Die Corona-Pandemie hat die Welt weiter im Griff. Aber welche Auswirkungen hat diese eigentlich auf den Fußball-Nachwuchs? U17- Teamchef Hermann Stadler spricht im Interview sowohl von Chancen als auch von Gefahren. hr? GEPA-PICTURES.COM ÖFB CORNER: Beginnen wir mit der wichtigsten Frage: Wie geht es Ihnen? HERMANN STADLER: Danke, es geht mir so weit sehr gut. Sie sind ein sehr erfahrener Nachwuchs- Teamchef, logischerweise haben Sie so eine Situation aber auch noch nie erlebt. Wie haben Sie das Corona-Jahr 2020 wahrgenommen? Ich glaube so wie jeder. Es ist eine enorme Belastung für alle Beteiligten. Hoffen wir, dass wir im kommenden Jahr zur gewohnten Normalität zurückkehren können. Als Nachwuchs-Teamchef ist es Ihr Job, die Entwicklung der Talente im Auge zu haben. Welche Auswirkungen haben die verschiedenen Corona-Maßnahmen? Der erste Lockdown im Frühjahr hatte schon weitreichende Folgen, weil auch die Akademien geschlossen waren, also für den Spitzennachwuchs kein Mannschaftstraining möglich war. Aus den Spielern von den Akademien werden ja in den meisten Fällen die Teamspieler herausgefiltert. Jetzt im zweiten Lockdown darf dort weitertrainiert werden. Das ist schon sehr positiv. Aber es geht ja nicht nur um die angehenden Teamspieler. Sondern? Für die meisten Jugendlichen und Kinder bedeutet der Lockdown eine große Einschränkung ihrer täglichen Bewegung, weil viele nur noch zuhause sitzen. Auch der Sportunterricht in den Schulen fehlt. Da wird man erst später, wenn die Pandemie überstanden ist, sehen, wie sich das auswirkt. Was bedeutet es für junge Spieler, beispielsweise Ihre U17-Spieler, wenn sie mehrere Monate kein Mannschaftstraining absolvieren können? Für die Entwicklung eines Spielers ist das natürlich alles andere als förderlich, aber ich habe meinen Jungs immer gesagt, dass sie nicht verzweifeln sollen, sondern, auch wenn das vielleicht seltsam klingen mag, die Situation sehen sollen wie eine Verletzungspause. Auch dann könnten sie vielleicht längere Zeit nicht mit dem Team trainieren. Aber noch einmal, es ist jetzt schon eine sehr gute Sache, dass die Akademien unter Einhaltung des Präventionskonzepts weitertrainieren dürfen. Außerdem kann die Trainingspause im Frühjahr auch einen positiven Nebeneffekt haben. Einen positiven Effekt? Ganz logisch, dass nichts ein Mannschaftstraining ersetzen kann, daran kann es keinen Zweifel geben, aber die Spieler hatten viel mehr Zeit, sich mit anderen Aspekten auseinanderzusetzen, die es genauso braucht, wenn man es bis ganz nach oben schaffen will. Welche wären das? Es geht zum Beispiel darum, dass ich mental stärker werde oder im Kraft- und Koordinationsbereich gewisse Sachen optimiere. Vor allem in der Rumpfstabilität sehe ich österreichweit Defizite. So haben die Jungs viel intensiver gelernt, dass sie in ihren Körper horchen und selbst sehen, wo sie sich abseits vom Fußballerischen noch verbessern können. In meinen Augen geht es darum, dass sich die Spieler auf den Tag X, an dem der Betrieb wieder aufgenommen wird, bestmöglich vorbereiten. Das kann dann auch Verletzungen verhindern, die nach so einer langen Pause durchaus auch möglich wären. Es wird immer gesagt, dass die jungen Spieler durch die Ausbildung eine viel professionellere Einstellung mitbekommen, als das vielleicht bei früheren Generationen der Fall war. Gibt es da trotzdem noch so viel herauszuholen? Ich denke nicht, dass ein 16-Jähriger, wenn ich jetzt von meiner Mannschaft ausgehe, in irgendeinem Bereich bereits seine volle Entwicklung erreicht hat. Das Bewusstsein für den eigenen Körper und die Dinge, die ich brauche, um erfolgreich zu sein, das ist etwas, was man lernen muss. Diese Bedürfnisse sind ja auch bei jedem Spieler unterschiedlich. Die Spieler haben ja von ihren Betreuern Trainingspläne bekommen, die sie auch absolvieren. Was ich meine, ist, dass sie sich ihrer Schwächen bewusst wer- CORNER 04/20 37