Das Magazin der Kölner Philharmonie NR. 4 / 2023

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Ewigkeitsklänge Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Gustav Mahlers »Auferstehungssinfonie« Wenn am Ende der Chor wie aus dem Nichts geheimnisvoll zum zunehmend mächtigen Schlussgesang ansetzt, haben alle im Publikum und auf dem Podium eine weite klingende Welt der emotionalen Extreme ausgeschritten. In Gustav Mahlers zweiter, sogenannter Auferstehungs-Sinfonie kann sich das Erschrecken zur Erhabenheit wandeln – und umgekehrt. Apokalypse und Apotheose gehören untrennbar zusammen. Hoffnungsvolle Gewissheit herrscht für den Komponisten erst im hymnischen Vokal-Finale: Ein überwältigendes Klangerlebnis, dessen Gestaltung bei Mirga Gražinytė-Tyla in wahrlich berufenen Händen liegt. Denn das Singen und der Chorgesang prägt die vielfach ausgezeichnete Künstlerin seit ihren Kindertagen. In einem Elternhaus voller Musik aufgewachsen (die Mutter ist Pianistin, der Vater Chorleiter), wusste sie mit elf Jahren, dass sie Musik zu ihrer Profession machen wollte. Schon als Schülerin in ihrer Heimatstadt Vilnius belegte sie das Fach Chordirigieren und studierte schließlich Chor- und Orchesterdirigieren in Graz. Vielleicht ist es diese tiefe Wissen um den gemeinsamen Atem, welches Mirga Gražinytė-Tyla zu einer der führenden Dirigentinnen unserer Tage werden ließ. Mahler selbst beschrieb den ersten Satz als »titanenhaftes Ringen eines in der Welt noch befangenen, kolossalen Menschen mit dem Leben und dem Schicksal – dem er immer wieder unterliegt – und seinem Tod.« Diese Finsternis durchbricht die (freilich nicht ungebrochene) Heiterkeit des zweiten Satzes, während der dritte als humoreske »Satire auf das Menschenvolk« erklingt. Ein Wunderhornlied über den Weg eines Menschen zum ewigen Leben leitet hinüber zum großen Finale, das erst die Schrecken des Jüngsten Gerichts ausmalt, um schließlich in die ebenso geheimnisvolle wie jubelnde Gewissheit auszubrechen, dass die menschliche Existenz nach ihrem Tod in anderer Form fortbesteht. Der Komponist notierte zu diesem Schluss für Chor und zwei Solistinnen (in Köln: der Philharmonische Chor München, die Sopranistin Talise Trevigne und die Mezzosopranistin Okka von der Damerau): »Alles hat aufgehört zu sein. Und leise und schlicht hebt an ‚Aufersteh’n, ja aufersteh’n ...’, wozu die Worte selbst Kommentar sind. Und mit keiner Silbe werde ich mich je herbeilassen, eine Erklärung zu geben!« Oliver Binder »Dirigieren, das ist für mich die Kombination aus Musik und der Kommunikation mit den Musikerinnen und Musikern«, sagt sie und ergänzt: »Wichtig ist dabei, das Zusammensein mit Menschen zu genießen.« Dieses Genießen, das Glück über den gemeinsamen kreativen Prozess, steht ihr bei der Arbeit ins Gesicht geschrieben. Mit ernsthafter Heiterkeit, offenem Geist, wachem Auge auf das Werk und seine Spielerinnen und Spieler gelingt es ihr, eine Atmosphäre voller Konzentration, Kontaktfreude und Empathie zu schaffen. Körperspannung und Bewegungsfluss vereinen sich in einer Schlagkraft von eleganter Präzision. Kein Wunder, dass ihre Karriere im letzten Jahrzehnt steil bergauf ging. Nach Engagements in Heidelberg, Bern und Salzburg trat sie mit nur 30 Jahren als Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra (dem sie mittlerweile als erste Gastdirigentin verbunden ist) in die Fußstapfen von Sir Simon Rattle und Andris Nelsons. Inzwischen steht sie am Pult von weiteren Weltklasse-Klangkörpern wie der Accademia di Santa Cecilia in Rom oder dem Concertgebouworchester in Amsterdam. Vor einem Jahr gab sie ihr Debüt bei den Münchner Philharmonikern, mit denen sie nun auch Gustav Mahlers wirkmächtige Auferstehungssinfonie interpretiert. Okka von der Damerau 18 Das Magazin
Konzerttermin Montag, 11. September 2023, 20:00 Talise Trevigne Sopran Okka von der Damerau Mezzosopran Philharmonischer Chor München Münchner Philharmoniker Mirga Gražinytė-Tyla Dirigentin Gustav Mahler Sinfonie Nr. 2 c-Moll für Sopran, Alt, Chor und Orchester »Auferstehungssinfonie« Gefördert vom Kuratorium KölnMusik e.V. Mirga Gražinytė-Tyla Das Magazin 19
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