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Das Magazin der Kölner Philharmonie NR. 4 / 2023

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Authentische<br />

Stimmfarben<br />

Der portugiesische Singer-Songwriter, ESC-Gewinner und Jazz-Fan<br />

Salvador Sobral mit seinem Programm »Timbre«<br />

Da staunte das Millionenpublikum an den europaweit angeschlossenen<br />

Empfangsgeräten nicht schlecht, als ein eher schlaksiger Typ<br />

die Bühne betrat – und einfach nur sang. Kein Show-Bling Bling.<br />

Keine spektakuläre Pyrotechnik. Keine akrobatischen Tanzpirouetten.<br />

Stattdessen ließ <strong>der</strong> Portugiese Salvador Sobral einfach mit<br />

<strong>der</strong> Ballade »Amar Pelos Dois« seine sanfte Stimme sprechen. Was<br />

2017 beim Eurovision Song Contest-Finale folgte, war eine Sensation.<br />

Mit sage und schreibe 758 Punkten gewann Sobral den Wettbewerb<br />

und fuhr damit zugleich den ersten ESC-Sieg für Portugal<br />

ein. Doch statt sich danach mit üblichem Pathos bei seinen Fans<br />

zu bedanken, gab sich Sobral in seiner Siegerrede ein wenig nachdenklich.<br />

»Wir leben in einer Welt völlig austauschbarer Musik –<br />

Fast-Food-Musik ohne jeden Inhalt«, so <strong>der</strong> Sänger. »Musik ist kein<br />

Feuerwerk. Musik ist Gefühl. Lasst uns versuchen, etwas zu än<strong>der</strong>n<br />

und die Musik zurückzubringen!« Nach großer Partylaune klang<br />

das nicht. Eher nach einem reflektierenden Künstler, <strong>der</strong> von dem<br />

ganzen Ansturm und Wirbel um ihn selber völlig überrascht war.<br />

Natürlich sollte <strong>der</strong> ESC-Gewinn vieles in seinem Leben än<strong>der</strong>n.<br />

Hatte Sobral vor dem Sieg lediglich zwei Konzerte für 2017 geplant,<br />

war er plötzlich ein Publikumsmagnet. Doch zu Kopf gestiegen ist<br />

<strong>der</strong> Ruhm dem einstigen Psychologiestudenten nicht. Immerhin litt<br />

er in jener Zeit an einer lebensbedrohlichen Herzkrankheit, die den<br />

ganzen Showbiz-Trubel relativierte. Dank erfolgreicher OP ist die<br />

Todesangst längst dem Lebensglück gewichen. Und musikalisch<br />

besinnt sich Salvador Sobral mehr denn je auf seine Wurzeln – die<br />

im Jazz, aber auch in <strong>der</strong> brasilianischen Bossa nova liegen. Zu<br />

seinen frühesten Idolen gehörten Musiker wie <strong>der</strong> Jazz-Trompeter<br />

Chet Baker sowie <strong>der</strong> brasilianische Kultsänger Caetano Veloso.<br />

Seinen künstlerischen Weg sollte aber <strong>der</strong> aus Venezuela stammende<br />

Musiker Leo Aldrey beeinflussen, den Sobral 2010 während<br />

seines Jazz-Studiums in Barcelona kennenlernte: »Leo sagte zu<br />

mir: Lass uns an<strong>der</strong>e Sachen hören, lass uns Musik machen, die<br />

nicht nur Jazz ist, denn Jazz ist die Musik an<strong>der</strong>er Leute, und du<br />

singst nur Cover-Songs. Lass uns unsere eigene Musik komponieren,<br />

mit starken Jazz-Wurzeln, aber mit all deinen Einflüssen,<br />

Lateinamerika, Fado, Pop, all das.«<br />

2016 ging Sobral, <strong>der</strong> aus einer portugiesischen Adelsfamilie<br />

stammt, mit diesem vielsprachigen Mix aus Jazz und Weltmusik<br />

erstmals ins Aufnahmestudio. Prompt erklomm sein Debüt-Album<br />

»Excuse Me« die Spitze <strong>der</strong> portugiesischen Charts. Ähnlich erfolgreich<br />

waren auch die nachfolgenden Alben »Paris, Lisboa« und<br />

»BPM«.<br />

Nun stellt Salvador Sobral mit seiner Band seine neue, vierte und<br />

wie<strong>der</strong> mit Leo Aldrey produzierte CD »Timbre« in <strong>der</strong> <strong>Kölner</strong> <strong>Philharmonie</strong><br />

vor. Der Titel nimmt Bezug auf die Bestimmung und die<br />

Leidenschaft Sobrals: »In diesem Leben bin ich in erster Linie Sänger,<br />

ein Performer, und was mich am meisten definiert und auszeichnet,<br />

ist meine Stimme, mein Timbre. Der zweite Grund ist,<br />

dass ich mich für das Konzept <strong>der</strong> Klangfarbe als Farbe interessiere,<br />

die Farbe <strong>der</strong> Stimme, die Farbe <strong>der</strong> Instrumente.« Aber für<br />

Sobral gab es noch einen dritten Grund, das Album so zu nennen:<br />

»<strong>Das</strong> Wort ›timbre‹ wird in vielen lateinischen und germanischen<br />

Sprachen verwendet. Es wird gleich buchstabiert und bedeutet<br />

dasselbe. <strong>Das</strong> Konzept von ›Timbre‹ scheint also universell zu sein,<br />

und wir können uns alle darauf verständigen.« Und mit diesem seinem<br />

unverwechselbaren Timbre zeigt Salvador Sobral in all den<br />

neuen Songs, wie sinnlich und intelligent zugleich sich diese Art<br />

von Slow-Food-Musik anhören kann.<br />

Reinhard Lemelle<br />

Konzerttermin<br />

Dienstag, 31. Oktober <strong>2023</strong>, 20:00<br />

»Timbre«<br />

Salvador Sobral vocals, piano, composition<br />

Max Agnas piano<br />

André Santos guitars<br />

André Rosinha double bass<br />

Joel Silva drums, percussion<br />

<strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />

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